Schweitenkirchen
Tabula rasa in Schweitenkirchen

Cartonplast reinigt jährlich 15 Millionen Kunststoff-Platten für den Transport von Flaschen und Dosen

05.09.2019 | Stand 25.10.2023, 10:25 Uhr
Die Firma Cartonplast ist ein Global Player. Geschäftsführer Michael Heikenfeld (links) und Niederlassungsleiter Markus Kreuzer präsentieren die Kunststoff-Zwischenlage, von denen 15 Millionen pro Jahr in Schweitenkirchen inspiziert und gereinigt werden. −Foto: Herchenbach

Schweitenkirchen (PK) Wenn der Lateiner "tabula rasa" machte, dann glättete er sein Wachstäfelchen, um es erneut beschreiben zu können.

Wer heute tabula rasa macht, also die Platte putzt, sucht das Weite. Wenn aber die neuen Mieter an der Schweitenkirchener Fraunhofer Straße 15 die Platte putzen, dann ist das ihr Job: Sie vermieten und reinigen Kunststoff-Zwischenlagen, auf denen Flaschen, Gläser und Dosen transportiert werden.

Klingt unspannend, aber wer die Fakten kennt, reibt sich die Augen: Cartonplast, so heißt die Firma mit Hauptsitz im hessischen Dietzenbach, ist mit weitem Abstand der größte Anbieter in Europa von wiederverwertbaren "Layer Pads" auf Mietbasis: 45 Millionen dieser gut ein Quadratmeter großen Platten mit 130 Millionen Umläufen pro Jahr sind im Einsatz, die weltweit in 17 Service-Centern - neben Europa auch in Südafrika, in Brasilien, Russland und der Türkei - an 130 Kunden auf der ganzen Welt ausgeliefert, wieder eingesammelt und anschließend gereinigt werden. Legt man all diese Platten aneinander, umrunden sie eineinhalb Mal den Erdball. Im Juni hat das Unternehmen in Schweitenkirchen eine 5000 Quadratmeter große Halle angemietet, ab Mitte Oktober läuft der Betrieb dann auf vollen Touren rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb - von Sonntagabend bis Samstagfrüh. 15 Millionen Platten werden hier pro Jahr inspiziert, gesäubert und gehen dann wieder auf Reisen.

Michael Heikenfeld, 54, ein gebürtiger Westfale und mit zwei Metern Körpergröße ein Mann wie ein Baum, ist einer der drei Geschäftsführer von Cartonplast. Er sitzt mit seinem Niederlassungsleiter Markus Kreuzer im Besprechungsraum. Alles ist neu: frischer Wandanstrich, moderne Möbel, nur hier und da klebt noch ein Emblem des Vormieters, eines Glashersteller.

Heikenfeld ist sichtlich begeistert: "Besser hätten wir es nicht erwischen können. Die Lage ist super. " Das Unternehmen habe viele Kunden in Süddeutschland, aber auch in Österreich, Italien und auf dem Balkan, deshalb habe man um Ingolstadt den Zirkel geschlagen und sei dann in Schweitenkirchen fündig geworden. "Ein absoluter Glücksfall", freut sich der Geschäftsführer. Nicht nur wegen der A9 vor der Tür, sondern auch, weil ein sehr großer und langjähriger Kunde, ein Nahrungsmittelhersteller, nur ein paar Kilometer weiter produziert. Wobei, um genau zu sein, dieser Produzent nur mittelbarer Kunde ist. Cartonplast nämlich vermietet nicht an ihn die Platten, sondern an Dosen- und Flaschenhersteller, die ihre Behältnisse dann auf Paletten zum Befüllen anliefern. Auch Brauereien, Winzerbetriebe, Lebensmittelproduzenten oder die Kosmetikindustrie sind Kunden. Der Endverbraucher im Supermarkt bekommt diese Platten also gar nicht zu Gesicht. Ohne sie allerdings stünden auch keine Apfelmusgläser oder Limoflaschen im Regal.

