Pfaffenhofen
Geschädigter statt Täter

Ein vermeintlicher Betrüger ist in Wahrheit selbst Opfer von Verbrechern geworden

15.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:58 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Bei einer Verhandlung vor dem Pfaffenhofener Amtsgericht hat sich ein vermeintlicher Betrugsfall als Identitätsdiebstahl herausgestellt.

Der Angeklagte war in diesem wohl eher Opfer als Täter.

Vor Gericht stand Herbert A. (Name geändert) aus dem mittleren Landkreis, der von der Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche angeklagt war. Der Angeklagte und seine Verteidigerin Carmen Reicheneder aus Ingolstadt betonten beide, dass sie den Prozess angestrengt hätten, da der Angeklagte den zuvor erteilten Strafbefehl nicht akzeptieren wollte. Allerdings sei er bereit, umfängliche Aussagen zu machen.

Staatsanwältin Johanna Harrer beschuldigte den 56-Jährigen, im Internet elektrische Geräte wie Waschmaschinen, Wäschetrockner oder Geschirrspüler angeboten, das Geld über sein Konto kassiert und ins Ausland weitergeleitet zu haben. Dem widersprachen Anwältin und Angeklagter und schilderten die Vorfälle aus ihrer Sicht.

Herbert A. hatte zwei Insolvenzen und brauchte dringend einen Kredit, deshalb reagierte er auf Werbungen in Anzeigenblättern und im Internet. Bei seiner ersten Insolvenz geriet er an einen dubiosen Kreditvermittler und zeigte diesen bei der Polizei an.

Als er dann im zweiten Fall vergangenes Jahr im Internet bei einer scheinbar seriösen Kreditvermittlung fündig wurde und Kontakt aufnahm, versprach ihm ein Angestellter den gesuchten Kredit und sandte ihm ein Postident-Formular zu, das er mit der Kopie seines Personalausweises bei seiner Poststelle im Supermarkt abstempeln ließ. Danach herrschte allerdings Funkstille. Lange Zeit hörte Herbert A. nichts von den vermeintlichen Kreditgebern. Immer wieder hat er nachgefragt und wurde stets vertröstet. Der Ansprechpartner sei krank hieß es.

Eines Tages meldete sich stattdessen ein Mann namens Josef B. bei Herbert A. und fragte nach der Lieferung seiner bestellten Maschine. Der Angeklagte berichtet, er sei aus allen Wolken gefallen, denn von Bestellungen habe er nichts gewusst. Josef B. hatte über die Bank ermitteln können, wer der Kontoinhaber war, auf dessen Konto das Geld gezahlt wurde. Herbert A. aber wusste nach eigenen Angaben von diesem Konto bei einer Münchener Direktbank nichts, obwohl es auf seinen Namen lief.

Wie sich in der Verhandlung herausstellte, muss das Ganze wie folgt abgelaufen sein: Kreditvermittler und Fake-Shop-Betreiber müssen einer Bande angehören, die gezielt Leuten vorspielen, ihnen einen Kredit zu vermitteln. Sie versenden ein Postident-Formular, auf dem alle Angaben sowie Vorder- und Rückseite des Personalausweises vermerkt sind. Offenbar nutzen sie diese Daten, um bei der Münchener Direktbank ein Konto zu eröffnen, locken Kunden mit Fake-Ware, lassen das Geld auf das neue Konto überweisen und transferieren es dann sofort ins Ausland. Wenn dann der Kontoinhaber wegen Betrugs angezeigt wird, hat der es schwer, seine Unschuld zu beweisen.

Doch in diesem Fall lagen Amtsrichter Michael Herbert umfangreiche E-Mail-Schreiben vor, die die Version des Angeklagten stützten, sodass er anbot, das Verfahren einzustellen oder den Angeklagten auf Kosten des Staates freizusprechen. Selbst Staatsanwältin Harrer bezeichnete den Angeklagten eher als Opfer, denn als Täter. Deshalb war dem Angeklagten und seiner Verteidigerin ein Freispruch lieber, so dass Herbert A. nach dem Urteil ohne Flecken auf seiner weißen Weste den Gerichtssaal verlassen konnte.

Wolfgang Kollmeyer