Eisenhut
"Ja konnten die Bauern selber nicht beten?"

Geschichten rund um die einstige Eremitage in der St. Magdalena-Kirche in Eisenhut

12.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:42 Uhr
Anton Sigl
Rund um die Kirche von Eisenhut (oben) ranken sich zahlreiche Geschichten. Von der tiefen Empore (unten) aus hat zum Beispiel Paulus Singer am liebsten gepredigt. −Foto: Fotos: Straßer, Sigl

Eisenhut (PK) Wenn an diesem Sonntag das Pfarrfest in Eisenhut stattfindet, steht die Gerolsbacher Filialkirche St. Magdalena besonders im Mittelpunkt. Aus gutem Grund - denn ihre Geschichte hat es in sich.

Vordergründig betrachtet wäre St. Magdalena eines der vielen barocken beziehungsweise barocküberformten Landkirchlein in der reichen Sakrallandschaft Oberbayerns. Aber bei genauerem Hinsehen kann es mit einer ganzen Reihe von Besonderheiten aufwarten, die man andernorts so leicht nicht findet.

St. Magdalena, als ehemalige Einsiedelei für mehrere Eremiten nacheinander, ist gewiss so eine solche Besonderheit, die bisher wenig gewürdigt wurde. Der bekannteste unter diesen Klausnern war sicher Paulus Singer. Mithilfe mündlicher Überlieferung, gegenständlicher Zeugnisse und schriftlicher Unterlagen wird nachfolgend versucht, ein Lebensbild dieses Eremiten zu zeichnen.

Als sich der Gerolsbacher Schneiderssohn Phillip Singer entschlossen hatte, als Laienbruder ein Einsiedlerleben zu führen, wählte er das Kirchlein St. Magdalena in Gerenzhausen (heute Ortsteil Eisenhut) als künftigen Aufenthaltsort. Darum stellte er 1712 an das Landgericht Schrobenhausen ein Gesuch, bei der Kapelle (später Filialkirche) in Gerenzhausen auf der Westseite eine Klause anbauen zu dürfen. Dies wurde ihm von Seiten der Behörde auch zugestanden. Mit eigenem Geld und gesammelten Mitteln errichtete er seine Klause, die man sich in den bescheidenen Ausmaßen des heutigen Vorhauses denken kann. Als Zeichen seiner neuen Lebensweise trug Phillip Singer nun eine Kutte (Habit), die er von den Franziskanern in Freising bekommen hatte, und gab sich den geistlichen Namen des Völkerapostels Paulus, den er bis an sein Lebensende getragen hat.

Bereits damals, als Paulus Singer seine Klause bezogen hatte, war nicht nur die Kirche in einem erbarmungswürdigen Zustand, sondern auch die Paramente und sonstige Kirchenzier waren im Spanischen Erbfolgekrieg weggenommen worden; so konnten in Gerenzhausen nicht einmal mehr Messen gehalten werden. In dieser Situation machte sich Frater Singer auf, im ganzen Land zu sammeln. In Freising, dem Sitz des damaligen Fürstbischofs und des Domkapitels, das über Gerolsbach sowohl die Grund- als auch die Kirchenherrschaft hatte, wurde ihm dazu ein sogenanntes "Patent" ausgestellt. Ferner erhielt er eine kurfürstliche Erlaubnis, also eine "Lizenz", vierteljährlich in der ganzen Stadt München sammeln zu dürfen. Singer erwies sich als recht erfolgreicher Bettler und Sammler. Mit dem Geld, das er zusammengebracht hatte, konnte er um 1720 herum sowohl bauliche Veränderungen an dem heruntergekommenen Kirchlein vornehmen lassen als auch neue Kirchenzier anschaffen. Bei diesen Baumaßnahmen wurde die Kirche um ein gutes Stück nach Westen verlängert. Wobei - auch noch heute sichtbar - eine recht tiefe Empore entstanden ist. Diese war aber nicht für die Kirchenbesucher gedacht; hier wurde für Frater Singer eine neue, größere Klause eingebaut. Durch ein kleines Fenster konnte er auf den Altar blicken und dabei seine Gebete verrichten und Psalmen erklingen lassen.

Anlässlich eines Wandertages führte eine Lehrerin ihre Schulklasse auch in die Filialkirche St. Magdalena. Dabei kam sie natürlich auch auf den Eremiten Paulus Singer zu sprechen. Als sie dabei erzählte, dass die Bauern der Umgebung den Klausner für sich beten ließen, konnte das eine recht aufgeweckte Schülerin gar nicht akzeptieren. Sie stellte spontan die entscheidende Frage: "Ja konnten denn die Bauern selber nicht beten?"

Daraufhin ging die Lehrerin näher auf die Beziehungen zwischen dem Einsiedler und den Bauern ein. Gerade die wohlhabenden unter diesen in Gerenzhausen und in den benachbarten Einöden versorgten den Klausner mit dem Lebensnotwendigen; vor allem aber mit Brot. Zu besonderen Anlässen, wie der Kirchweih in Gerenzhausen, gab es auch Weißbrot und Kücherl.

Neben seinen Gebetsaufträgen hatte der Klausner auch noch andere Pflichten. So musste er täglich zum "Ave Maria" läuten und im Sommer bei heranziehenden Gewittern die Wetterglocke bedienen, damit die Ernte sicher eingebracht werden konnte.

Auch vom nahen Kloster Scheyern erhielt der Klausner feste Zuwendungen an Brot. Dafür hatte er die Aufgabe, vor allem bei Prozessionen das Kreuz voranzutragen. Und wenn ein Priestertreffen stattfand, half er mit, wofür er mit Essen belohnt wurde.

An Beschäftigungen fehlte es dem Eremiten von Eisenhut nicht. So überließ der Mesner, der gleichzeitig Lehrer war, gerne das sogenannte "Schulehalten", das vorwiegend in den Sommermonaten stattfand, dem Frater Paulus. Ob der Mesner und Schulmeister von seinem bescheidenen Unterhalt dem Einsiedler etwas zum Lebensunterhalt abgetreten hat, ist nicht überliefert. Viel wird es nicht gewesen sein.

Um es in der kalten Jahreszeit in der Klause einigermaßen warm zu haben, erhielt Singer aus den umfangreichen Waldungen des Freisinger Domkapitels um Gerolsbach im zweijährigen Turnus sechs Klafter Brennholz, was etwa drei Ster pro Jahr ausmachte.

Über 30 Jahre seines Lebens verbrachte Paulus Singer als Klausner in Gerenzhausen. Nach kurzer Krankheit verstarb er dort am 2. September 1731. Nun weiß man aus der mündlichen Überlieferung kaum noch etwas über die Grabstätte des einstigen Klausners.

Es ist außerdem schon einige Jahrzehnte her, dass der bereits verstorbene Kirchenpfleger von Eisenhut namens Martin Obermair noch die Stelle kannte, wo Paulus Singer seine letzte Ruhe gefunden hat. Bei einer privaten Kirchenführung zeigte Obermair auf eine Juraplatte im Gang, nahe dem Chorbogen, die drei Kreuzchen übereinander eingraviert hatte; während er auf diese Platte deutete, sagte er "Da drunt is der Einsiedler eingram".

Anton Sigl