Geisenfeld
"Ich hatte so viele Schutzengel"

Henriette Staudter ist nach Gehirnblutung auf gutem Weg zur vollständigen Genesung

10.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:22 Uhr
Der weiße Kurzhaarschnitt ist die sichtbarste Veränderung, die Henriette Staudters Aneurysma hinterlassen hat. −Foto: Foto: Staudter

Geisenfeld (GZ) Henriette Staudter ist die Frau, die Geisenfeld in den vergangenen Jahren kulturell auf Vordermann gebracht hat. Zuletzt bewegte aber nicht ihre unbändige Energie, sondern ihre Krankheit die Menschen wie kein anderes Thema. "Die Anteilnahme war enorm", sagt die Bürgermeistergattin. "Und das hat mir bei der Genesung sehr geholfen. Danke dafür an alle!"

Es war der Morgen des 13. Juni, an dem die Welt von Henriette Staudter erst still stand und sich dann grundlegend veränderte. Wenige Tage vor ihrem 65. Geburtstag stand sie am Morgen noch ganz normal auf, ging ins Bad - und dann weiß sie rein gar nichts mehr. "Ich kann dazu wenig sagen. Nur das, was mir der Christian erzählt hat", sagt sie. Ihr Mann hatte sich entschlossen, an diesem Tag etwas später als üblich ins Rathaus zu gehen, weil er die ganze Nacht über wegen des Hochwassers unterwegs war. "Das war mein Glück. Er hat mich gefunden, als ich auf dem Boden lag. Wäre er nicht da gewesen, hätte ich es vielleicht nicht überlebt. Ich hatte in letzter Zeit so viele Schutzengel."

Als Christian Staudter erkannte, was passiert war, ging alles ganz schnell. Hilferuf, Notarzt, Klinikum, Notoperation. Die Diagnose war eindeutig: Aneurysma. Henriette Staudter hatte schon lange eine Aussackung an einem Blutgefäß im Gehirn. Als diese reißt, kommt es zu einer Hirnblutung. "Das ist genetisch. Erblich bedingt", erzählt sie. "Bei manchen kommt es nie zum Riss, bei anderen kommt es viel früher dazu - und fällt dann noch deutlich schlimmer aus."

Nach der Operation wurde die 65-Jährige erst ins künstliche Koma versetzt, aus dem sie wenige Tage später wieder aufgeweckt wurde. Dann ging es zur Reha nach Kipfenberg. Aber ihre Odyssee war noch nicht zu Ende. Schmerzen im Bein, die sie schon länger gespürt hatte, erwiesen sich als weiteres Blutgerinsel, das ebenfalls herausoperiert werden musste. Und erst dann konnte die Reha in Kipfenberg fortgesetzt werden. "Jetzt lerne ich das Laufen neu", sagt die Kulturreferentin. Sie spricht langsam und mit Bedacht. "Werde ich hektisch, habe ich noch manchmal Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden", erklärt sie. Dafür ist die Wärme in ihrer Stimme zurück. Bei kleinen Scherzen kann sie lachen wie früher. "Viele Menschen sterben nach solch einem Schlaganfall, andere bleiben gelähmt. Bei mir hingegen könnte alles wieder so werden wie früher. Lediglich runterfahren soll ich ein wenig, sagen die Ärzte. Und den ganz großen Stress vermeiden."

Leicht fällt es Henriette Staudter nicht, so etwas zu erzählen und diese Hinweise vor allem auch zu verdauen, wo sie doch ihr ganzes Leben lang eine Macherin war, die überall dort anpackte, wo es gerade nötig war. Die Mukoviszidosehilfe ist ihr "Baby", das sie seit vielen Jahren hegt und pflegt. Erst im März war sie für weitere zwei Jahre zur Vorsitzenden gewählt worden. "Damals haben wir etwas umstrukturiert, damit ich etwas zurückfahren kann", erzählt sie. Dass es so schnell gehen müsse, sei damals nicht bedacht worden. "Aber mein Mann hat bereits eine Sondersitzung einberufen, bei der die Aufgaben im Verein neu verteilt wurden, um mich zu entlasten", fährt sie fort. Alle Mitstreiter ziehen mit. "Und wenn ich weiß, dass da alles gut läuft, kann ich mich auch weiter zurückziehen." Für ihr kulturelles Engagement in Geisenfeld und ihr Mandat als Stadträtin gilt das nicht. "Das macht mir so viel Spaß. Da will ich auf alle Fälle weitermachen - auch wenn ich mir Hilfe zur Seite holen möchte", erzählt sie weiter. Diese Woche hat sie ihren dritten "Daheimtag" in Geisenfeld. Da geht es raus aus der Reha, nach Hause zu Mann und Kindern. "Das tut so gut, da kann ich Kraft tanken", sagt sie. Und auch die ganze Wertschätzung, die vielen guten Wünsche der Menschen, die sich bei ihr selbst oder ihrem Mann gemeldet haben, leisteten ihren Anteil, dass es Henriette Staudter jetzt schon wieder viel besser geht.

"Die Menschen waren sehr betroffen - und ihre Anteilnahme kam von Herzen", ergänzt Christian Staudter. "Es ist wundervoll, dass ihre Arbeit und alles, was sie leistet, anerkannt wird. Und das nicht nur in Geisenfeld, sondern weit darüber hinaus", sagt der Bürgermeister und möchte sich auf diesem Weg für all die Genesungswünsche bedanken.

Fast drei Wochen bleibt Henriette Staudter noch auf Reha in Kipfenberg. Offiziell wird sie am 27. August entlassen. Dann kommt sie wieder ganz nach Hause. "Ich bin schon ziemlich wiederhergestellt", sagt sie. Aber es sei noch nicht alles so wie früher. "Ich werde ein bisschen kürzer treten müssen." Die Vorfreude auf ihre Rückkehr ist ihr schon anzumerken. Dass sie nicht für andere da sein kann, sondern im Gegenteil auch einmal Hilfe von ihrem Mann und den Kindern in Anspruch nehmen muss, fällt ihr nicht leicht. "Die fühlen sich alle verpflichtet, so viel Zeit wie möglich hier bei mir zu verbringen. Es wird schon langsam Zeit, dass da wieder für alle so etwas wie Normalität einkehrt", sagt sie - und denkt schon wieder an andere.

Dass die Gesundheit das höchste Gut ist und sie mehr auf sich achten muss, hat ihr das Schicksal demonstriert. "Dieser Schuss vor den Bug wird mir eine Lehre sein", versichert sie. Henriette Staudter will es ab sofort ruhiger angehen lassen. Prioritäten setzen. Das tun, was wirklich wichtig ist. Jeden Tag genießen. Dankbar sein, dass trotz der Krankheit doch alles so vergleichsweise gut ausgegangen ist. Ihren 65. Geburtstag hat sie wegen der Hirnblutung nicht feiern können. "Aber dafür habe ich ab jetzt gleich zwei Mal Geburtstag. Das ist etwas Besonderes." An all das wird sich ihr Umfeld gewöhnen müssen. Und an eine Äußerlichkeit noch dazu. Ihre lange, rötlich gefärbte und stets perfekt sitzende Haarpracht ist Vergangenheit. "Ich habe jetzt einen weißen Kurzhaarschnitt", sagt sie, lacht - und fügt an, was wohl noch vor Kurzem kaum einer für möglich gehalten hätte. "Das bin ich. Und es gefällt mir. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich das einfach so lasse."

Patrick Ermert