Ein Beispiel: Eine Glashütte stellt Sektflaschen her, die zum Abfüller transportiert werden müssen. Dazu werden sie in acht Lagen übereinander auf Paletten gepackt, ein Meter breit, 1,20 Meter lang. Um mehrere Lagen Flaschen übereinander stapeln zu können, wird eine Kunststoffplatte von Cartonplast dazwischengelegt. Diese Gebinde mit rund 1000 Flaschen, eingeschweißt in Folie, können dann vom Gabelstapler auf Lastwagen gehoben werden.

Die Zwischenlagen gibt es natürlich auch aus Karton. Allerdings, sagt Heikenfeld, haben die nach zwei, drei Umläufen ihre Schuldigkeit getan. Seine Platten dagegen halten weit länger als zehn Jahre. Wer jetzt glaubt, dass doch Kartonplatten umweltfreundlicher seien, dem hält der Geschäftsführer die Fakten entgegen: Seine Platten bescheren 1700 Bäumen ein langes Leben, weil für Kartons Zellulose und damit Holz gebraucht wird, außerdem synthetische Klebstoffe, Wasser und viel Energie. Cartonplast dagegen arbeitet nur mit nur einem einzigen Werkstoff: Polypropylen. Und das kann zu 100 Prozent wiederverwendet werden. Kaputte Platten werden eingeschmolzen und zu neuen Layer Pads verarbeitet, die bis zu 3,6 Millimeter stark sind.

Aber nicht nur deshalb wurde das Unternehmen mit dem Umweltzeichen "Blauer Engel" ausgezeichnet, sondern auch wegen seines Leasing-Systems. Das funktioniert so: Cartonplast vermietet die Platten, die unter anderem in Italien hergestellt werden, an 130 Glas- und Dosenhersteller. Die liefern sie mit ihren Behältnissen an 7500 Befüller. Von dort holt Cartonplast sie dann wieder ab. Ein gewaltiger logistischer Akt. Denn trotz der gigantischen Menge wissen die Platten-Herren jederzeit, wo sich ihr Material befindet. 750 Mitarbeiter beschäftigt Cartonplast weltweit, 150 davon in Deutschland. "15 Leute", sagt Heikenfeld, "haben nichts anderes zu tun, als hinter den Platten her zu telefonieren. "

Dann werden die Pads nach Hause gebracht und jede einzelne in die Hand genommen: Reicht eine einfache Wäsche oder braucht es eine Spezialreinigung? Dazu stehen in Schweitenkirchen zwei gewaltige Maschinen in der Halle, in denen die Platten gesäubert und getrocknet werden - hygienisch! Wer hier arbeitet, braucht Schutzkleidung. Für 15 Millionen Platten pro Jahr sind die Maschinen ausgelegt. Hat eine Platte nach dem vielen Herumreisen ausgedient, wird sie eingeschmolzen und erblickt dann frisch und neu das Licht der Logistikwelt.

Rund 20 Mitarbeiter braucht Cartonplast in Schweitenkirchen, neun sind schon an Bord. Bei einem weiteren Speed-Dating mit dem Jobcenter soll die Mannschaft mit Produktionsmitarbeitern komplettiert werden. Das Unternehmen verspricht sichere Jobs, "weil das Geschäft boomt", sagt Heikenfeld. Eine Million Euro hat er für den Standort Schweitenkirchen in die Hand genommen, eine weitere soll folgen. Denn der Geschäftsführer sieht deutlich Luft nach oben: Er möchte im nächsten Jahr an der Fraunhofer Straße auch Paletten aus Kunststoff reinigen, die derzeit noch zu 95 Prozent aus Holz zusammengenagelt werden. Dass sein Unternehmen also über kurz oder lang in Schweitenkirchen die Platte putzt, ist nicht zu erwarten.

 

Albert Herchenbach