Pfaffenhofen
Wie ein Start-up - nur mit Historie

Das alteingesessene Pfaffenhofener Unternehmen Kramerbräu

16.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Hinter der Holzfassade am Rand des Pfaffenhofener Ecoquartiers verarbeiten die Kramerbäu-Mitarbeiter Kerne zu Ölen und pflanzlichen Proteinpulvern. −Foto: Straßer

Pfaffenhofen (PK) Start-ups heißen Zalando, Tinder, Uber oder AirBnB. Nicht Kramerbräu. Und trotzdem hat das Pfaffenhofener Traditionsunternehmen einiges gemeinsam mit diesen hippen Geschäftemachern mit innovativen Ideen. Außer halt dem Namen. "Den haben wir bewusst behalten", sagt Geschäftsführer Markus Pscheidl, der mittlerweile auch Miteigentümer ist. "Die Alternative wäre irgendein Fantasiename gewesen."

Und damit hätte er sich nicht wohlgefühlt. Kramerbräu stehe sowohl für die Historie des Unternehmens als auch für die Landbewirtschaftung und die Verarbeitung von Rohstoffen. "Das ist die Welt, in der wir uns nach wie vor bewegen." Obwohl Bier schon lange nicht mehr zum Geschäftsmodell gehört. Jetzt gibt es Sonnenblumenöl. Jetzt gibt es ein Produkt, das mit dem Markennamen Heliaflor im Handel ist. Protein in Pulverform aus Bioanbau. "Vegane Produkte werden oftmals entweder aus Soja oder aus Erbsen gemacht. Beide haben einen Nachteil. Es sind beides Allergene. Dazu kommt die Gentechnikproblematik beim Soja", sagt Pscheidl. Bei Proteinen aus Sonnenblumen- oder Kürbiskernen gebe es diese Probleme nicht. Beispielsweise steckt Kramerbräu-Protein im Sonnenblumen-Hack von Sunflower Family, für das das Unternehmen den World Food Innovation Award gewann.

"Wir haben uns eigentlich die letzte Zeit als Ölmüller definiert. Jetzt sehen wir uns auch als Proteinhersteller", sagt Pscheidl. Die eigenen Ackerflächen reichen heute bei Weitem nicht mehr aus, um genügend Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Lein- oder Senfsaat für das Geschäft herzustellen. Deshalb betreibt das Unternehmen Vertragsanbau, hauptsächlich in Südosteuropa. "Wir müssen die entsprechenden Rohwaren beschaffen. Das ist unsere Stärke." Als Markenname taucht Kramerbräu im Handel übrigens nicht auf. "Wir sind im klassischen B-2-B-Bereich", sagt Pscheidl. Aber die Lebensmittelzusatzstoffe aus Weihern stecken in bekannten Biomarken wie Zwergenwiese, La Selva, Followfish und Byodo. "Das hat mit Slow-Food nichts zu tun, das ist technisches Food", sagt Pscheidl. "Wenn wir der Massentierhaltung was entgegenhalten wollen, brauchen wir Alternativen. Da sind pflanzliche Proteine nötig."

Wandlungsfähigkeit ist wichtig, nicht nur für Unternehmen ohne Tradition. Von der gleichnamigen Wirtschaft in der Sonnenstraße hat sich das Unternehmen, das seit 1867 im Besitz der Familie Hirschberger ist, mittlerweile getrennt. Über Generationen hinweg hatte die Familie dort einen Bauernhof, eine Brauerei und eben die Wirtschaft. Der Bräu braut seit 1922 nicht mehr, den landwirtschaftlichen Betrieb lagerten die Hirschbergers Anfang der 1950er-Jahre nach Weihern aus. 1989 verpachtete die Familie die Gastwirtschaft, der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeiten verlagerte sich immer mehr nach Weihern. Mit dem Umzug in die neue Firmenzentrale am Rand es Ecoquartiers hat Kramerbräu jetzt endgültig den Bezug zur Innenstadt aufgegeben. "Nach dem Krieg wurde die Landwirtschaft komplett ausgelagert, weil man nicht mehr mit dem Pferdefuhrwerk in die Stadt reinfahren konnte. Jetzt ist eben alles hier", sagt Brigitte Hirschberger, die Witwe des ehemaligen Unternehmenschefs Theo Hirschberger.

Ursprünglich war der Kramerbräu - wie der Name sagt - eine Brauerei. Auf den eigenen landwirtschaftlichen Flächen wuchsen Hopfen und Braugerste, in Mälzerei und Sudhaus wurden diese landwirtschaftlichen Erzeugnisse veredelt. Das Bier schließlich hat der Kramerbräu in einer Gastwirtschaft direkt vermarktet. Der aktive Brauereibetrieb wurde 1922 eingestellt, die landwirtschaftliche Produktion ist bis heute aktiv, schon 1989 wurde sie auf auf ökologischen Landbau umgestellt. Daraus entstanden neue Geschäftsfelder. "Wir wollten uns nicht nur über Anbaukonzepte Gedanken machen, sondern auch über die Vermarktung." Kramerbräu verkaufte Sonnenblumenkerne für das Brot der Hofpfisterei, war an der Gründung der Naturland-Vermarktungsgesellschaft beteiligt und hat noch heute einen Platz im Aufsichtsrat.

Dass sich das Unternehmen immer wieder neue Geschäftsfelder erschlossen hat, ist nicht zuletzt seinem ökologischen Anstrich zu verdanken: Es sollte nichts verloren gehen. Bei der Verarbeitung von Backgetreide und der Herstellung von Öl blieben Reste übrig, für die das knapp 40-köpfige Team um Pscheidl neue Verwendungsmöglichkeiten suchte. Mittlerweile hat Kramerbräu mit einer Partnerfirma aus Kempten ein Patent auf das Herstellungsverfahren des Sonnenblumenproteins Heliaflor.

Wenn es nach Pscheidl geht, soll der Name Kramerbräu künftig weder ausschließlich mit der Wirtschaft im Stadtzentrum, noch ausschließlich mit dem Unternehmen verbunden sein. "Der Name Kramerbräu bekommt zwei Bedeutungen", sagt er. "Das Gebäude und das Unternehmen." Und wenn die Sanierung des alten Kramerbräu in der Innenstadt abgeschlossen ist, wird es dort auch wieder Bier geben - der neue Eigentümer Max Hechinger plant, dort auch wieder eine Wirtschaft einzurichten.

Severin Straßer