Pfaffenhofen
Idyllische Farbwelten und düstere Endzeitvisionen

Der bekannte Pfaffenhofener Kunstmaler Josef Kroha wird diesen Sonntag 90 Jahre alt

02.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:02 Uhr
Josef Kroha - hier vor einer seiner letzten Arbeiten ("Herkunft", 2012; Foto oben) - feiert an diesem Sonntag seinen 90. Geburtstag. Der bedeutende Kunstmaler lebt seit 50 Jahren in Pfaffenhofen und hatte sich in seinen letzten Schaffensjahren wieder verstärkt der halbgegenständlichen Malerei zugewandt. −Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Josef Kroha, der zweifelsohne zu den renommiertesten Kunstmalern Pfaffenhofens zählt, wird an diesem Sonntag 90 Jahre alt. Mit seiner Ehefrau Heidi lebt er bis heute zurückgezogen in Pfaffenhofen. Er erfreut sich trotz seines hohen Alters einer guten Gesundheit: Von einem Schlaganfall hat er sich weitgehend erholt, sein Geist ist messerscharf - nur sein Gehör hat ihn im Stich gelassen.

Die Bilder an den Wänden von Josef Krohas Wohnung am Rande der Innenstadt sind eine künstlerische Zeitreise: Von kleinformatigen Aquarellen aus der Zeit seines Studiums in den 50er Jahren in Stuttgart über abstrakte Ölgemälde aus den 80ern hin zu den halbgegenständlichen Arbeiten seiner letzten Schaffensjahren bis 2014. Düsternis neben Farbenwelten, Idyllen neben Endzeitvisionen.

Der Künstler und Maler Josef Kroha blickt zurück auf ein schaffensreiches Leben. Auf goldene Zeiten in den 1960er Jahren, als er als Stipendiat in der Cité Internationale des Arts in Paris arbeiten konnte, sich auf internationalem Parkett bewegte, vielfach ausgestellt hat. Aber auch auf seine mittlerweile fünf Jahrzehnte, die er in Pfaffenhofen lebt und gearbeitet hat. Manchem Pfaffenhofener dürfte Kroha auch noch bekannt sein als Kunstlehrer am Schyren-Gymnasium.

Aus den Unterlagen in seinem Arbeitszimmer zieht Kroha eine Fotografie eines Gemäldes seines künstlerischen Idols hervor: des Barockmeisters Peter Paul Rubens. Es ist "Philemon und Baucis", das im Kunsthistorischen Museum in Wien hängt. "Darin kann man sich stundenlang verlieren", sagt der Künstler. Die eigentliche Szene ist an den Rand gerückt, der Landschaft darum herum verliert sich in der Liebe zum Detail. Es ist wohl auch diese Art der Detailversessenheit und wohlüberlegten Feinheit, die sich hinter dem nur vermeintlichen Chaos in den abstrakten Bilderwelten Krohas entdecken lässt.

Die den Arbeiten des Pfaffenhofeners zu eigene Ernsthaftigkeit hat wohl auch biografische Wurzeln. Gebürtig im Egerland wurde er nach dem Krieg verdächtigt, Mitglied der Organisation Werwolf gewesen zu sein, so erzählt er. Ein Jahr lang sei er damals als 16-jähriger Bursche in einem Internierungslager gefangen gehalten worden, ehe er als Aussiedler nach Bayern floh. "Das ist etwas, das einen prägt", sagt Kroha. "Das musste ich auch als Maler verarbeiten." Er fand ein neues Zuhause in Pfaffenhofen, wo er sich 1968 schließlich dauerhaft niederließ. Zuvor studierte er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und war Meisterschüler bei Professor Manfred Henninger. Es folgten viele renommierte Auszeichnungen, Kunstpreise und Stipendien - etwa der sudetendeutsche Kulturpreis für Bildende Kunst und Architektur in München, die Ehrengabe zum Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde sowie der Preis "Recherche de la Qualite" vom Orden des heiligen Fortunatus. 1990 wurde er zum Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste München berufen.

Ihn treiben die Grundlegenden Fragen des Seins um. Das Werden und Vergehen. Werden: Bekannt sind seine Farbfeld-Aquarelle, deren Aufbau aus kleinen Kästchen an sich teilende und vermehrende Zellen erinnert. Vergehen: Präsent sind seine Ölgemälde, die als beklemmende Blicke ins All einen Blick aufs den Anfang vom Ende des Universums zu werfen scheinen.

Auch durch die Arbeiten Krohas letzter Schaffensjahre ziehen sich eine düstere Grundstimmung, Vergänglichkeit, Schwere. So auch bei seinem Lieblingsbild: ein Ölgemälde aus dem Jahr 2012. Als er es damals gemalt hatte, gab er ihm noch den Titel "Blick in die Nacht". Er hat es umbenannt: "Heimat".

Krohas ursprüngliche Heimat, das Örtchen Schönficht bei Marienbad im heutigen Tschechien, existiert nicht mehr. Es wurde 1950 nach der Vertreibung der fast ausschließlich deutschsprachigen Bewohner dem Erdboden gleichgemacht.

Das liegt weit zurück. Wie so vieles in Krohas Leben. Doch bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen ist nicht nur Segen für ihn: Die meisten seiner Weggefährten und Freunde seien bereits gestorben, erzählt er. "Man merkt es gar nicht so schnell, aber auf einmal ist man allein."

So hat er in den vergangenen Jahren sehr zurückgezogen gelebt. Auch, weil er Probleme mit dem Hörsinn hat. "Da wird man von selber ruhiger und geht nicht mehr so oft raus", sagt der Jubilar. Es sei schwierig, wenn man die Menschen einfach nicht mehr verstehen könne. Und mit dem Verlust seines Gehörs ging noch ein schwerer Abschied einher - von seiner geliebten Kammermusik, die verstummte.

Bis ins Alter von 85 Jahren hatte er noch fast jede freie Minute in einem seiner Ateliers verbracht - sei es nun in seinen ehemaligen Arbeitsräumen in der Spitalstraße, seinem alten Atelier in Stuttgart oder in seinem Häuschen in Schweden, wohin er sich in den Sommermonaten zum Arbeiten zurückzog. Vor fünf Jahren dann ist er aber kürzergetreten und mittlerweile im künstlerischen Ruhestand.

Seither liest er fast rund um die Uhr. Seine Lieblingsbücher: Der Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez und die "Essais" von Michel de Montaigne. Und er spielt Schach gegen einen Schachcomputer. Kroha liebt Schach - vielleicht weil das Spiel der Könige seiner Herangehensweise an die Kunst ähnelt. Weil es Bedacht und Konzentration erfordert. Man selbstkritisch jeden Zug überdenken muss.

An diesem Sonntag nun steht Josef Krohas 90. Geburtstag an. Er will verreisen. Im kleinsten Kreis feiern, ohne offizielle Gratulanten. Kurzum: Er will so zurückgezogen feiern, wie er in den vergangen Jahren gelebt hat.

Michael Kraus