Ernsgaden
"Ich bin mit Leib und Seele Bürgermeister"

Liebe zum Beruf und Kritik am System: Karl Huber im Interview über Vergangenheit und Zukunft in Ernsgaden

11.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:52 Uhr
Landrat will Karl Huber nicht werden. Aber Ernsgadener Bürgermeister würde er gerne noch eine Amtsperiode bleiben. −Foto: Huber

Herr Huber, im Hauptberuf als Landratsamtssprecher ist für Sie in einem halben Jahr Schluss.Müssen die Ernsgadener 2020 denn auch einen neuen Bürgermeister wählen?

Karl Huber: Ich habe vor, wieder anzutreten. Ob die Bürger eine Alternative wählen können und ich einen Gegenkandidaten bekomme, kann ich nicht sagen.

Überlegen Sie es sich aufgrund Ihrer großen Erfahrung vielleicht doch noch, als Landrat zu kandidieren?

Huber: Diese Frage stellt sich nicht. Landrat Martin Wolf wird sich bald äußern, wie er sich seine politische Zukunft vorstellt. Wenn er 2020 nicht mehr antreten sollte, hat die CSU mehrere prädestinierte Kandidaten - und sie wird dann in gewohnter Manier eine Auswahl treffen. Ich bin mit Leib und Seele Ernsgadener Bürgermeister. Das hat mich immer ausgefüllt und ich war und bin sehr zufrieden.

Zeichnet sich im Vorfeld der Wahl etwas Überraschendes ab?

Huber: Ich gehe davon aus, dass die Parteien und Wählervereinigungen im Herbst ihre Wahlvorschläge aufstellen. Das wird erfahrungsgemäß im Oktober oder November der Fall sein. Bisher wurde aber noch nicht viel darüber gesprochen.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit für die laufende Amtsperiode aus?

Huber: Wir arbeiten fair, sachlich und zielorientiert im Gemeinderat. Das meiste, was wir uns 2014 vorgenommen hatten, konnten wir umsetzen. Vor dem Hintergrund, dass wir die kleinste Landkreisgemeinde sind, können sich unsere Ergebnisse sehen lassen. Das ist der Verdienst des gesamten Gemeinderats, darauf dürfen alle ein bisschen stolz sein.

Die Arbeit in den Kommunen wird immer komplexer. Kann man das noch als ehrenamtlicher Bürgermeister erledigen?

Huber: Die Frage stellt sich derzeit nicht. Ernsgaden hat rund 1700 Einwohner, da geht das gerade noch. Mir kommen meine Ausbildung, meine Erfahrung und meine Netzwerke zugute. Bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister kommt es immer auf die persönliche und berufliche Konstellation an. Ich lebe für meine Arbeit, sowohl am Landratsamt als auch als Bürgermeister. Man darf sich nur nicht vollständig vereinnahmen lassen und muss sich mal auch mal schützen. Ich kann vielen helfen, aber es leider nicht jedem Recht machen. Ich teile da mein Los mit anderen Ehrenamtlichen. Entweder man mag es - oder man lässt es.

Welche Projekte haben Sie im vergangenen Jahr erfolgreich abschließen können?

Huber: Wir haben das Dorfgemeinschaftshaus eröffnet, die Kanalstation beim Bad-Weiher saniert - und das Baugebiet Mittergret IV ist fertig. Das freut mich besonders, weil die Nachfrage nach Grundstücken groß ist. Die ersten Familien sind am Bauen, und das überarbeitete Baulandmodell funktioniert.

Was ist 2019 geplant?

Huber: Der Bebauungsplan "An der Hochstraße I" ist rechtskräftig und wir werden in der ersten Jahreshälfte mit der Erschließung beginnen. Weiterer Schwerpunkt wird die Detailplanung der Barrierefreien Wohnanlage sein. Die Eingabeplanung liegt vor, die Kostenermittlung steht kurz vor dem Abschluss. Danach brauchen wir die Freigabe - im Herbst sollen die Bauarbeiten starten.

Mit neuen Baugebieten steigen die Einwohnerzahlen. Kann die Infrastruktur mithalten?

Huber: Wir wollen unseren guten Standard bei der Kinderbetreuung erhalten. Im Kindergarten wird es wieder mal eng. Der Geburtenboom ist erfreulich, fordert aber die Kommunen. Auch die Krippe ist bestens belegt, unsere Schule wächst und steht gesund da. Ferner fördern wir die Jugendarbeit in den Vereinen - und Nadine Dinauer startet gerade einen Jugenddialog.

Sie setzen aber auch auf die Seniorenarbeit einen Fokus.

Huber: Wir sind eine alternde Gesellschaft. Wir werden in den nächsten Monaten eine Umfrage vornehmen, welcher Bedarf bei den Senioren besteht, etwa bei der Pflege oder auch bei der Freizeitgestaltung. Und mir liegt das Ehrenamt sehr am Herzen. Noch ist das Engagement hoch und es läuft gut. Wir unterstützen die Arbeit unserer Ehrenamtlichen und schätzen ihren Wert. Generell gibt es in den nächsten Jahren an der Infrastruktur nicht mehr so viel zu tun wie bisher. Wir können uns also mehr auf die "weichen" Themen konzentrieren: das Angebot für die Jugend, die Bedürfnisse der Senioren oder auch die Einbindung von Neubürgern ins Gemeindeleben.

