Geisenfeld
"Früher war mehr Kollegialität"

Die ausscheidenden Stadtrats-Urgesteine Josef Alter, Erich Deml und Franz Wittmann im Interview

28.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:53 Uhr

 

Geisenfeld (GZ) 43, 30 und 24 Jahre: So lange sind Josef Alter, Erich Deml und Franz Wittmann im Geisenfelder Stadtrat. Noch die beiden Sitzungen am 3. und 10. April, dann ist diese Ära für sie zu Ende. Wie sie die Jahre im Gremium erlebt haben, erzählten die drei im gemeinsamen Interview mit unserer Zeitung.

Für Sie alle geht eine wichtige Etappe Ihres Lebens zu Ende. Scheiden Sie eher mit einem lachenden oder einem weinenden Auge aus?

Josef Alter: Eigentlich beides, aber insgesamt war es eine schöne, interessante Zeit.

Erich Deml: Das Positive hat überwogen, aber mit einem bestimmten Alter muss man halt aufpassen, dass man den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nicht übersieht.

Franz Wittmann: Ich sehe es genauso. Der frühere Bürgermeister Anton Wolf hat mal gesagt, man soll aufhören, solange man noch geschätzt wird, und damit hat er recht.

 

Wie haben Sie in all den Jahren das Klima im Gremium empfunden?

Deml: Ich finde, das Klima war immer sehr gut. Es hat immer die Sachpolitik im Vordergrund gestanden, wie man an den vielen einstimmigen Beschlüssen sieht.

Wittmann: Ja, die meiste Zeit hat es gepasst, auch wenn gerade die letzten sechs Jahre nicht ganz einfach waren.

Alter: Ich habe es von Periode zu Periode schwieriger empfunden. Vielleicht auch, weil man mit zunehmendem Alter nicht mehr die Nerven hat, wenn mal wieder ein junger, unerfahrener Kollege völlig an der Sache vorbei redet.

 

Was hat sich seit Ihren ersten Jahren im Gremium besonders verändert?

Wittmann: Früher war mehr Kollegialität. Da hat man sich auch nach harten Diskussionen nach der Sitzung zusammengesetzt und der Ärger war schnell verflogen. Heute geht jeder – oft mit Wut im Bauch – seiner Wege.

Deml: Das stimmt, das hat sich seit etwa zehn Jahren ganz schön verändert – vielleicht auch, weil heutzutage die Ratssitzung oft extrem lange dauern.

Alter: Ja, das waren noch Zeiten, als wir uns nach der Sitzung quer durch die Fraktionen zum Schafkopfen getroffen haben! Aber noch etwas hat sich verändert: Man ist heute als Stadtrat bei Weitem nicht mehr so eine Respektsperson wie früher.

 

Was würden Sie im Rückblick als den größten Fehler bezeichnen, an dem Sie als Stadtrat beteiligt waren?

Alter: Dass ich Mitte der 1970er Jahre mit der Stadtratsmehrheit gegen die Umgehungsstraße gestimmt habe – aus Rücksichtnahme auf vermeintliche Interessen einiger Geschäftsleute. Das war aus heutiger Sicht natürlich Blödsinn.

Wittmann: Wenn mir da was einfällt, dann ist es mein Nein vor gut zehn Jahren zum Stadtcafé, weil unsere Fraktion damals eine andere Nutzung des Rathaus-Erdgeschosses im Auge hatte. Heute sieht man, dass die anderen da recht hatten.

Deml: Vor der Bürgermeister-Stichwahl 1990, als unser Kandidat Hans Strauß einen klaren Vorsprung hatte, hab ich mich mit meiner Äußerung, die Wahl sei gelaufen, nicht sonderlich geschickt verhalten.

 

Fällt Ihnen aus Ihrer Stadtratszeit irgendein besonders lustiges Erlebnis ein?

Alter: In meinen ersten Jahren fanden die Stadtratssitzungen im Saal des alten Rathauses mit seinem alten Kaminofen statt. Dieser Ofen war vielleicht einen halben Meter hinter meinem Platz, und da lief mir regelmäßig die Soße runter.

Deml: Mit so einem Erlebnis muss ich passen.

Wittmann: Ich auch.

 

Bei den jüngsten Kommunalwahlen ist auch in Geisenfeld die Wahlbeteiligung dramatisch abgestürzt. Erreichen nun auch die Kommunalpolitiker die Bürger nicht mehr?

Wittmann: Bei vielen Entscheidungen des Stadtrats stehen Sachzwänge dahinter, und irgendwie schaffen wir es immer weniger, dies den Bürgern zu vermitteln. Aber eine richtig stichhaltige Erklärung hab ich auch nicht.

Alter: Ich verstehe es auch nicht ganz. Gerade die Jungen interessieren sich immer weniger auch für die Kommunalpolitik.

Deml: Das schlechte Image schlägt immer stärker von der großen auf die kleine Politik durch. Ich glaube, das Desinteresse liegt aber auch am allgemeinen Wohlstand. Je besser es den Leuten geht, um so unpolitischer werden sie.

 

Was würden Sie den zehn Neulingen im Geisenfelder Stadtrat besonders empfehlen?

Wittmann: Die ersten Jahre als Lehrjahre zu sehen und erst mal zuzuhören.

Alter: Genau.

Deml: Wer glaubt, nach dem Motto ’Hoppla, jetzt komm ich’ in den ersten Monaten Bäume ausreißen zu können, der wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.

 

Noch zwei Stadtratssitzungen, dann ist Schluss. Angst vor Entzugserscheinungen?

Alter: Etwas fehlen wird mir da am Anfang sicherlich, da muss man ehrlich sein. Mit meinen Enkeln und den Hausmeistertätigkeiten bei meiner Tochter in Mainburg wird mir aber bestimmt nicht langweilig werden.

Deml: Nein, ich werde auch anderweitig voll ausgelastet sein, schon weil ich dann wieder mehr in die Firma eingebunden bin. Auch das Tennisspielen und das Skifahren will ich noch beibehalten, solange es geht.

Wittmann: Ich werde schon mal bei der einen oder anderen Stadtratssitzung zuhören, und auch dem neuen Ortssprecher mit Tipps zu Seite stehen, falls gewünscht. Ich freue mich aber auch auf mehr Zeit zum Bergwandern und E-Bike-Fahren.

Das Interview führte

Gerhard Kohlhuber