Geisenfeld
Die Waisenkinder von Yogon

Seit 20 Jahren gelingt es Tamatogo in Schwarzafrika immer mehr Hoffnung zu säen

09.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Alles läuft. Alles geht seinen Weg. Die von Tamatogo betreuten Waisenkinder haben Ann-Kathrin ihren täglichen Weg zur Schule gezeigt, wo sie dann auch gleich gemeinsam ihre Zeugnisse für das letzte Schuljahr in Empfang nehmen konnten. - Foto: Peters

Geisenfeld (GZ) So gut wie jeder kennt die SOS-Kinderdörfer. Aber kaum jemand weiß, was Tamatogo schafft. Dabei leisten sie mit ihrem Waisenhaus in Togo seit Jahren Großes - und das ohne teure Verwaltungskosten, sondern komplett in Eigenleistung.

Das Prinzip ist bei der Unicef und bei Tamatogo identisch. Beide Organisationen bieten Paten die Möglichkeit, sich mit monatlich 30 Euro (oder mehr) zu beteiligen. Dafür ermöglichen sie einem Waisenkind in Afrika, ordentlich aufzuwachsen und eine gute Schulausbildung zu genießen. "Nur dass wir alles alleine schultern. Und jeder Cent, jede Sachspende direkt bei den Kindern ankommt", versichert Brigitte Peters. Die Geisenfelderin ist der Kopf hinter Tamatogo. Der Motor sowieso. Und vor 20 Jahren war ihre Hochzeit mit Amidou Mahamadou die Keimzelle.

Mahamadou war einige Jahre zuvor aus Togo nach Deutschland gekommen. Indem er nach Geisenfeld heiratete, fand er nicht nur sein persönliches Glück. Der Togolese hat seither auch die Möglichkeit, seinen Landsleuten zu helfen. Der Weg dorthin führte anfänglich über die Musik. Brigitte Peters war aus der Stadtkapelle nicht wegzudenken. Heute steht zu Hause in ihrem Wohnzimmer ein Klavier. Und in jeder Ecke deutet irgendwas auf Musik hin. "Wir haben uns damals ein paar Djemben besorgt", erinnert sich Peters zurück. Dann ging es los. Erst trommelten sie zu zweit, dann kamen einige Freunde dazu. Und gar nicht viel später, es war beim Bürgerfest, kam es zum ersten afrikanischen Trommelauftritt von Tamatogo. "Es war ein großer Spaß, der ankam", erzählt Mahamadou. Die Gruppe wurde wieder und wieder gebucht. Die Nachfrage war groß. Alle hielten zusammen - und tun das bis heute. "Alle Einnahmen gingen vom Start weg an Hilfsprojekte in Togo", berichtet der Schwarzafrikaner. Und im Laufe der Jahre wurde daraus immer mehr.

Die Leute boten Peters, die damals in einem Kindergarten in Baar-Ebenhausen arbeitete, Spenden an. Geld und Sachwerte. Und wie ein Selbstläufer entwickelte sich daraus das Tamatogo-Projekt in Yogon, einem kleinen Dorf etwa 17 Kilometer von der togolesischen Hauptstadt Lomé entfernt. Um finanziell abgesichert zu sein, gründeten die Beteiligten vor zehn Jahren den Verein Tamatogo. "Seither können wir Spendenquittungen ausstellen. Und die private Haftung ist nicht mehr ganz so gravierend", meint Peters.

Zusammen mit ihrem Mann gelang es ihr, ein 4000 Quadratmeter großes Areal - auf dem jetzt das Waisenhaus steht - zu kaufen. Mittlerweile leben dort 17 Waisenkinder. Separate Schlafräume für Mädchen und Buben, eine Betreuerwohnung, Toiletten, Duschen, eine Küche, mittlerweile der zweite Trinkwasserbrunnen (der erste ist versalzt), ein neuer Pavillon und - bislang im Rohbau - eine Krankenstation hat der Verein errichtet. "Im Grunde genommen mit den eigenen Händen. Sogar die Ziegelsteine haben wir selbst getrocknet", so Peters.

Alle zwei Jahre wendet die Familie den Jahresurlaub auf, um in Togo nach dem Rechten zu sehen. Heuer war es wieder soweit. "Wir müssen präsent sein. Damit die Kinder ein Gesicht von uns haben. Um uns um alles zu kümmern. Und vor allem um sehr viel zu reden", berichtet Mahamadou von diesen Reisen. Mit dabei waren heuer ihre Töchter Malika und Laila sowie drei ihrer Freunde aus Geisenfeld. "Wir haben Fußballtore gebaut. Geredet und geplant", so Peters.

Alles läuft. Alles geht seinen Weg. So sagt es Amidou Mahamadou. Er ist zufrieden. Obwohl es noch so viel zu tun gibt. Und obwohl sich die Lage für die Menschen in Togo nicht bessert. "Derzeit sind dort blutige Unruhen. In Yogon war alles ruhig. Aber in den Großstädten nicht", berichtet Peters. Manchmal habe sie den Eindruck, als bessere sich etwas. "Aber das sind nur Träume, die gleich wieder zerplatzen", fügt sie an. Derzeit bereiten dem Verein die steigenden Preise für Baumaterial und Lebensmittel viel Kopfzerbrechen. "Alles wird aus Frankreich importiert. Für viel Geld. Wir müssen im Waisenhaus alles selbst anbauen, um uns versorgen zu können."

Die Suche nach neuen Spendern, nach zusätzlichen Paten ist schwierig. Die Flüchtlingswelle, die vor knapp drei Jahren den Landkreis erreichte, habe die Lage für den Hilfsverein nicht einfacher gemacht. "Wir sind noch näher zusammengerückt", sagt Peters, die bei allen Helfern und Paten kein Nachlassen ausmachen kann. "Aber zusätzliche Hilfe finden, das geht im Moment überhaupt nicht."

Obwohl sie die Lage und die Veränderungen der vergangenen Jahre in Deutschland nicht negativ bewertet. Es sei zwar schade, dass gewisse Randgruppen jetzt wieder Zulauf erhielten. "Aber das war zu erwarten", meint Peters. Auf der anderen Seite habe sie noch nie eine derartige Welle der Hilfsbereitschaft erlebt wie in den vergangenen Jahren. "Das hätte es früher nie gegeben", meint sie. Und alles in allem sei Deutschland durch die Flüchtlingswelle moderner, aufgeschlossener und weltoffener geworden. Gut für Tamatogo. Und gut für die Menschen.