Pfaffenhofen
"Heuer wird geimpft wie nie"

Apotheker und Ärzte warten auf neue Lieferung des Grippeimpfstoffs in die Region

22.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:18 Uhr
Internist Peter Maier aus Pfaffenhofen merkt die verstärkte Nachfrage der Grippeimpfung deutlich. Am Mittwoch sei zwar eine neue Lieferung in der Praxis eingetroffen, allerdings werde diese auch nicht lange reichen, so der Mediziner. −Foto: Blaimer

Pfaffenhofen - Die Grippesaison steht vor der Tür: Fieber, Schüttelfrost, Kopfweh, Gelenk- und Muskelschmerzen plagen die Betroffenen. Die Influenza stellt neben der Coronapandemie ein zusätzliches Risiko für gefährdete Bevölkerungsgruppen dar. Experten raten besonders Risikogruppen zur Grippeimpfung. Dass es aufgrund der steigenden Nachfrage - und das beileibe nicht nur von Risikopatienten - zu Versorgungsengpässen kommen kann, streitet der Bundesgesundheitsminister ab.

Jens Spahn (CDU) und sein Aufruf zur Grippeimpfung stößt bei Ärzten aus Pfaffenhofen und der Region auf Kritik. Denn in ihren Praxen kommt es zu Engpässen. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, will die Aussage des CDU-Politikers "nicht so stehen lassen". Denn Fakt sei, dass in Bayern viele Praxen noch nicht einmal die vorbestellten Impfstoffdosen komplett erhalten hätten, sagt er.

Das kann auch Internist Peter Maier aus Pfaffenhofen bestätigen. "Wir haben im Frühjahr knapp 700 Impfdosen bestellt, weniger als die Hälfte ist bisher bei uns eingetroffen", sagt er. Grund sei die erhöhte Nachfrage, vor allem durch Risikogruppen. "Aber auch junge Menschen lassen sich immunisieren", so Maier weiter. Außerdem berichtet er, dass alleine in seiner Praxis erst kürzlich 60 Impfdosen innerhalb eines Tages aufgebraucht worden seien. Auch am Mittwoch habe er eine neue Lieferung bekommen, allerdings glaube er, dass auch diese nicht lange halten wird. "Dass laut Spahn die Versorgung problemlos ist, das stimmt definitiv nicht", sagt der Internist. Vor allem beginne die Influenza-Welle erst im Dezember - und laufe in aller Regel bis Februar. Daher müssten bis spätestens November die Vorräte aufgefüllt sein. "Weil der Impfschutz erst nach zwei Wochen bei den Patienten eintritt", erklärt Maier.

Auch Allgemeinarzt Wolfgang Moll aus Reichertshausen sieht Spahns Appell kritisch. "Die Nachfrage durch den Aufruf ist sehr groß - und sie kann momentan nicht gedeckt werden", meint Moll. Ihm fehlen ebenfalls Impfdosen, die er erst bestellt und später nachgeordert hat. "Ich muss Menschen, die nicht zur Risikogruppe gehören, raten, dass sie sich später impfen lassen", erklärt er. Diese Ansicht teilt auch sein Kollege Michael Oberhofer aus Reichertshausen. "Es stimmt, dass es bei uns momentan keinen Impfstoff mehr gibt. Und wir wissen nicht, wann Nachschub kommt."

Stefan Skoruppa, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands in Pfaffenhofen, geht sogar noch einen Schritt weiter. Der Jetzendorfer glaubt, dass der Impfstoff ganz allgemein nicht ausreiche. Und das, obwohl die Regierung doppelt so viele Dosen bestellt habe wie im Vorjahr. Auch er habe momentan keinen Impfstoff mehr in der Praxis. Allerdings habe er zum jetzigen Zeitpunkt bereits dreimal so viel verbraucht wie vergangenes Jahr. "Natürlich soll vorwiegend die Risikogruppe in Hinblick auf Corona geimpft werden. Aber es ist auch wichtig, die jungen Leute zu schützen. Denn diese sind sehr viel unterwegs und verbreiten die Viren", erklärt der Arzt. Rücksicht auf Risikogruppen müsse aber dennoch genommen werden, so Skoruppa.

Auch Apotheker, die den Impfstoff an die Ärzte verteilen, bemerken die erhöhte Nachfrage. "Heuer wird geimpft wie nie", sagt Brigitte Streber von der Kreuz-Apotheke in Schrobenhausen. Derzeit stehe die Apotheke auf der Warteliste, eine neue Lieferung sei für Mitte bis Ende November angekündigt, so Streber. Besonders verärgert ist sie deshalb über die Aussage von Gesundheitsminister Spahn - und äußert das deutlich: "Ich glaube manchmal, dass er in einer anderen Welt lebt." Dass der Liefertermin im November eingehalten wird, hofft auch Sonja Lechner, Betreiberin der Richildis-Apotheke in Hohenwart. "Wir kriegen schon Impfstoff, aber es dauert noch", sagt sie. Dass es Hinweise auf Einschränkungen beim Bezug von Impfstoffen gibt, liegt auch dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vor. Derzeit soll die Auslieferung laut Bayerischem Apothekerverband noch nicht abgeschlossen sein. Deswegen kann es sein, dass Arztpraxen die vorbestellten Mengen noch nicht erhalten hätten, verlautet ein Ministeriumssprecher. Es könne zwar zu Lieferverspätungen kommen. Allerdings sei aktuell nicht bekannt, dass der Stoff gar nicht mehr lieferbar sei. Außerdem habe sich sowohl die Bundesregierung als auch der Freistaat Bayern wegen der Erfahrung mit der Corona-Pandemie auf eine höhere Nachfrage vorbereitet. "Die Bayerische Staatsregierung hat 550000 Impfdosen bestellt. Damit können rund ein Drittel mehr Impfungen erfolgen als in den vergangenen Jahren durchschnittlich nachgefragt worden sind", heißt es aus dem Ministerium weiter. Außerdem sei eine erhöhte Impfbereitschaft zunächst ein gutes Zeichen. Denn je weniger Menschen heuer an Influenza erkranken, desto besser sei es für das Gesundheitssystem und den Kampf gegen die Pandemie.

Landesärztekammer-Präsident Quitterer appelliert dennoch an die Politik: "Nicht nur die Bevölkerung zum Impfen aufrufen, sondern auch sicherstellen, dass die willigen Patienten, vor allem Risikopatienten und chronisch Kranke, diese Impfung auch erhalten können." Und zumindest dieser Aussage stimmen alle befragten Mediziner einhellig zu.

PK