Steinkirchen
Ein Gaudiwurm im Zeichen der Wahl

Mehr als 1000 Teilnehmer bei Faschingszug von Reichertshausen nach Steinkirchen

23.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:50 Uhr
Während die einen eine Fähre anstelle einer Brücke an der Kohlmühle ins Spiel brachten, verglichen andere Narren den Abschied von "König Heinrich" mit dem Brexit. −Foto: Steininger

Steinkirchen - Neun Faschingswagen, 43 Fußgruppen, rund 1050 angemeldete Teilnehmer und etliche darüber hinaus haben sich zum 53. traditionellen Ilmtaler Gaudiwurm formiert. Trotz widriger Wetterbedingungen säumten zahlreiche Zuschauer den Weg des Faschingszugs, der von Reichertshausen über Grafing, Paindorf, Oberpaindorf, Lausham und Pischelsdorf bis nach Steinkirchen führte.

Ein langer Fußmarsch, dem man ohne Marschverpflegung kaum gewachsen ist. Doch an dieser herrschte kein Mangel - nur wurde sie in flüssiger Form mitgeführt. Und das in allen möglichen Varianten, vom einfachen Dosenbier bis hin zu einem Mix aus Pfirsich-Eistee und Doppelkorn, einer Art Turbolader mit Vorglüheffekt. Als Zugleiter bewährte sich heuer Peter Bauer, Ausrichter war der OCV Steinkirchen mit Konrad Moll als Organisator. Pünktlich um 13 Uhr gaben die Haunstettener Böllerschützen den Startschuss und der Zug setzte sich in Bewegung.

Angeführt wurde der Tross von ihrer Lieblichkeit Prinzessin Denise I. und seiner Tollität Prinz Florian I. im luxuriösen BMW-Cabrio - natürlich begleitet von der OCV-Prinzengarde und ungeduldig erwartet von den vielen, meist maskierten Kindern am Straßenrand, die sich zusammen mit den Großen einen Wettbewerb im Bonbonsammeln lieferten. Von den Wagen herab regneten Süßigkeiten aus vollen Händen in die Zuschauer. Die amüsierten sich über viele Ideen, die die Faschingsfans in originellen Masken und Kostüme umgesetzt hatten.

Ein schier endloser, bunter Gaudiwurm zog an den Bürgern vorbei, im Mittelpunkt des Interesses standen natürlich die Mottowagen, die an Seitenhieben nicht sparten. Nicht allen auf Anhieb verständlich war der Wagen der Feuerwehr Pischelsdorf. Das aber gereicht den Unwissenden nur zur Ehre, denn auf dem Wagen war außer dem Münchner Fernsehturm ein bekanntes Etablissement aus dem Rotlichtmilieu zu sehen. Darauf ein Spruch, ähnlich dem Original: "Du kommst als Fremder, bleibst du als Freund?" war zu lesen, worüber sich Andreas Hepting, Adressat der Botschaft und in München wohnender Bürgermeisterkandidat der CSU, köstlich amüsierte.

Aber auch andere Wagen boten Anlass zum Schmunzeln: Aufwendig und kunstvoll dekoriert war ein Gefährt vom "Indianerstamm Reichertshausen", inklusive Rathaus als Wigwam. Das Motto des Wagens: "Häuptling gesucht! Der alte kann nicht mehr, drum muss ein junger her." Anstelle einer Brücke an der Kohlmühle schlugen die Faschingsfreunde aus Kleingurnöbach eine Ilmfähre vor, allerdings mit der Einschränkung: "Bei Eisgang und Hochwasser keine Überfahrt!" Neben den valentinesken Überfahrtszeiten von 5.61 Uhr bis 25.05 Uhr der warnende Hinweis: "Kinder haften für Ihre Eltern, Landwirte für alles!" Auch der Brexit und das kommende Amtsende von Bürgermeister Reinhard Heinrich (CSU) waren ein Thema: Eine Gruppe der Royal Garde scharte sich um ein Schild, dekoriert mit dem Union Jack und dem Text: "England hin, Brexit her, König Heinrich mag auch nicht mehr". Begleitet wurde der Zug überdies von einem nachempfundenen, typisch Londoner Doppeldeckerbus mit Queen Elisabeth am Steuer. Aber auch ernsthaft Kritisches war zu sehen: Neben Plakatmotiven der Moderatoren aus dem Dschungelcamp stand zu lesen: "RTL kennt keine Moral, dass der Dschungel brennt, ist denen egal".

So wurde den Zuschauern etliches für Auge und Ohr geboten: Wummernde Bässe wechselten sich ab mit Livemusik der Reichertshausener Jugendblaskapelle und zu sehen gab es eine ganze Horde Wikinger, eine Gruppe offenbar entlaufener "Knastis", Damen im Look von Mary Poppins oder Hexen, andere wiederum latschten mit Taucheranzügen und Schwimmflossen durchs obere Ilmtal. Der Fantasie und dem Bastelgeschick waren keine Grenzen gesetzt und so setzte der Gaudiwurm nicht nur eine numerische, sondern auch seine kreative Tradition eindrucksvoll fort. Das war unbestreitbar der Höhepunkt der OCV-Faschingssaison, die mit dem Kehraus am 25. Februar in Thalmannsdorf endet.

PK

Hans Steininger