Pfaffenhofen
In die digitale Zukunft gebeamt

Neun Senioren dürfen daheim völlig kostenfrei zwei Monate lang Tablet-PCs ausprobieren

11.12.2018 | Stand 25.10.2023, 10:23 Uhr
Andreas Mauer (vorn) leitet den Senioren-Tablet-Kurs. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Surfen, chatten, shoppen: Neun Pfaffenhofener Senioren lassen sich ins digitale Zeitalter beamen: Das Seniorenbüro hat sie mit Tablet-PCs ausgestattet, die sie völlig kostenfrei daheim für zwei Monate ausprobieren dürfen.

Seit sechs Jahren schon läuft das Projekt "Digital mobil im Alter", das von der Stiftung "Digitale Chancen" gesponsert und vom Wirtschafts- und dem Familienministerium unterstützt wird. Der Mobilfunkanbieter Telefónica stellt kostenlos die Tablets und eine Internetflatrate zur Verfügung. Ziel ist es, älteren Menschen das Alltagsleben zu erleichtern und ihnen die Berührungsangst mit der digitalen Technik zu nehmen. Weit über die Hälfte der 70- bis 74-Jährigen, so die Statistik, nutzen nicht das Internet, in der Altersgruppe der Ü 75 ist gar nur jeder Fünfte online. Das soll sich ändern. Die Stiftung appelliert deshalb an Einrichtungen, sich zu bewerben. Das Pfaffenhofener Seniorenbüro, freut sich die Leiterin Heidi Andre, hatte Glück und bekam den Zuschlag. Neun Tablets stehen zur Verfügung, um die sich 20 Silver-Ager beworben hatten.

Diese neun sitzen jetzt teils mit ihren Ehepartnern am Tisch - vorsichtshalber haben sie Papier und Kuli für Notizen mitgebracht - und lassen sich von Andre mit einem kurzen Sketch aus der NDR-Satiresendung "extra 3" für die digitale Zukunft aufwärmen: Da freut sich ein älterer Herr darüber, dass er jetzt auch Internet habe, ein Smartphone, ein Tablet und einen Computer, "man muss ja am Ball bleiben. Ich kann jetzt mit den Kindern WhatsApp chatten und online shoppen. Das ist so ..." Den Satz ergänzen dann die Kinder: "Das ist so ein Albtraum." Denn Opa habe "überhaupt keine Ahnung, was er da macht". Ständig rufe er an und nerve sie mit seinen Technik-Problemen, die sie dann vor Ort beim persönlichen Besuch beheben. Zur Freude des Opas, der hinter vorgehaltener Hand kichernd gesteht: "Dieser ganze Computer-Schnick-Schnack interessiert mich überhaupt nicht - aber jetzt sehe ich meine Familie viel öfter."

Da müssen sie lachen, die neun Pfaffenhofener - sieben Frauen und zwei Männer. Vielleicht auch, weil sich manche insgeheim ertappt fühlten. Denn der Wunsch, besser und öfter mit der Familie Kontakt zu haben, rangiert bei der Frage an die bisherigen Nutzer, was sie mit dem Tablet anstellen wollen, ganz oben: E-Mails wollen sie schreiben, erklärten 78 Prozent der Befragten. Und chatten. In diese Gruppe passt Maria Yu. Ihr Enkel habe ihr geraten, sich doch ein Laptop zuzulegen. Dann könne man sich problemlos schreiben. "Das", sagt die Seniorin, "will ich lernen." Auf einem handlichen Tablet.

Nein, sie fühlen sich nicht zu alt, um noch dazuzulernen. Michela Englisch, 74, ist neugierig. "Ich möchte das verstehen." Online ist sie bisher nicht unterwegs. Wie sie denn ihre Banküberweisungen erledigt? "Das macht mein Sohn." Werner Oswald, 87, will sich mit seiner Frau Ingeborg, 80, ebenfalls im Netz tummeln. "Ich freue mich auf neue Informationsmöglichkeiten." Oswald liest viel, auch die Tageszeitung, aber das Netz biete ja noch so viel mehr.

Aber erst einmal geht's an die Basics. Bei zwei Dritteln dieser Senioren muss ganz vorn angefangen werden: Nur drei haben einen Internetzugang, niemand besitzt ein Smartphone. Die Frage, wie sie denn dann telefonieren, beantworten sie kopfschüttelnd so: blöde Frage, natürlich mit dem Handy.

Ach ja, es gab ja mal vor gefühlten Digital-Ewigkeiten Handys, mit denen man nur telefonieren konnte. Die sind jetzt offensichtlich fest in Seniorenhand. Allein eine Viertelstunde nimmt es in Anspruch, den Tablet-Eleven zu erklären, wie man ein sicheres Passwort fürs Google-Konto auswählt. Andreas Mauer, der seit fünf Jahren fürs Seniorenbüro Computerkurse anbietet, schlägt - nur als Beispiel - Wa1Ggf$h vor. Ein Top-Passwort-Wort! Könne sich natürlich niemand merken, wohl das Sprichwort, dessen Anfangsbuchstaben für dieses Buchstaben-Wirrwarr stehen: Wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein. "Ein Sonderzeichen sollte schon dabei sein, um das Passwort sicher zu machen", erklärt Mauer. Was bitte ist ein Sonderzeichen?

Ach ja, und man braucht natürlich auch einen Konto-Namen. Zum Beispiel hansmustermann@gmail.com. "Kann ich auch Micky Maus nehmen", fragt jemand, der nicht so gern im Internet seinen Namen preisgeben will. Klar, sagt Mauer, wird aber wahrscheinlich schon vergeben sein, "auch mickymaus24". "Dann nehme ich eben 25", sagt eine Seniorin, die das Prinzip schnell begriffen hat.

Einschalten, Passwort eingeben (steht sicherheitshalber auf dem Etui), Hometaste drücken, über den Bildschirm wischen ("Sanft, das ist ein sensibles Gerät", sagt Mauer), übungshalber wieder ausschalten, die Buchse für das Ladekabel finden - sich in diesem Alter auf etwas so komplett Neues anzulassen, nötigt Respekt ab.

"Wenn Sie feststellen", sagt Heidi Andre, "das Tablet ist nichts für Sie, dann geben Sie es bitte umgehend zurück, damit andere eine Chance haben." "Niemand wird das zurückgeben", ermuntert Andreas Mauer die ergraute Schar. "Wir werden damit viel Spaß haben." Den werden über Weihnachten die Enkel sicher steigern wollen, vermutet Andre. Und deshalb der Hinweis: "Geben sie es nicht den Enkeln. Denn zusätzliche Programme dürfen nicht draufgeladen werden." Aber ansonsten: "Drücken Sie ganz viel drauf!" Und wenn man sich mal verdrückt hat? Auch kein Problem: An jedem Dienstag ab 9.30 Uhr haben Andreas Mauer und weitere Ehrenamtliche im Seniorenbüro Tablet-Sprechstunde. Und an den kommenden Freitagen werden Digital-Neulinge in die Internet- und App-Welt eingeführt.

Albert Herchenbach