Pfaffenhofen
Hoffen auf Chicharito

Der Pfaffenhofener Kfz-Ingenieur Aldo Montaño fiebert bei der WM mit der mexikanischen Elf

15.06.2018 | Stand 25.10.2023, 10:31 Uhr
Begeisterter Fan: Aldo Montaño im Trikot der mexikanischen Nationalmannschaft, im Arm hat er Bälle von Bayern München (von links), der mexikanischen Nationalmannschaft, seines Heimatvereins F. C. Puebla und der Weltmeisterschaft von 2014 - alle mit Autogrammen. −Foto: Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Wenn während der Fußball-Weltmeisterschaft die Fans in Stadt und Landkreis gespannt das Turnier verfolgen, dann drückt längst nicht jeder der deutschen Mannschaft die Daumen: Jeder achte Pfaffenhofener besitzt eine ausländische Staatsbürgerschaft. Einer davon ist der Mexikaner Aldo Montaño.

Dem Anpfiff des ersten Spiels in der Gruppe F, bei dem am Sonntag seine Elf auf den amtierenden Weltmeister trifft, fiebert er schon seit Monaten entgegen. Sein Tipp: 2:1 - natürlich für Mexiko.

Eine ziemliche kecke Prognose. Aber wenn sich der Titelverteidiger schon von Österreich mit einem 3:1 vom Platz hat fegen lassen, warum sollten dann die Mexikaner keine Chance haben?

Aldo, 29, lebt mit Unterbrechungen seit vier Jahren in Deutschland. In Puebla, mit zwei Millionen Einwohner die viertgrößte Stadt Mexikos, hat er bei VW gearbeitet. Der Konzern hat dort nach Wolfsburg seine größte Fabrik errichtet. Hier bauen fast 17 000 Mitarbeiter die Modelle Golf, Jetta, Tiguan und Tuareg für den amerikanischen Markt. Aldo ist ehrgeizig: Deutschland, sagt er ist ein Autoland, und deshalb hat er sich bei der Technischen Hochschule in Ingolstadt einschreiben lassen, um seinen Master in Fahrzeugtechnik zu machen. Den hat er jetzt in der Tasche und arbeitet bei einem Autozulieferer. Auf dem Campus lernte er seine Freundin kennen, die 23 Jahre alte Pfaffenhofenerin Anna Bauer, die internationales Management studiert.

"Mexiko", sagt Aldo Montaño, "ist eine Fußballnation." Auch er kickt, seit er zurückdenken kann; in der Schule und an der Uni hat er im Mittelfeld und in der Abwehr gespielt. Von seinem Lieblingsverein, dem F.C. Pueblo, besitzt er nicht nur einen Ball, sondern auch die Spieler-Trikots. Und nicht nur von denen: Über 100 Shirts hütet er,, besonders stolz ist er auf eines der Nationalmannschaft mit dem Autogramm des mexikanischen Top-Stürmers Javier "Chicharito" (kleine Erbse) Hernández. Der Rekordtorschütze hat sich auf dem Nummer-9-Trikot mit einem Autogramm für Aldo unvergesslich gemacht. Nummer 9? Hat Chicharito nicht die 14? "Doch", sagt Aldo, "aber die 9 ist das Geburtsdatum meiner Mutter, 9. August." Ob das Glück bringt oder eine Reminiszenz an die Mama ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass die mexikanischen Fans Glück dringend brauchen, weil sie an einem Trauma leiden: Noch nie hat ihre Nationalmannschaft eine WM gewonnen. Zweimal in der WM-Geschichte war die Elf im Viertelfinale, lang ist's her, in den letzten fünf Turnieren ist Mexiko nie über das Achtelfinale hinausgekommen. Und auch diesmal seien die Fans skeptisch, sagt der 29-Jährige, weil der Trainer Juan Carlos Osorio permanent Spieler und Positionen tausche. Ob er damit die Gegner verwirren will? Möglich, meint Aldo, ohnehin spielten die Mexikaner "ganz anders als die Deutschen". Die stürmten schnurgerade aufs Tor los, wohingegen die Mexikaner - Aldo sucht nach einem passenden Wort - "aufmerksamkeitserregender" spielen. Das ist eine schöne Umschreibung für "kein System" und "unberechenbar".

Nicht nur der Fußball ist in Deutschland anders. Aldo hat einen Satz geprägt, der lautet: "In Deutschland kann man sehr gut leben, in Mexiko lebt man glücklich." Deutschland sei ein sehr gut organisiertes Land, allein schon der öffentliche Nahverkehr mit seiner Pünktlichkeit sei vorbildlich. "In Mexiko dagegen hat man mehr Freiheiten, die Regeln sind nicht so streng wie hier." Auch das Zwischenmenschliche ist anders. An seinem Arbeitsplatz hat er mit Kollegen zu tun, man geht gemeinsam in die kurze Mittagspause, isst, und dann werden wieder die Ärmel hochgekrempelt. In Mexiko ist die Pause länger, man redet miteinander, freundet sich an, geht abends gemeinsam auf ein Bier und spielt in derselben Fußballmannschaft. "Hier hast du am Arbeitsplatz Kollegen", sagt Aldo, "in Mexiko hast du Freunde."

Was er auch vermisst, ist das Essen seiner Heimat. Wer jetzt an Bohnen denkt, dem sollte das Wort besser im Hals stecken bleiben: Die Gerichte von Puebla gehören zum Weltkulturerbe. Etwa Mole, eine Sauce aus bis zu 35 verschiedenen Zutaten, darunter Gewürze, Nüsse, ungesüßte Schokolade, die für Enchiladas verwendet oder mit Huhn serviert wird. Burritos, Fladen, in die Fleisch und Gemüse gefüllt wird und die in Deutschland als der Inbegriff mexikanischen Essens gelten, kenne man in seiner Heimatstadt überhaupt nicht.

Die WM wird er sich in München anschauen, im Biergarten. "Da kenne ich viele Latinos." Sein Tipp fürs Endspiel? "Deutschland, Brasilien, Frankreich und Spanien sind sehr stark. Ich muss natürlich zugeben, Mexiko ist das nicht so sehr." Aber man wird ja wohl noch hoffen würfen.

Albert Herchenbach