Pfaffenhofen
Jagd mit der Dashcam

32-Jähriger nach Streit mit Cabrio-Fahrer wegen Falschaussage verurteilt

03.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr

Pfaffenhofen - "Unsereins", sagt Wolfgang M.

(Name geändert), "hält sich an die Ordnung. " Unsereins - damit meint er offensichtlich Leute wie ihn: ein sportiver 65-jähriger Geschäftsmann mit blütenweißem Hemd, Wildleder-Slippern, legerer Jeans, dunkelblauem Jackett, Zweitwohnung am Alpenrand und Cabrio. Darin hat er eine Dashcam installiert, mit der er den Straßenverkehr - nach vorne und nach hinten - filmen kann. Das wurde einem 32-Jährigen zum Verhängnis, der jetzt vom Pfaffenhofener Amtsgericht wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Freitagnachmittag, das erste Juni-Wochenende vor zwei Jahren: Der 32-jährige Lukas P. ist mit Frau und zwei Kindern im Auto unterwegs Richtung Bodensee. Dichter Wochenendverkehr, auf der B12 Richtung Kempten. Immer wieder kommt es zu Überholmanövern. Irgendwann, sagt Lukas P. , sei er in einer langgezogenen Linkskurve von dem Cabrio überholt worden und der Fahrer habe ihn und seine Familie mit der Dashcam gefilmt. Dann sei das Cabrio eingeschert. "Dass jemand ungefragt meine Kinder filmt, das geht nicht", sagt er. Er überholt den Cabrio-Fahrer ("Ich wollte wissen, wer das ist. "), aber dass er ihn dann ausgebremst habe, dass sei nicht ihm anzulasten, sondern dem Bremsassistenten seines Fahrzeugs, eine technische Einrichtung, die sich in Gefahrensituationen - in diesem Fall sei es der Gegenverkehr gewesen - zuschaltet.

Lukas P. zeigt den Cabrio-Fahrer wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr an. Wolfgang M. kassiert einen Punkt in Flensburg, muss 143,50 Euro Bußgeld zahlen. Dagegen geht er vor. Es kommt vor dem Amtsgericht Kaufbeuren zu einer Gerichtsverhandlung, in der Wolfgang M. die Aufzeichnungen seiner Dashcam als Beweismittel vorlegt: Darauf ist eindeutig zu sehen, dass es sich umgekehrt verhalten hat - Lukas P. hat den Geschäftsmann wiederholt ausgebremst. Trotz Belehrung der Richterin bleibt der 32-Jährige bei seiner Aussage, der 65-Jährige aber wird freigesprochen.

Dabei hätte er es bewenden lassen können. Aber er zeigt seinerseits Lukas P. an: wegen falscher Verdächtigung und uneidlicher Falschaussage. Jetzt muss das Pfaffenhofener Amtsgericht die Beweise noch einmal bewerten. Tatsächlich ist die Verwendung von Dashcam-Aufnahmen vor Gericht umstritten und aus Datenschutzgründen nur in engen Grenzen gestattet. Dreimal, schimpft Wolfgang M. , habe ihn der Angeklagte ausgebremst, einmal habe er bis auf 15 Kilometer pro Stunde runterbremsen müssen. "Nein, ich bin ganz normal weitergefahren", hält der 32-Jährige dagegen. "Hören Sie auf, Sie lügen", schnauzt ihn der Cabrio-Fahrer an. "Hier sehen Sie, wie es wirklich war", er zeigt auf den Bildschirm, auf dem Richterin Nicola Schwend mit ihm, der Staatsanwältin und dem Angeklagten das Video anschaut. Warum er denn Lukas P. gefilmt habe, fragt ihn die Richterin. Als Beweis vor Gericht, sagt der Cabrio-Fahrer, da sei es notwendig, den Fahrer eindeutig zu identifizieren, dazu habe ihm auch sein Anwalt geraten. Die Frage nach der Notwendigkeit einer Dashcam wird nicht erörtert. Der 65-Jährige muss sich von der Richterin aber sagen lassen, dass er einen "Verfolgungseifer zeigt, der weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegt".

Wolfgang M. verlässt denn auch nach seiner Vernehmung nicht den Sitzungssaal, sondern nimmt im Zuschauerraum Platz, um das Urteil abzuwarten: 100 Tagessätze à 30 Euro, damit gilt Lukas P. als vorbestraft. "Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich geärgert haben", gesteht Nicola Schwend dem Angeklagten zu, "aber das ist kein Grund, andere anzuzeigen. " Und erst recht nicht, ihnen eine falsche Verdächtigung anzuhängen.

PK