Pfaffenhofen
Eierdieb muss acht Monate ins Gefängnis

Automat bei Mitterscheyern aufgebrochen - Für Gericht ist Angeklagter ein "klassischer Bewährungsversager"

07.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr
ARCHIV - Ein Richterhammer und ein Strafgesetzbuch liegen am 19.03.2013 im Landgericht Osnabrück (Niedersachsen) auf einem Tisch. Bei der Urteilsfindung sind Schöffen hauptamtlichen Richtern gleichgestellt. In diesem Jahr suchen die Kommunen im Norden wieder interessierte Bürger für das Schöffenamt. Foto: Friso Gentsch/dpa (zu dpa: «Als Hausfrau fünf Jahre Richter sein - Schöffen werden gesucht» vom 03.04.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++ −Foto: Friso Gentsch/dpa (dpa)

Pfaffenhofen (PK) Acht Monate ins Gefängnis muss ein 29-jähriger Arbeitsloser, weil er mit einem Freund zweimal den Eierautomaten an der Staatsstraße hinter Mitterscheyern aufgebrochen hat - und das nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Eier: Er habe Hunger gehabt, sagte er. Der Automat ist nicht nur mit einem Schloss, sondern auch mit einer Überwachungskamera gesichert. Am 9. März nachts um drei und einen Monat später am 8. April kurz nach Mitternacht setzte der Bewegungsmelder die Kamera in Betrieb: Auf den Fotos sind zwei Personen mit Sonnenbrillen und Sturmhauben zu erkennen, die nur einen Sehschlitz freilassen.

Die Kripo kam dem Duo dennoch rasch auf die Spur, weil beide polizeibekannt sind: Die auffällige Jacke des einen hatte die Täter verraten.

Zumindest der 29-jährige Florian M. (alle Namen geändert) hätte wissen müssen, was für ihn auf dem Spiel stand: Er hatte zwei offene Bewährungsstrafen. Noch ein Ding, und er geht in Haft. Dreimal war er bereits vorbestraft, ebenso wie sein Freund Lukas P., 39. Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit: Beide sind sie arbeitslos, beziehen Hartz IV, und beide hatten ein dickes Alkoholproblem. Damit erklärt Florian auch die Tat: Das Geld vom Amt sei draufgegangen für Schnaps; fürs Essen blieb nichts übrig. Das wollte er sich beim Automaten holen: Eier und Schinken. "Mir ging's nicht um das Geld", sagt er vor Gericht. "Ich hatte Hunger."

"Mir ging's nicht um das Geld. Ich hatte Hunger."

Der Angeklagte

Deshalb machte er sich mit seinem Freund auf den Weg. Mit einem Hammer brach er die Metallverriegelung auf und klaubte aus den Fächern Eier und Geräuchertes. Das Geldfach interessierte ihn nicht. Der Schaden von rund 1300 Euro steht in keinem Verhältnis zum Warenwert: Der liegt, sagte die Landwirtin als Zeugin, bei etwa 50 Euro.

Wie das alles genau abgelaufen ist, daran konnten sich Florian M. und sein Freund schon am nächsten Tag nicht mehr erinnern. "Ich hab' ein schweres Alkoholproblem", gibt er zu. Schon über Jahre. Wie viel er getrunken habe, fragt Amtsrichterin Nicola Schwend? "Ich weiß es nicht, zu viel." Von "früh bis spät" sei er "dicht" gewesen. Seine Bewährungshelferin, die als Gutachterin geladen ist, berichtet, dass er, wenn er sie aufsuchte, erst mal seine Schnapsflasche auf ihren Schreibtisch stellte. In diesem Zustand habe er auch, sagt der Angeklagte, "routinemäßig" ein Formular fürs Jobcenter ausgefüllt. Das fragte regelmäßig nach, ob er denn noch allein lebe. Andernfalls nämlich wird der Mietzuschuss gekürzt. Im November aber zog die Freundin ein und zeigte sich spendabel: Sie übernahm die Hälfte der Miete. Das Jobcenter verklagte Florian M. daraufhin wegen Betrugs. Die 345 Euro, die er zu Unrecht kassiert hat, sind inzwischen mit seiner Unterstützung verrechnet worden.

Nicht nur die Richterin würde gern verstehen, was da bei Florian M. abgegangen ist: "Sie wussten doch, dass Sie unter doppelter Bewährung standen." "Wie gesagt", erwidert der Angeklagte, "ich war nicht bei Sinnen." Denn ansonsten hätte er wohl schon vor dem Eierklau eine Bewährungsauflage erfüllt und sich einer Suchttherapie unterzogen. Die hat er erst jetzt, ebenso wie sein Freund, hinter sich. "Eine Leistung", sagt die Bewährungshelferin, "die man ihm hoch anrechnen muss." Sie sieht bei ihm große Ressourcen und viel Potenzial: "Er will so nicht weiterleben." Das bestätigt auch sein Pflichtverteidiger Jörg Gragert, der ihn von vorangegangen Prozessen kennt: Sein Mandant habe eine 180-Grad-Wende hingelegt und sei durchgehend clean.

Mag alles so sein. Auch die Staatsanwältin gesteht dem Angeklagten eine "verzweifelte Lage" zu. Aber mit der zweiten Bewährungsstrafe habe er schon seine "letzte Chance" bekommen. Sie fordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten - ohne Bewährung.

Der Verteidiger weiß, dass es für seinen Mandanten sehr eng aussieht. Dennoch: "In diesem Zustand des Dauerrauschs kommen die Leute auf Ideen, das glaubt man nicht." Er bittet wegen der "günstigen Sozialprognose" um ein mildes Urteil, auch damit der Therapieerfolg seines Mandanten nicht gefährdet wird.

Die Amtsrichterin hat da ihre Zweifel. Florian M. habe sich als "klassischer Bewährungsversager" gezeigt. Erst im November 2016 sei er verurteilt und schon zwei Monate später erneut straffällig geworden. Sie schickt den Angeklagten für acht Monate hinter Gitter. Formulare vom Jobcenter wird Florian M. vorläufig nicht mehr ausfüllen müssen. Dennis P. kommt mit einer Geldstraße von 1800 Euro davon.