Sie weisen immer wieder Bauland aus, trotzdem wird das Wohnen immer teurer.

Huber: Wenn sich die Preisspirale so weiterdreht, wird Wohnen bald zum Luxus. Das kann so nicht weitergehen. Bei manchen Bürgern wächst der Unmut, weil nach ihrer Ansicht die Bundes- und Landespolitik zu wenig tut oder die Maßnahmen nicht greifen. Der Druck zum Flächensparen wird die Probleme noch vergrößern und das Bauen noch teurer machen. Wir haben in der Vergangenheit viel Baugrund ausgewiesen. Ob das so weitergeht, wird man sehen. Wir steigen jetzt in den sozialen Wohnungsbau ein. Das ist eine große Herausforderung, aber wir wollen einen Beitrag zur Entspannung der Situation leisten. Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Zum Gewerbe: Ilmendorf ist nicht weit weg, man hat gesehen, was das in Geisenfeld anrichtet. Wie geht Ernsgaden das an - gibt es viele Anfragen von Firmen?

Huber: Wir haben keine Gewerbeflächen mehr, die wir vermarkten können. Eine Erweiterung des Gewerbegebietes wäre noch möglich, allerdings gab es keine Einigung mit den Grundstückseignern. Generell ist der Landkreisnorden dicht besiedelt und hat viel Industrie. Die Verkehrsströme nehmen in alle Richtungen zu. Wir kommen an die Schmerzgrenze. Es gibt viele Bürger, die der Kommunalpolitik sagen, dass es reicht. Diese Stimmen müssen wir ernst nehmen.

Was kann die Kommunalpolitik da tun?

Huber: Sorgfältig abwägen, welche Betriebe ansiedeln können, welche Branche zukunftsträchtig ist, welche Wertschöpfung generiert werden soll. Erfolgreiche Unternehmen sind eine wichtige Quelle für die Gewerbesteuer. Und es sind genügend öffentliche Aufgaben vorhanden, die man damit finanzieren kann. Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht ist die Devise der Zukunft ja "weniger ist mehr". Es ist ein großer Spagat. Ich beneide kein Gremium, das so eine Entscheidung treffen muss.

Das Thema Mobilität schreiben derzeit alle Parteien groß. Was braucht Ernsgaden in dieser Richtung?

Huber: Wir sind eine Wohngemeinde, viele Arbeitnehmer sind auswärts beschäftigt. Da spielt Mobilität eine große Rolle. Auch bei uns gibt es viel Individualverkehr. Bei den Öffentlichen haben wir eine sehr gute Verbindung über die Bahn nach Ingolstadt. Schön wäre es, wenn wir zum Beispiel ein Rufbussystem hätten, um nach Geisenfeld, Manching und Vohburg zu kommen. Aber für Ernsgaden allein ist das eine Nummer zu groß. So eine Aufgabe kann man nur in kommunaler Zusammenarbeit lösen. Oder jemand anderes nimmt sich dieser Aufgabe an, zum Beispiel der Landkreis oder ein privates Unternehmen.

Wo kommen Sie nicht recht weiter? Was ärgert Sie?

Huber: Der schleppende Breitbandausbau und die zunehmende Bürokratie auf allen Ebenen. Alle reden von Digitalisierung. Aber keiner kann sich vorstellen wie schwierig es ist, auch nur hundert Meter Glasfaserkabel zu vergraben. Die Telekom beschränkt sich beim Eigenausbau vornehmlich auf die großen Städte, weil dort das meiste Geld verdient ist. Und auf dem Land wartet ein Bauherr neun Monate auf seinen Telefonanschluss. Im ländlichen Raum können sich die Gemeinden mit komplizierten Förderverfahren und Hürden herumschlagen. Statt einer zentralen Steuerung und einer überörtlichen Planung muss sich jede Kommune selbst durchkämpfen - und jeweils das Rad neu erfinden.

Das hört sich nach deutlicher Kritik am System an.

Huber: Diese Verfahrensweise ist weder effizient noch produktiv. Der Staat mischt sich immer mehr ein, leider oft mit falscher Zielrichtung und an falscher Stelle. Ausufernde Bürokratie findet sich nicht nur in diesem technischen Bereich, sondern auch in vielen anderen Verwaltungsverfahren. Überall gibt es einengende Vorschriften und Bedenkenträger. Das ist keine gute Entwicklung. Manchmal zweifle ich an der Reformfähigkeit unseres Staates.

Das klingt hart aus dem Mund eines Bürgermeisters.

Huber: Vieles, was von oben kommt und in komplizierte Vorschriften gegossen wurde, ist oft ein Kompromiss, der von Politikern, Wirtschafts- und Sozialverbänden sowie Lobbyisten beeinflusst wurde. Am Ende kommen die Bedürfnisse der Kommunen und der Menschen oft zu kurz. Die Bürgermeister können es ausbaden, wenn andere an höhere Stelle wirksam ihre Interessen eingebracht haben. Wir leben da in einem ständigen Spannungsverhältnis. Nach 40 Jahren Verwaltungserfahrung und 20 Jahren Bürgermeister kann mich aber nicht mehr viel erschüttern. Gott sei Dank gibt es noch Bereiche, in denen wir Gestaltungsspielraum haben.

Das Gespräch führte

Patrick Ermert.