Reichertshausen
Erwin Renauer als Reichertshausener Bürgermeister vereidigt

CSU stellt mit Albert Schnell den Zweiten Bürgermeister, dafür verlässt Gerhard Bischoff die Fraktion

07.05.2020 | Stand 23.09.2023, 11:56 Uhr
Ein Bild mit Seltenheitswert: Im vergangenen halben Jahrhundert wurden vor Erwin Renauer (rechts) nur Hans Oberhauser und Reinhard Heinrich als Bürgermeister vereidigt. Franz Lechner stand ihm zur Seite - danach erntete Renauer einen langen Applaus. −Foto: Ermert

Reichertshausen - Seinen Amtseid hat Bürgermeister Erwin Renauer von der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) bei der konstituierenden Sitzung des Reichertshausener Gemeinderats am Mittwochabend geleistet. "Das ist etwas ganz Besonderes", meinte Franz Lechner (UWG), der Renauer zur Seite stand. Schließlich sei Renauer in einem guten halben Jahrhundert erst der dritte Bürgermeister, der diesen Eid leisten dürfe.

"Erst Hans Oberhauser für 29 Jahre, dann Reinhard Heinrich für 25 Jahre", führte Lechner in seinem historischen Exkurs aus, "und jetzt Renauer." Dieser meisterte seine Vereidigung souverän und erntete langen Applaus aller Räte. Gleich danach durfte er die sechs neuen Gemeinderäte begrüßen - und Brigitte Schelle-Mayr, Alice Siebel (beide Grüne), Andreas Hepting, Lorenz Dick (beide CSU), Josef Reili (UWG) und Alexander Dick (FW) seinerseits den Eid abnehmen. Etwas später wurde dann noch ein drittes Mal - so wahr mir Gott helfe - die Hand gehoben und geschworen: als der Zweite und Dritte Bürgermeister feststanden.

Bis es allerdings soweit war, dass Albert Schnell (CSU, kleines Foto) und Benjamin Bertram-Pfister (SPD) nach vorne treten durften, vergingen einige bange Minuten. Denn die zwei geheimen Wahlen waren zwar vorbesprochen, aber nicht vollends ausgekartelt. Nachdem Renauer erklärt hatte, dass die UWG auf die Stellvertreterposten verzichten werde, und Wolfgang Linner (CSU) seinen Fraktionskollegen Schnell vorgeschlagen hatte, ergriff Marianne Knoll (FW) das Wort - und sprach sich für Gerhard Bischoff aus. Junges Blut würde auch der CSU gut tun, meinte sie. Und Bischoff haute in seinem Wortbeitrag dann gleich einen raus: "Ich habe die viertmeisten Stimmen von allen geholt, damals noch für die CSU - aber jetzt bin ich fraktionslos", erklärte er, dass er der christsozialen Fraktion nicht angehören wolle. "Die Wahl zum Zweiten Bürgermeister würde ich gerne annehmen", sagte Bischoff. Dazu kam es allerdings nicht: Nur drei Stimmen entfielen auf ihn, eine war ungültig, die restlichen 13 Räte votierten für Schnell. "Das ist eine gute Basis für eine gemeinsame und konstruktive Zukunft", befand Schnell sogleich - und ließ sich als Zweiter Bürgermeister vereidigen.

Der Dritte im Bunde bleibt wie in den vergangenen sechs Jahren Benjamin Bertram-Pfister, der von Konrad Mayer (beide SPD) vorgeschlagen wurde. Auch dieses Mal meldete sich Knoll zu Wort und brachte den im ersten Wahlgang gescheiterten Bürgermeisterkandidaten der Freien Wähler, Alexander Dick, ins Spiel. "Er ist jung, ehrlich, hat die Zeit dazu und will Verantwortung übernehmen", begründete Knoll diesen Vorstoß. Der Wahlgang stellte sich als enge Kiste heraus. Diesmal waren alle 17 abgegebenen Stimmen gültig - und Bertram-Pfister setzte sich mit 10:7 Stimmen knapp durch.

Nach den Wahlen ging es an die Besetzung der Ausschüsse und Zweckverbände, an die Benennung gemeindlicher Beauftragter (siehe Kasten) und die Verabschiedung der Geschäftsordnung. Dabei kamen etliche Neuerungen ans Licht, die unter Bürgermeister Renauer umgesetzt werden sollen. Zum Beispiel akzeptierten die Räte mit ihrer einhelligen Zustimmung auch gleich die Einführung eines Ratsinformationssystems. Zwei Angebote für ein solches Portal, über das Informationen und Unterlagen an die Gemeinderäte - oder auch an die Bürger - mittels einer Cloud online weitergegeben werden können, lässt die Verwaltung einholen. Und die Räte bekommen für ihre ehrenamtlichen Mühen auch etwas mehr an Entschädigung als bisher: Das Sitzungsgeld wurde um fünf Euro auf nun 35 Euro je Gemeinderatssitzung, auf 30 Euro je Aussschusssitzung und auf 50 Euro für die Rechnungsprüfung angehoben.

