Geisenfeld
Ilmendorf: Investor droht Stadt

Abstimmung über umstrittenes Gewerbegebiet verschoben - FW sehen sich zu Unrecht in der Kritik

14.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:23 Uhr
Rappelvoll war der Geisenfelder Sitzungssaal am Donnerstagabend. Die Abstimmung über das Gewerbegebiet Ilmendorf Nord wurde jedoch vertagt - nächsten Donnerstag werden die Zuhörer also vermutlich wieder keinen Sitzplatz im Rathaus finden. −Foto: Ermert

Geisenfeld (GZ) Kurz und heftig ist die Geisenfelder Stadtratssitzung verlaufen. Dutzende Zuhörer lockte am Donnerstag die neuerliche Debatte um die Ansiedlung eines Logistikunternehmens im Gewerbegebiet Ilmendorf Nord an. Sie zogen kurz danach murrend und schimpfend wieder ab, denn die Entscheidung wurde vertagt.

Der Sitzungssaal platzte aus allen Nähten. Die Stühle für die Zuhörer reichten nicht ansatzweise, viele mussten stehen. "Ich glaube nicht, dass der Saal bei einer Sitzung schon einmal so voll war", kommentierte Bürgermeister Christian Staudter von den Unabhängigen Sozialen Bürgern (USB) den Andrang. Seine Begrüßung fiel freundlich aus - wohlwissend, dass er die Gäste nur wenige Minuten später schwer enttäuschen würde.

Denn Staudter verlas einleitend ein Anwaltsschreiben, dass der Rechtsanwalt des Investors am Donnerstag um 16.01 Uhr, also drei Stunden vor der Sitzung, per E-Mail an den Bürgermeister geschickt hatte. Darin verwies der Anwalt auf die in der Gemeindeordnung verankerte "Amtspflicht zu konsequentem Handeln". Am 23. Oktober hatten die Stadträte mehrheitlich die Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gewerbegebiet Ilmendorf Nord beschlossen. Seither hätten sich die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung des Logistikunternehmens rein rechtlich nicht verändert. Falls dem Antrag der USB-Fraktion, den Aufstellungsbeschluss rückgängig zu machen, stattgegeben würde, werde der Investor Schadensersatzforderungen geltend machen, verlas Staudter weiter.

Eine rechtliche Würdigung dieser Androhung habe die Stadt Geisenfeld in der Kürze der Zeit nicht bewerkstelligen können, fügte Staudter an. Daher wolle er kein Risiko eingehen. Er schlug den Räten vor, die Abstimmung auf die Jahresabschlusssitzung am kommenden Donnerstag zu vertagen.

Wie das bei den Zuhörern ankam, war absehbar. Lautes Murren, offener Protest waren die Folge. "Schämt euch", lautete ein Zwischenruf. Ex-Stadtrat Franz Wittmann warf in den Raum, dass die Ilmendorfer hier doch nur "verarscht" würden. Und später beim Hinausgehen "bedankte" sich mit Josef Robin einer der Zuhörer lautstark und hämisch bei Erich Erl und den Freien Wählern, die er offenbar als Sündenbock ausgemacht hatte.

Dabei machte sich das Gremium diese Vertagung gar nicht leicht. Mehrfach äußerten sich vor allem die USB-Räte, die ursprünglich in Teilen für, in Teilen gegen das Gewerbegebiet votiert hatten. Aufgrund der Bürgerproteste und der Unterschriftensammlung der Bürgerinitiative ist die Fraktion des Bürgermeisters - mit Ausnahme von Staudter selbst - "umgefallen". Die USB hatte den Antrag gestellt, das Gewerbegebiet wieder auf Eis zu legen - um damit dem Bürgerentscheid, der so gut wie sicher kommen würde, zuvorzukommen.

