Geisenfeld
Kieferbruch und ausgeschlagene Zähne

Mutmaßlicher Volksfestschläger aus dem Ruhrgebiet wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht

06.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr

Geisenfeld (GZ) Ohne Ergebnis ist die Verhandlung gegen einen mutmaßlichen Schläger aus dem Ruhrgebiet während des Geisenfelder Volksfestes vor zwei Jahren abgebrochen worden. Die Vorgänge sind diffus, die Aussagen widersprüchlich. Daher sollen erst noch weitere Zeugen vernommen werden.

Der Fall liegt mittlerweile zwei Jahre zurück, aber das juristische Nachspiel dauert weiterhin an. Äußerst brutal hatten zwei Arbeiter aus dem Ruhrgebiet, zumindest laut Staatsanwaltschaft, am 20. September 2015 nachts kurz vor ein Uhr beim Eingang zum Volksfest ein Geisenfelder Brüderpaar zusammengeschlagen. Die schmerzhafte Bilanz: Nasenbeinbruch, Kieferfraktur und drei ausgeschlagene Zähne. Einer der Beschuldigten ist bereits verurteilt worden. Er hatte, so die Anklage, sein Opfer gegen den Kopf getreten. Der andere legte gegen seinen Strafbefehl in Höhe von 4500 Euro hingegen Einspruch ein, den das Pfaffenhofener Amtsgericht jetzt verhandelte.

Der Angeklagte war mit drei weiteren Kollegen im Landkreis auf Montage unterwegs - und nutzte mit ihnen die Gelegenheit, das Geisenfelder Volksfest zu besuchen. Was dort kurz nach Mitternacht passierte, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Der eine der beiden Brüder, Rodrigo M., 44, (alle Namen geändert) sagte, er sei ohne jeden Anlass und ohne Vorwarnung plötzlich von hinten gepackt worden. Dann hätte ihn ein Faustschlag niedergestreckt. Filmriss. Beim anschließenden Tritt gegen seinen Kiefer sei er ohne Bewusstsein gewesen. Sein Bruder Tiago P., 38, erinnerte sich noch, dass er ebenfalls von hinten geschubst wurde und auf den Asphalt geknallt war. Nasenbeinbruch. Was passiert ist, haben ihm später die Sanitäter erzählt.

Die Brüder waren als Zeugen geladen und sollten Marcel N., 39, auf der Anklagebank als Täter identifizieren. Beide schauten ihn an - aber keine Chance: Sie hatten ihn in der Tatnacht nicht gesehen. Wie auch, sie seien ja von hinten angegriffen worden, wiederholten sie. Marcel N., kräftig gebaut, muskulös, Irokesenschnitt, hat hingegen eine komplett andere Erinnerung an diese Nacht: Sein Kumpel sei von den Brüdern angegriffen worden, keine Ahnung warum. Er habe die Rangelei schlichten wollen, sei dazwischengegangen und habe den einen Bruder weggeschubst. Das war's.

Ob es zuvor Streit gegeben hatte, fragte Richterin Nicola Schwend? Nein, daran kann sich niemand erinnern. Für die Richterin schwer nachvollziehbar: Ein solcher Gewaltausbruch ohne jeden Anlass? Schulterzucken. Der Angeklagte räumte ein, ordentlich getankt zu haben. Vier, fünf Maß, so genau weiß er das nicht mehr. Und seine Opfer? Anderthalb Maß, vielleicht zwei, sagten die beiden. Ein klassischer Fall also für eine umfangreiche Vernehmung.

Neun Zeugen hatte das Gericht vorgeladen. Ergebnislos. Wie und warum das passiert ist, will niemand mitbekommen haben. Auch nicht der Bekannte der Brüder. Ziemlich schwankend habe er sie beim Verlassen des Festplatzes getroffen. Er sei vor den beiden hergegangen, hätte dann die Rangelei gehört und sich umgedreht. Da hätte er gesehen, dass die Brüder am Boden lagen. Aber da sei er auch schon von hinten gepackt und festgehalten worden. Er konnte sich befreien und sei davongelaufen. Und weil er Angst hatte, habe er sich auch nicht umgedreht, um zu schauen, wer ihn da festgehalten habe.

Marcel N.'s Kollege, ebenfalls kräftig, bullig, ist bereits rechtskräftig verurteilt worden. Die 2000 Euro Geldstrafe stottert er an Rodrigo P. monatlich mit 100 Euro ab. Seine Anwältin hat zivilrechtlich Schmerzensgeld eingefordert. "Ich kann mich überhaupt nicht erinnern", sagte er. "Ich weiß nicht, wie es zu der Rangelei gekommen ist." Streit? "Keine Ahnung." Er sei angegriffen worden, es gab ein Geschubse, er sei zu Boden gegangen, dann habe er sich verteidigt. Wie er behaupten könne, angegriffen worden zu sein, fragte die Richterin ungläubig, wenn er sich doch an nichts erinnern könne? Auf jeden Fall, so der Zeuge, sei er "nicht der Typ, der andere von hinten angreift". Auch die beiden anderen Kollegen aus dem Ruhrpott wollen nichts gesehen haben.

Der Verteidiger schlug daraufhin einen Freispruch vor, was die Richterin jedoch ablehnte. Sie will noch zwei unbeteiligte Zeugen aus dem Allgäu vernehmen, die aber beide nicht gekommen sind. Die eine hatte sich mit Attest krankgemeldet. Dem anderen war wohl der Weg zu weit. Ihm wurde eine Ordnungsstrafe von 150 Euro, ersatzweise ein Tag Haft, aufgebrummt. Die Verhandlung wird jetzt im Dezember fortgesetzt - mit der Vernehmung dieser beiden Zeugen.