Pfaffenhofen
Gelber Sack vor dem Aus

Möglicherweise verzichtet der Kreistag sogar auf eine Bürgerbeteiligung

01.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:29 Uhr
Sack oder Tonne? Die Frage nach der Entsorgung von Verpackungsmüll beschäftigt den Landkreis seit Jahren. Auch unser Karikaturist Hermann Singer hat sich Gedanken gemacht. −Foto: Hermann Singer, Singer, Hermann, Pfaffenhofen

Pfaffenhofen - Gelber Sack oder Gelbe Tonne?

 

Der Pfaffenhofener Kreistag wird in seiner nächsten Sitzung über diese Frage abstimmen. Die Bürger sollen nur dann nochmals befragt werden, wenn der Vorschlag, auf das Holsystem mit der Tonne umzustellen, keine Mehrheit findet.

Im Werkausschuss Abfallwirtschaft sprachen sich mehrere Vertreter der bunten Koalition von Landrat Albert Gürtner (FW) dafür aus, die Tonne ohne eine nochmalige Beteiligung der Landkreisbürger ab dem 1. Januar 2022 einzuführen. Nicht, um den Bürgern eins auszuwischen, sondern weil der Landkreis bei den Recyclingquoten so weit ins Hintertreffen geraten ist, dass das Duale System als Vertragspartner zunehmend Druck aufbaut. "Die sagen klipp und klar: Unser System ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht rückständig. Wir helfen dem Dualen System nicht, die Quoten zu erfüllen", erklärte Elke Müller, die Leiterin des Abfallwirtschaftsbetriebs des Landkreises.

Das Bringsystem scheint den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Die Recyclingquote im Landkreis Pfaffenhofen lag 2018 bei 42 Prozent, laut Verpackungsgesetz sind seit 2019 58,5 Prozent vorgeschrieben, ab 2022 steigt die Quote dann sogar auf 63 Prozent. Das sei nur realisierbar, wenn alle Verpackungen korrekt gesammelt und den dualen Systemen zugeführt werden.

Müller unterfütterte ihren Vortrag mit weiteren Zahlen: Im Landkreis lag die Menge an Verpackungsmüll, der 2019 im Gelben Sack landete, gerade mal bei gut 17 Kilogramm pro Einwohner und Jahr - im Deutschschlandschnitt stand der Wert 2018 bei 30 Kilogramm.

Noch augenfälliger ist der Blick auf Kommunen, die in den vergangenen Jahren vom Bring- auf das Holsystem umgestellt haben. Bad Tölz-Wolfratshausen steigerte die Sammelmenge so von 2017 auf 2018 von 12 auf fast 25 Kilogramm, Aichach-Friedberg von knapp 13 im Jahr 2018 auf fast 26 Kilogramm ein Jahr später. Und die Statistik zeigt auch, wo dieser Rest der Wertstoffe in den Bringsystemen landet: in der Restmülltonne. In Aichach verzeichnet die Statistik eine Abnahme des Gewichts um 20 Prozent. Das sind pro Nase und Jahr immerhin fast 30 Kilogramm weniger Restmüll. Durch Einsparungen in dieser Größenordnung könnte sich der Landkreis allein Müllverbrennungskosten von etwa 170000 Euro im Jahr sparen. Eine Befragung der Anlieferer an den Wertstoffhöfen Gerolsbach, Rohrbach, Wolnzach und Pfaffenhofen ergab zudem, dass etwa 20 Prozent nur zu den Containerplätzen fahren, um ihre Gelben Säcke loszuwerden. Die Transportkosten übersteigen die für eine nötige Gebührenerhöhung deutlich.

Laut Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) ergeben die Zahlen ein relativ deutliches Bild. "Bleibt als zentrales Argument: Wir haben keinen Platz. Aber ich habe die steile These, dass wir genug Platz haben für Gelbe Tonnen. Wir könnten die Courage beweisen uns die Umfrage zu sparen. Ich verstehe nicht, warum die Gelbe Tonne ein so erhöhtes politisches Symbol ist. " Bürgerbefragungen seien eher bei großen Investitionen sinnvoll. "Wir haben den Auftrag, komplexe Themen abzubilden und zu entscheiden. " Dafür seien die Kreisräte gewählt, fügte Andreas Herschmann (SPD) an.