Dieses eher unstete Verhalten der USB-Fraktion hatten die Freien Wähler in ihrer Jahreshauptversammlung angeprangert. Sie plädierten dabei für eine "verlässliche Politik" , stellten sich hinter ihre getroffene Entscheidung und würden - ähnlich wie Teile der CSU und deren Sprecher Hans Schranner - lieber dem Bürgerwillen seinen Lauf lassen. "Der Bürgerentscheid wäre der geradere Weg", meinte Erl. "Wir müssen alle Bürger fragen und entscheiden lassen. Das ist dann die richtige Legitimation für unser Handeln." Schranner sprang Erl bei dieser Ansicht bei. "Wenn wir den Antrag jetzt behandeln, ist das eine Fehlerquelle. Wir sollten den Schulterschluss mit den Bürgern suchen und dieses Bürgerbegehren zulassen - das wäre der konsequentere Weg."

Die Unabhängigen Sozialen Bürger sehen das anders. Sie versuchen die aktuelle Stimmung im Volk zu nutzen - und es per Antrag zu bedienen. Das Anwaltsschreiben verpasste ihnen dabei nur noch mehr Rückenwind. "Diesen Stil will ich gar nicht kommentieren", meinte Paul Weber. Er fragte, weshalb das Gremium am 23. Oktober überhaupt zu entscheiden hatte, wenn offenbar sowieso schon alles klar gewesen sei. "Und wie sehen die Verträge zwischen Investor und Stadtentwicklungsgesellschaft überhaupt aus?" Von "schlechtem Stil" sprachen danach auch Bürgermeister Staudter und Wolfgang Hollweck. Dieser zweifelte an, dass seit dem 23. Oktober überhaupt Kosten in dem Verfahren angefallen seien. Er fragte nach, ob seither ein Grundstücksgeschäft getätigt worden sei - was Bürgermeister Staudter verneinte.

Trotz (oder gerade wegen) ihres kollektiven Meinungsumschwungs scheinen die USB-Räte bei den Ilmendorfern und den Vertretern der Bürgerinitiative noch mit Abstand am besten anzukommen. Denn während die Freien Wähler beim Hinausgehen offen beleidigt wurden, erntete Reinhard Bachmaier (USB) Applaus und Jubelrufe für seine Aussage: "Wir haben dem Investor 20 Hektar zur freien Verfügung gestellt - und es hat geheißen, wir müssen ihm Vertrauen schenken. Jetzt haben wir gesehen, was Vertrauen bedeutet. Ich schäme mich, dass wir uns jetzt vor all den Leuten, vor aller Welt lächerlich machen mit einem solchen Zinnober."

Ein gewisser Widerspruch kam hierzu von Jürgen Staudt (CSU). "Dieser Gegenwind war zu erwarten", kommentierte der Jurist des verlesene Anwaltsschreiben. "Dass der Investor nach diesem Vorgang Schadensersatz fordert, war doch klar. Das ist normales Geschäftsverhalten. Mit dieser Kröte werden wir leben müssen."

Mit 23:2 Stimmen wurde der USB-Antrag auf kommenden Donnerstag vertagt. Wie es dann allerdings genau weitergeht, steht noch nicht im Detail fest. Der USB ist es wichtig, dass ihr Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vor der Zulassung des Bürgerbegehrens behandelt wird. Sie will den Bürgerentscheid schließlich verhindern, indem sie dessen Intention vorwegnimmt. "Welcher Tagesordnungspunkt vor dem anderen kommt, spielt da keine Rolle", meinte Bürgermeister Staudter. Es sei nämlich alles erlaubt, was dem Bürgerbegehren entspricht - nur verhindern oder erschweren dürfe man es nicht. "Es läuft uns zeitmäßig also nichts davon", schloss Staudter den Punkt ab. "Wir wollen nur kein juristisches Risiko eingehen." Diese Entscheidung hat die Räte zwar offenbar etwas beruhigt - die anwesenden Ilmendorfer machte es hingegen nur noch wütender.

Zu Wort äußerte sich am Ende der Sitzung noch einmal Alfons Gigl (FW). Seine Fraktion wolle es nicht länger hinnehmen, als alleiniger Sündenbock dazustehen. Die Stadträte würden in sozialen Netzwerken und persönlich immer wieder beleidigt, obwohl sie nur zu ihrer Meinung stehen würden. "Wir sind fünf von 24 Stadträten. Es gab am 23. Oktober Befürworter quer durch alle Fraktionen für dieses Gewerbegebiet", stellte Gigl klar.

Patrick Ermert