Pfaffenhofen
Landkreisplaner auf dem Hochseil

Das Architektur- und Ingenieurbüro Wipfler gestaltet in der zweiten Generation Pfaffenhofen mit

03.05.2019 | Stand 25.10.2023, 10:32 Uhr
Beim Planen die Zukunft berücksichtigen: Die drei Geschäftsführer Wilhelm Wipfler, seine Schwester Ursula Burkart (Mitte) und Mit-Geschäftsführerin Adelheid Buchard vor der Unternehmenszentrale. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Wer wissen will, was sich im Bürokomplex an der Hohenwarter Straße 124 tut, muss nur das Bild hinter der Eingangstür betrachten: Da balanciert jemand Hunderte Meter über dem Abgrund auf einem Seil, das zwischen zwei Felsen gespannt ist.

Wege finden - und das kann man wörtlich, aber auch im übertragenen Sinn verstehen - das ist der Job der Menschen, die hier arbeiten.

Wilhelm Wipfler, 49, und seine Schwester Ursula Burkart, 59, sind auf diesem Areal mit drei Geschwistern aufgewachsen; ein wenig oberhalb der Hohenwarter Straße kurz vor Sulzbach. Ihr Vater Konrad ("Der klassische Baumeister", sagt seine Tochter) hatte hier in den 60er Jahren ein Ingenieurbüro für Hoch- und Tiefbau sowie Stadtplanung gegründet. Sein Schreibtisch stand im Wohnhaus der Familie hinter dem jetzigen Bürogebäude. "Wir sind in diesem Arbeitsfeld aufgewachsen", sagt Ursula Burkart. Und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass beide in die Fußstapfen des Vaters getreten sind: Ursula als Architektin und Stadtplanerin, ihr Bruder als Bauingenieur. Beide leiten nach einem fließenden Übergang und dem Tod des Vaters seit 2003 mit Adelheid Buchard als Geschäftsführerin das "WipflerPlan Architektur- und Ingenieurbüro".

Wenn sie heute hinüber nach Niederscheyern schauen, dann haben sie immer noch den freien Blick, wie schon als Kinder. Was sich in den fünf Jahrzehnten geändert hat, ist die Landschaft dazwischen. An der Planung der Infrastruktur und der Bebauung der Stadt waren ihr Vater und später seine beiden Kinder beteiligt. Keine Gemeinde zwischen Manching und Jetzendorf, die nicht die Dienste von Wipfler in Anspruch genommen hätte. Überall in Pfaffenhofen und im gesamten Landkreis stößt man auf Wipfler-Spuren. Die Neugestaltung des Hauptplatzes hat das Planungsbüro mitbestimmt, bei der technischen Infrastruktur, also Kanal, Wasser, Anschlüsse für die Firanten, war es federführend. Die Kindertagesstätte Burzlbaam hat Wipfler als eines der ersten Passivhäuser gebaut, die Kläranlagen in Schweitenkirchen, Gerolsbach und Reichertshausen geplant; der Seniorchef war Mitbegründer des Abwasserzweckverbands.

Mit 160 Mitarbeitern an fünf Standorten - neben Pfaffenhofen in Nördlingen, Donauwörth, München und Marktoberdorf - gestaltet das Planungsbüro Wipfler Lebensräume, in denen sich nicht nur Menschen wohlfühlen, sondern auch die Natur möglichst wenig beeinträchtigt werden soll. Und das ist, um es flapsig zu sagen, meist vermintes Gebiet. Wer baut, hat es mit gegensätzlichen Interessen zu tun. Da treffen Familien, die wohnen wollen, auf Umweltschützer, die sich gegen Flächenfraß stemmen und der Natur den Vorrang geben. "Ein Spannungsfeld", nennt das Wipfler, "zwischen individuellen Vorlieben, Gemeinschaftsanliegen, wirtschaftlichen Vorgaben, sozialer Verantwortung und politischer Aussage. "

Ist das überhaupt möglich, es allen recht zu machen? Wilhelm Wipfler ist ein besonnener Mann. Wenn er redet, sprudelt er nicht drauflos, sondern sucht mit Bedacht die richtige Formulierung. Bis zu 30 öffentliche Stellen würden mitreden, dazu noch Bürger, die Einwände geltend machen können. Viele Mosaiksteine gelte es zu berücksichtigen. Und deshalb fange Landschaftsplanung mit der "Konfliktbearbeitung im Hinblick auf Lebensräume, auf Mensch und Natur" an. Hier kommt einem das eingangs erwähnte Poster wieder in den Sinn. Ein Drahtseilakt ist das oft, die unterschiedlichen Befindlichkeiten unter einen Hut zu bekommen. Wipfler versteht sich in diesen Prozessen auch als Moderator.

