Ernsgaden
20 Flüchtlinge alle haftpflichtversichert

Ernsgadener Asylbewerber zahlen Beitrag aus eigener Tasche Helfer geben jede Woche zehn Stunden lang Deutschkurs

07.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:59 Uhr

Crashkurs über Deutschland: In einem rund zweistündigen Vortrag auf Anregung des örtlichen Asylkreises hat Bürgermeister Karl Huber (links) den 20 in Ernsgaden untergebrachten afghanischen Flüchtlingen etwas über die hier geltenden Grundregeln des Zusammenlebens, über Rechte und Pflichten und über die hiesigen kulturellen Gepflogenheiten erzählt. - Foto: Gemeinde Ernsgaden

Ernsgaden (GZ) Die problematische Schadensregulierung bei Unfällen mit Asylbewerber-Beteiligung ist ein viel diskutiertes Thema. In Ernsgaden hat man dafür jetzt die denkbar einfachste Lösung gefunden: Die 20 Flüchtlinge versichern sich alle freiwillig selbst, den Beitrag zahlen sie aus eigener Tasche.

"Wir haben das Thema Versicherungsschutz mit unseren Jungs diskutiert", erzählt Samantha Zinowsky vom Ernsgadener Asylhelfkreis: "Stellt euch vor, euer Fußball fliegt durch eine Fensterscheibe oder euer Fahrrad prallt gegen ein Auto - wer kommt für den Schaden auf" Unter den 20 hier wohnenden jungen Männern aus Afghanistan sei kein einziger gewesen, "der die Notwendigkeit, sich zu versichern, nicht eingesehen hätte", berichtet Zinowsky. Mit ihren Mitstreitern holte sie Angebote von Direktversicherern ein, und man entschied sich schließlich für einen Versicherer, der eine Basis-Absicherung für 27,80 Euro jährlich anbietet. "Zwölf haben die Versicherung bereits abgeschlossen und den Jahresbeitrag gezahlt, bei den anderen acht warten wir noch auf die Vertragsunterlagen", erzählt die Ernsgadenerin.

Seit etwa zweieinhalb Monaten wohnen die Afghanen in der Containerunterkunft neben dem Ernsgadener Bauhof, und die Gemeinde, so Bürgermeister Karl Huber, "kommt mit der Situation gut zurecht". In jedem Wohnraum leben zwei Personen, daneben gibt es noch einen Küchen- und Aufenthaltscontainer sowie sanitäre Anlagen.

Dass es klappt, habe die Gemeinde in aller erster Linie dem intensiven Einsatz der sieben ehrenamtlichen Helfer zu verdanken, betont Huber. Gelte doch im Asylhelferkreis die Devise "Einfach mal los legen anstatt auf staatliche Hilfe warten". Zum Beispiel beim Sprachunterricht. Mangels zertifizierter Deutschlehrer könnten von offizieller Seite keine Deutschkurse angeboten werden, und so machen dies eben drei Helferinnen auf ehrenamtlicher Basis.

"Jeden Montag, Mittwoch und Freitag ist vormittags jeweils zwei Stunden lang Deutschunterricht", berichtet Samantha Zinowsky, und am Dienstag- und Samstagabend gibt es einen zusätzlichen Kurs für die Fortgeschrittenen. "Alle sind sehr wissbegierig, und es kann ihnen gar nicht schnell genug gehen, unsere Sprache zu erlernen", hat der Bürgermeister beobachtet. Huber kommt immer wieder selbst in der Unterkunft am Ortsrand, um sich die Anliegen der jungen Männer anzuhören, Hilfestellungen zu leisten und als "Bote und Vermittler € zum Landratsamt zu fungieren.

Er diskutiert mit den Flüchtlingen auch über die Situation und die Entwicklung in Deutschland und die enormen Anstrengungen des Staates infolge der Flüchtlingskrise. Und er hat ihnen auch klar gemacht, "dass nicht alle Menschen in Deutschland einer Meinung sind mit der Politik von Frau Merkel".

Aus den Erzählungen der Afghanen weiß Huber von den hohen Erwartungen, mit denen viele von ihnen nach Deutschland gekommen sind. Erwartungen, die auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden könnten. Die Prüfung ihrer Asylanträge werde wohl noch längere Zeit dauern, weil derzeit vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in erster Linie die Anträge der Syrer und Iraker behandelt werden.

Auch die Hoffnung auf eine schnelle Arbeitsgelegenheit in Deutschland, die viele am Anfang in ihren Köpfen hatten, wird sich laut Huber wohl nicht so schnell erfüllen. Zum einen haben die Asylbewerber eine sechsmonatige Wartezeit, bis eine Arbeitsaufnahme gestattet wird. Ferner sei es schwer, geeignete Stellen zu finden. "Wer etwas anbieten kann, möge sich melden", so die Bitte des Bürgermeisters.

Die 20 jungen Männer hätten ganz unterschiedliche Schulbildungen und Berufe - vom ungelernten Arbeiter bis hin zum Akademiker. Von letzteren haben laut Huber kürzlich vier eine Aufnahmeprüfung an der Technischen Hochschule Ingolstadt bestanden und dürfen an einem anspruchsvollen Integrationskurs teilnehmen - "ein schöner Erfolg für unsere Ehrenamtlichen".

Doch diesen, so betont Samantha Zinowksy, geht es bei ihrer Arbeit um viel mehr als um Sprach- und Jobvermittlung. "Wir wollen erreichen, dass sie sich hier angenommen fühlen - nicht als Asylbewerber, Migranten oder Afghanen, sondern als Mitmenschen, mit denen man ganz normal befreundet sein kann." Und auf überschaubarer Ebene wie in Ernsgaden, so scheint es, könnte dies sogar funktionieren.