Nach seiner Trennung von der CSU ist Bischoff trotzdem in zwei Ausschüssen vertreten. "Er ist ein von allen geschätzter Kollege", meinte Renauer. Daher habe sich die UWG des ab sofort parteilosen Rats angenommen und ihm Sitz und Stimme in den Ausschüssen Kultur, Gesellschaft und Sport sowie Jugend, Familie und Soziales überlassen. Neu gegründet wurde ein Ferienausschuss, der in Krisenzeiten - personell abgespeckt - anstelle des gesamten Gremiums verbindliche Beschlüsse fassen kann. Und noch auf der Suche ist die Gemeinde nach einem Motor und Ideengeber für den Arbeitskreis Freizeit und Erholung. "Wer sich hier besonders engagieren möchte, soll sich einfach im Rathaus melden", spornte Renauer interessierte Bürger an, Verantwortung zu übernehmen. Sein Dank galt Günter Fuchs und Joachim Auktor, die sich lange als Beauftragte engagiert hatten. "Ein würdiger Abschied wird nach der Coronakrise sicher noch folgen", stellte er ihnen eine kleine Dankesfeier in Aussicht. Und natürlich sei auch hinsichtlich des Abschieds von Reinhard Heinrich das letzte Wort noch nicht gefallen, so Renauer weiter. "Da wird es noch eine große Feier in der Ilmtalhalle geben", sagte er - "aber auch nach Corona."

Der Reichertshausener Gemeinderat wird übrigens weiterhin an Donnerstagabenden tagen. "Die meiste Zeit im vierwöchigen Rhythmus", so Renauer. Die nächste Sitzung findet allerdings - außerhalb des normalen Turnus - bereits in zwei Wochen statt: am 20. Mai. "Weil wir so viele Punkte haben, die wir heute nicht zusätzlich behandeln konnten", wie es der neue Bürgermeister formulierte, brauche es diese erste Arbeitssitzung dringend. Der Abwasserzweckverband Oberes Ilmtal tritt dann am 28. Mai ab 14.30 Uhr zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bertram-Pfister regte noch an, die Sitzungen des Gemeinderats künftig online zu übertragen. "Technisch ist das umsetzbar", entgegnete Renauer. Aber es müssten alle einverstanden sein. "Und um darüber befinden zu können, muss erstmal jemand einen Antrag stellen", so der Bürgermeister.

Auch die Posten sind so gut wie alle vergeben, die gemeindlichen Beauftragten wurden benannt und die Ausschüsse sowie Zweckverbände sind besetzt, bei denen der Vorsitz (außer Rechnungsprüfungsausschuss) jeweils bei Bürgermeister Erwin Renauer (UWG) oder einem seiner Stellvertreter Albert Schnell (CSU) oder Benjamin Bertram-Pfister (SPD) liegt.

Fraktionssprecher: Wolfgang Linner (CSU), Stefan Finkenzeller (UWG), Konrad Mayer (SPD), Marianne Knoll (FW), Brigitte Schelle-Mayr (Grüne).

Finanzen und Personal: Linner, Elisabeth Stocker (beide CSU), Finkenzeller, Franz Lechner, Josef Reili (alle UWG), Knoll (FW), Alice Siebel (Grüne), Mayer (SPD).

Bau, Grundstücke und Umwelt: Andreas Hepting, Schnell (beide CSU), Lorenz Dick, Konrad Moll, Reili (alle UWG), Alexander Dick (FW), Schelle-Mayr (Grüne), Bertram-Pfister (SPD).

Kultur, Gesellschaft und Sport: Stocker, Schnell (beide CSU), Finkenzeller, Lorenz Dick (beide UWG), Gerhard Bischoff (fraktionslos), Alexander Dick (FW), Schelle-Mayr (Grüne), Bertram-Pfister (SPD).

Jugend, Familie und Soziales: Hepting, Linner (beide CSU), Reili, Moll (beide UWG), Bischoff (fraktionslos), Alexander Dick (FW), Siebel (Grüne), Bertram-Pfister (SPD).

Rechnungsprüfung: Linner (Vorsitzender, CSU), Finkenzeller (Zweiter Vorsitzender, UWG), Knoll (FW), Siebel (Grüne), Mayer (SPD).

Ferienausschuss: Schnell, Stocker (beide CSU), Lechner, Lorenz Dick, Moll (alle UWG), Knoll (FW), Schelle-Mayr (Grüne), Bertram-Pfister (SPD).

Schulverband: Lechner (UWG), Stocker (CSU), Bertram-Pfister (SPD).

AZV Oberes Ilmtal: Renauer, Lechner, Finkenzeller (alle UWG), Hepting, Schnell (beide CSU), A. (FW), Schelle-Mayr (Grüne), Mayer (SPD).

KIG: alle Gemeinderäte unter Vorsitz von Bürgermeister Renauer (UWG).

Landkreisweiter Planungsverband Windkraft: Bürgermeister Renauer (UWG).

AK Freizeit und Erholung: unbesetzt (Interessierte sollen sich bei Verwaltung melden).

Gemeindliche Beauftragte: Anita Gleissner (für Behinderte), Anneliese Martin (für Senioren), Dennis Denk (für die Jugend), Tassilo Lechner (für Kultur), Ulrich Hege (für die Umwelt).

PK

Patrick Ermert