Anders sieht das Kreisrat Anton Westner (CSU): "Wir wundern uns als CSU-Fraktion, wie das Thema behandelt wird. " Es gebe nach wie vor das Ergebnis der Bürgerbefragung aus dem Jahr 2014. Damals entfielen über 70 Prozent der Stimmen auf die Beibehaltung des Bringsystems mit dem Gelben Sack. "Bei der Kommunalwahl haben sich alle Parteien überschlagen, die Bürger mehr zu befragen. Wir sind nicht gegen die Einführung der Gelben Tonne. Die Meinung der Bürger soll uns Richtschnur sein. " Die ursprünglich vorgeschlagene repräsentative Telefonumfrage mit einer Stichprobe von 800 Personen sei nur ein Feigenblatt. Es sei wichtig, die Meinung aller Bürger zu erfahren. Ähnlich sieht das sein Fraktionskollege Manfred Russer: "Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Es geht jetzt um das Wie", sagte er. Man müsse alle Bürger mitnehmen. "Ich glaube, die meisten würden verstehen. "

Rückendeckung bekamen die Christsozialen vom AfD-Ausschussmitglied Josef Robin. Er sah als Hauptvorteil, dass laut der Untersuchungen nicht mehr so viel Wertstoffe im Restmüll landen würden. "Wir müssen für die Umwelt was tun. " Allerdings könne man die Bürger nicht übergehen. "Man kann nicht einfach etwas einführen und es nachher erklären. Machen wir die Befragung. "

 

"Eine Bürgerbefragung ist schön und recht", sagte Landrat Albert Gürtner (FW). "Aber uns muss klar sein: Wir versoßen gegen das Verpackungsgesetz. Wir können eine Befragung machen oder den Mut haben gleich auf die Tonne zu gehen. "

Norbert Ettenhuber (Grüne) sprach sich dafür aus, sich die Umfrage zu sparen. Die Umwelt werde durch die Umstellung geschont. Außerdem schreite der demografische Wandel voran. "Wir können nicht erwarten, dass ältere Leute sich diese Fahrten organisieren. Ich finde, die Frage stellt sich nicht. Wir sollen die Quote erfüllen, und nur mit der Tonne erfüllen wir sie. "

Manchings Bürgermeister Herbert Nerb ließ sich von den Zahlen überzeugen. "Ich war immer ein Verfechter des Sacks. Aber man muss seine Meinung auch mal ändern können. " Bisher hätten die Zahlen nicht die klaren Worte gesprochen, die sie heute sprechen. "Eine Bürgerbeteiligung muss aber schon sein. Wir müssen den Bürgern verklickern, wo sie die Tonne hinstellen. "

Schließlich beschloss der Ausschuss einstimmig, die Entscheidung dem Kreistag zu überlassen. Wenn es dort keine Mehrheit für die Gelbe Tonne geben sollte, kommt die Option mit der repräsentativen Telefonbefragung zur Abstimmung. Eine Bürgerbefragung im Zuge der Bundestagswahl, wie von der CSU gefordert, ist nur die dritte Wahl. 

Kommentar von Severin Straßer

Die Einführung der Gelben Tonne schont die Umwelt, senkt die Kosten  und erspart dem Landkreis Pfaffenhofen Ärger mit den Vertragspartnern vom Dualen System. Es gibt keinen Grund, der dafür spricht, das bisherige Bringsystem mit dem Gelben Sack beizubehalten. Auch das Argument, dass die Bürger keinen Platz haben, an dem sie Tonnen abstellen können, zieht nicht. In anderen Landkreisen geht es schließlich auch, obwohl die Leute dort im Schnitt  weniger Wohnfläche zur Verfügung haben. 

Eine Bürgerbefragung braucht es nicht, die Einführung der Gelben Tonne  ist eh alternativlos. Die Politiker sollten ihre Energie lieber darauf verwenden, den Bürgern die Vorteile  darzustellen.   
Sollte der Kreistag sich doch dafür entscheiden, die Bürger zu befragen, darf das nur per Telefonabfrage geschehen. Dass sich Vertreter der  CSU  einer  repräsentativen Telefonumfrage verweigern, ist  lächerlich.  Es handelt sich um ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren, die Ergebnisse wären stichhaltig.   Die Weigerung zeigt erschreckende Wissenslücken in Statistik –  oder ist einfach nur populistisches Vorgehen.   Severin Straßer

 

Severin Straßer