Geisenfeld
Einen "magischen Ort" abgefackelt

Brandstifter zerstören den über 400 Jahre alten Weidenbaum am Klausener Weiher

16.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr
Versteck und Kletterparadies: Der alte Weidenbaum am Klausener Weiher zwischen Geisenfeld und Nötting war bei vielen Kindern als natürlicher Abenteuerspielplatz sehr beliebt. Für Stadtrat Hans Schranner verbinden sich mit dem Baum viele Kindheitserinnerungen. Er machte sich am Freitagnachmittag ein Bild von dem Schaden, den das Feuer angerichtet hat. −Foto: Meier

Geisenfeld (GZ) Einer der "magischen Orte" in Geisenfeld ist Vandalen zum Opfer gefallen. Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag den über 400 Jahre alte Weidenbaum am Klausener Weiher angezündet. Was von dem knorrigen Methusalem noch übrig ist, muss wohl komplett entfernt werden.

Nach Mitteilung der Polizei ging gegen 23.30 Uhr die Mitteilung ein, dass zwischen Geisenfeld und Nötting, nahe der Staatsstraße, ein Baum brennt. Die Geisenfelder Feuerwehr rückte mit zwölf Mann aus, "und als wir eintrafen, stand der Baum lichterloh in Flammen", erzählt Kommandant Hans Rottler. "Da hat sich eine richtige Kaminwirkung entfaltet."

Um zu verstehen, was der Feuerwehrkommandant damit meint, muss man den Weidenbaum und seine Besonderheit kennen. Seit Menschengedenken ist der Baum innen hohl. Durch ein Loch konnte man ins Innere klettern und oben, auf etwa 2,50 Meter Höhe, wieder heraussteigen. "Für meine Kinder war das immer ein Riesenspaß", erzählt der Nöttinger Ortssprecher Robert Meier, der es als "unheimlich traurig" empfindet, was hier passiert ist. "Für uns und auch für viele andere Nöttinger war dies immer ein ganz besonderer Ort", sagt auch seine Frau Kathrin. Ein so besonderer, dass die beiden den alten Weidenbaum 2011 als Hintergrundkulisse für einige Hochzeitsfotos gewählt haben. "Und ich kenne in Nötting noch zwei weitere Paare, die das ebenfalls gemacht haben", erzählt Robert Meier.

Vielleicht bestand die Magie dieses Baumes darin, dass er einen unbändigen Lebenswillen verkörperte. Hohl, vertrocknet und eigentlich schon abgestorben hatte er immer noch ein paar verbliebene Äste, zum Teil von unten mit einem Stahlrohr abgestützt, die austrieben und Blattwerk bildeten. "Ich lebe nun seit 43 Jahren in Nötting, aber ich habe den Baum nie anders gekannt als so", erzählt Erna Schlicht, die Mutter von Kathrin Meier. "Wenn wir Nöttinger nach Geisenfeld gefahren sind, hat uns der Baum immer eine schöne Kulisse geboten", bedauert auch sie den Vorfall von Donnerstagnacht.

Doch der alte Weidenbaum war nicht nur für die Nöttinger ein Besonderheit. 2009 wurde er zu einer von sieben Geisenfelder "Stadt-Oasen", Orten mit einer ganz besonderen Ausstrahlung, gekürt. Damals machte sich ein Stadtmarketing-Arbeitskreis unter fachkundiger Leitung eines - esoterisch angehauchten - Experten im Stadtgebiet auf die Suche nach Orten mit einem besonderen "Kraftfeld" und wurde unter anderem am Klausener Weiher fündig. Hier, so damals der externe Fachmann, seien besonders Kinder angesprochen, "ihre Wurzeln zu erfühlen". Auf Vorschlag des Experten wurden damals am Ufer des Weihers, an dem der Baum steht, ein Steg angebracht und eine Holzbank aufgestellt. Unzählige Radfahrer nutzten seitdem dieses idyllische Plätzchen zur Rast.

Zu dem Baum besonders hingezogen fühlten sich auch viele Jugendliche, für die die Sitzbank am Weiher ein beliebter Treffpunkt war. Und dies könnte der Weide nun zum Verhängnis geworden sein - auch wenn es noch keine konkreten Hinweise auf die Täter gibt. Brandbeschleuniger wurden vor Ort zwar nicht gefunden, dennoch geht man bei der Polizei von Brandstiftung aus.

"Da wurde vor drei, vier Jahren schon mal gezündelt" weiß Stadtrat Hans Schranner. "Damals hat der Baum das noch überlebt." Schranner hat von dem Vorfall am Freitagnachmittag erfahren und sich sofort vor Ort ein Bild gemacht. Schließlich, so sagt er, "ist die alte Weide Teil meiner Kindheit und Jugend". Und er erinnert sich besonders an ein Erlebnis, als er etwa 15 Jahre alt war. "Da gab es in Geisenfeld ein Manöver mit amerikanischen Soldaten. Die haben durch das Loch im Baum einen Kasten Bier im Inneren abgestellt, wohl um es kühl zu halten - und dann vergessen, es mitzunehmen. Dafür waren meine Spezl und ich dem Baum ungemein dankbar", sagt Schranner, und begutachtet mit Wehmut ein paar völlig verkohlte Reste des Stamms.