Irsching
"Wir werden noch gebraucht"

Aus dem Tiefschlaf erwacht: Im Gaskraftwerk Irsching wird in diesen Tagen Strom produziert

27.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:44 Uhr

Es raucht und qualmt: Seit dem 9. Januar wird im Gaskraftwerk Irsching regelmäßig Strom produziert. Der Betrieb ist nicht zu übersehen. Für die Mitarbeiter eine willkommene Abwechslung. Denn im vergangenen Jahr gab es nur wenige Betriebstage. Irsching ist als Reservekraftwerk eingestuft und wird nur bei Bedarf von Netzbetreiber Tennet angefordert. - Foto: Schwadtke

Irsching (PK) Die gute Nachricht lautet: Das Gaskraftwerk in Irsching produziert seit gut zwei Wochen regelmäßig Strom. Teilweise sind sogar alle drei Blöcke in Betrieb. Die schlechte: Das Kraftwerk profitiert nicht davon.

"Wir sind quasi aus dem Koma erwacht", sagt Kraftwerksleiter Oliver Schwadtke. Seit dem 9. Januar produzieren ein bis zwei Blöcke regelmäßig Strom, teilweise hingen sogar alle drei Blöcke am Netz. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Vor allem für die rund 60 Mitarbeiter in Irsching. Sie waren in den vergangenen Jahren meist damit beschäftigt, das Kraftwerk instand zu halten, zu reinigen, dafür zu sorgen, dass die Anlagen keinen Rost ansetzen. Strom wurde kaum produziert.

Laut Schwadtke gab es im Jahr 2016 nur eine Handvoll Starts - kaum der Rede wert. Doch momentan ist jeden Tag Betrieb. Der Netzbetreiber Tennet fordert Irsching regelmäßig an und das Kraftwerk liefert.

Warum genau das Gaskraftwerk gerade jetzt gebraucht wird, da ist sich Schwadtke nicht ganz sicher. Es ist zwar kalt und damit steigt der Stromverbrauch; und auch die Erträge aus den erneuerbaren Energien dürften aufgrund der wenigen Sonnenstunden und der Windflaute überschaubar sein. "Aber das ist alles nichts Außergewöhnliches", sagt der Experte. Er kann nur spekulieren, dass es mit dem Strombedarf der Nachbarländer zusammenhängt. Aber letztlich spielt der Auslöser keine große Rolle, wichtig ist die Botschaft: "Wir werden noch gebraucht", betont Schwadtke.

Doch so schön es ist, endlich den Stand-by-Betrieb zu verlassen und wieder am Netz zu sein - es gibt doch einen gehörigen Wermutstropfen. Denn seit April 2016 sind die Blöcke 3, 4 und 5 in Irsching als Reserve eingestuft (die Blöcke 1 und 2 sind längst still gelegt). Das bedeutet, dass sie nicht mehr am Strommarkt teilnehmen können. Das heißt, egal ob in Irsching Strom produziert wird oder nicht - es gibt lediglich die in den entsprechenden Verträgen vereinbarte Kostenerstattung. Und die deckt laut Schwadtke nicht einmal den laufenden Unterhalt.

Der Schritt in die Reserve war aus der Sicht des Kraftwerksleiters allerdings richtig. "Wir waren nicht mehr konkurrenzfähig", sagt er. Die Megawattstunde Strom wird in Irsching etwa für 50 bis 55 Euro (das entspricht 5 bis 5,5 Cent pro Kilowattstunde) produziert. An der internationalen Strombörse lag der Preis in den vergangenen Monaten aber kaum über 40 Euro pro Megawattstunde. Zumindest das hat sich geändert. Denn der Strom wird derzeit zu Preisen von rund 100 Euro pro Megawattstunde gehandelt. Irsching könnte also rentabel im Markt agieren. "Aber das ist nur eine Eintagsfliege", sagt Schwadtke. Es gebe nun mal ein Überangebot an Strom und dementsprechend prophezeit er bald wieder niedrigere Preise. Das heißt, auf Jahressicht kann sich Irsching derzeit nicht am Markt behaupten.

Dennoch bleibt da dieses ungute Gefühl. Die Anlagen in Irsching laufen zuverlässig, sind offensichtlich gut in Schuss, aber es gibt keine adäquate Vergütung. "Das stößt schon ein wenig sauer auf", sagt Schwadtke. Bis April 2018 wird sich an dieser Situation nichts ändern, denn so lange laufen die Verträge. Wie es danach weitergeht, ist offen. Doch eines dürfte sicher sein: Das Kraftwerk in Irsching dürfte auch dann noch gut in Schuss sein.

Kraftwerk Irsching



Das Kraftwerk Irsching besteht aus fünf voneinander unabhängigen Blöcken. Block 1 wurde bereits im Jahr 2006 still gelegt, Block 2 folgte 2012. Der dritte im Bunde ist bereits mehr als 40 Jahre alt und auch dessen Tage sind gezählt.

Bleiben noch die beiden modernen Anlagen 4 und 5. Nachdem sie 2010 und 2011 praktisch durchgelaufen sind, kam 2012 der Einbruch und seither sind die Anlagen kaum noch in Betrieb. Zum einen drängen die regenerativen Energien immer stärker in den Markt, zum anderen ist der Kohlestrom dank der Subventionen konkurrenzlos billig. Da kann ein Gaskraftwerk wie Irsching – trotz eines hohen Wirkungsgrades – nicht mithalten. Der Strompreis auf den internationalen Märkten liegt im Schnitt deutlich unter den Preisen, zu denen Irsching erzeugen könnte.

So beschränkt sich die Aufgabe der rund 60 Mitarbeiter weitgehend darauf, die Anlagen einsatzbereit zu halten. Und darauf zu warten, dass Tennet anruft. Denn die Blöcke 3, 4 und 5 zählen zu den Reservekraftwerken. Der Netzbetreiber Tennet kann auf sie zurückgreifen, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Genau dieser Fall ist seit dem 9. Januar eingetreten. Teilweise waren sogar alle drei Blöcke am Netz.