Absolute Prämisse ist für ihn, von Anfang an alle Karten auf den Tisch zu legen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Wenn die Kosten für ein Bauprojekt aus dem Ruder laufen - wie etwa bei Stuttgart 21 oder dem Berliner Flughafen -, dann habe das zwei Ursachen, so Wipfler: Entweder die Planung wird zwischendurch zu oft geändert, oder sie beruht auf falschen Grundlagen und nicht berücksichtigten Gegebenheiten.

Die zu kennen, sagt der Ingenieur, sei der große Vorteil seines Büros, das seine Stärke in der Region hat, deren Geodaten sein Unternehmen dokumentiert. Alle Leistungen aus einer Hand - das sieht Wipfler als großen Pluspunkt seines Büros an.

Sein Job sei es, den Auftraggebern von vornherein reinen Wein darüber einzuschenken, was machbar ist, was gesetzlich nicht geht und was unabdingbar ist. Beispiel: Bauen in naturschutz-sensiblem Gebiet geht - wenn dafür Ausgleichflächen vorhanden sind. Und die müssen dreimal so groß sein. Könne eine Gemeinde die nicht vorweisen, kann nicht gebaut werden. Punkt. Und jetzt kommt ein weiteres Poster ins Spiel, das bei Wipfler im Entree hängt: Eine Berglandschaft mit Blick bis zum Horizont. "Mit Weitblick planen", steht darunter. "Wenn wir eine Kanalisation entwerfen", erklärt Wipfler, "rechnen wir die Wetterdaten auf die nächsten Jahre weiter. " Beim Hochwasser berücksichtigen die Planer einen hundertjährigen Modus. Beispiel: Muss ein Hochwasser-Rückhaltebecken tatsächlich so groß sein, auch wenn mancher Gemeinderat erklärt, dass dieses Gebiet, soweit er zurückdenken kann, noch nie überflutet worden ist? Eine Gemeinde im nördlichen Landkreis ist so ein Fall: Jahrelang gab es Diskussionen wegen der angeblich viel zu groß geplanten und deshalb viel zu teuren Anlage, die das Planungsbüro Wipfler geplant hat. Beim Starkregen im vergangenen Juni verstummte die Kritik.

Mit Kritik umgehen, das gehört zum Job. Bauen auf Teufel komm raus? Weiter Flächen versiegeln? Das Familienunternehmen hat sich auf Umweltgestaltung und Infrastrukturentwicklung spezialisiert und geht diese Themen sensibel an. Pfaffenhofen, davon ist Wipfler überzeugt, sei auf einem sehr guten Weg. Die Stadt wächst, aber kontrolliert. Aber muss sie denn wachsen? Muss jedem, der hier leben will, auch eine Wohnung angeboten werden? Kann man nicht entscheiden: Jetzt ist Schluss mit Neubauten? Dann, sagt Wipfler, überaltert die Stadt. Wenn die nachfolgende Generation hier keine Wohnung findet, zieht sie weg, die Infrastruktur ist bedroht. Deshalb hält er das Einheimischen-Modell für den richtigen Weg, die Stadtentwicklung zu beeinflussen.

Um Fläche zu schonen, meint Ursula Burkart, "sollte man keine Angst haben, in die Höhe zu bauen". So werden im Neubaugebiet Pfaffelleiten, wo das Planungsbüro Wipfler ein Wohngebiet erschließt, auf den Supermarkt Wohnungen gesetzt. Anderer Vorschlag: Statt vier Einfamilienhäuser zu errichten, könnten sich die Familien zusammentun und ein Vierfamilienhaus bauen. Dass das funktioniert, ließe sich beispielsweise in Augsburg besichtigen.

So wenig sich Konrad Wipfler Gedanken machen musste, dass sein Unternehmen in der Familie bleibt, so wenig müssen sich seine Kinder sorgen. Ursula hat, wie auch ihr Bruder, drei Kinder. Zwei werden Architekten, "ohne dass ich das vorgegeben hätte". Ganz offensichtlich ist der Begeisterungsfunke übergesprungen: "Ich war nie bereit, irgendetwas anderes zu machen. Der Umgang mit den Menschen, mit der Umwelt, das Gestalten - das macht große Freude. "

Albert Herchenbach