Geisenfeld
Gebeine der "Helden" landen in Massengräbern

Bei Lesung zum Ersten Weltkrieg warnt Autor Nikolaus Nützel die Schüler vor Militarismus und rechtem Gedankengut

06.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:02 Uhr

Auch Waffenteile aus dem Fundus seines Opas gehörten zu den Anschauungsobjekten, mit denen Nikolaus Nützel seinen Vortrag über den Ersten Weltkrieg für die Schüler interessant gestaltete - Foto: Zurek

Geisenfeld (zur) Keine Lesung im herkömmlichen Sinn, sondern einen spannenden Vortrag haben Schüler und Erwachsene am Mittwoch in Geisenfeld erlebt. Nikolaus Nützel, Autor des Buches „Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg“, zeigte auf ganz persönliche Art, „was der Erste Weltkrieg mit uns zu tun hat“. Zunächst richtete er dafür in der Aula der Realschule das Wort an die achte und neunte Jahrgangsstufe – auch der Mittelschule. Am Abend dann präsentierte der studierte Dolmetscher, Journalist und Sachbuchautor sein neuestes Werk im Rathaussaal.

Mit teils verstörenden Bildern, die auch bei den jungen Zuhörern ihre Wirkung nicht verfehlten, beleuchtete Nützel die Hintergründe, die einen „ganz normalen Mann“ wie seinen Großvater, einen Theologiestudenten und Geisteswissenschaftler, zum glühenden Soldaten und später zum fanatischen Nazi gemacht haben. Geschickt ließ er mit Fotos, Plakaten und Zitaten einen Zeitgeist lebendig werden, der lange vor Hitlers Machtergreifung den Nährboden für Judenhass und Krieg bildete. Gefüttert von einer gut funktionierenden Propagandamaschine wurde selbst die eher zart besaitete Oma des Autors vom Virus Antisemitismus infiziert – wie ein von ihr handgeschriebener Gedichtband deutlich machte. Jeder von uns ist verführbar, so die Botschaft. Und: „Helden“ gibt es keine, denn das Ergebnis jedweder Schlacht – damals wie heute – ist gleich: Statt im Paradies landen die Kämpfer beider Seiten in Massengräbern, ihre Knochen als anonyme Haufen in den Beinhäusern dieser Welt. Waffen töten nicht nur, sie machen Unschuldige zu Krüppeln.“

Die Nachwehen eines Krieges reichen weit über eine Generation hinaus. Und genau deshalb sei es so wichtig, auch 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs gegen menschenverachtendes Gedankengut gleich welcher Couleur anzugehen, so Nützel, der den Dialog mit den Zuhörern suchte. Von den Schülern nach seiner persönlichen Haltung zu Neonazis gefragt, hatte er eine klare Antwort parat. Wer seinen Verstand einschalte, müsse erkennen, dass eine Gesellschaft nach deren Ideal „unmöglich funktionieren kann“, ihr Gedankengut sei teils „eklig“ und regelrecht „schwachsinnig“.

Im Rathaussaal fanden sich nur rund 20 Besucher ein, diese zeigten sich jedoch begeistert und diskutierten noch lange nach Ende der offiziellen Lesung ausgiebig mit dem Autor. Wobei teils Verwunderung darüber laut wurde, dass gerade seitens der Krieger- und Veteranenvereine offenbar wenig Interesse an der Thematik bestand. „Mich hat besonders der Versuch, ein gewisses Verständnis für die damalige Zeit zu wecken, angesprochen“ meinte eine Besucherin hinterher und fand lobende Worte für die „gelungene Auswahl des Referenten“.