Pfaffenhofen
"Die Leute bei der Stange halten"

DJ und Lehrer: Der in Pfaffenhofen bekannte Andreas Schober erzählt, welche Gemeinsamkeiten seine zwei Berufe haben

07.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:35 Uhr
Die Partymeile von Zrce. Die Bilder sind vor der Coronakrise entstanden. Ob die Party heuer überhaupt über die Bühne geht, ist natürlich noch unklar. −Foto: privat

Pfaffenhofen - Wer beim Namen Andi Lirious an Delirium denkt, liegt nicht völlig daneben. Denn tatsächlich schafft es Andreas Schober, der sich als DJ dieses Künstler-Pseudonym zugelegt hat, sein Disco-Publikum, partywütige Teenies und junggebliebene Ü-30er, in einen Rauschzustand zu versetzten. Sollte das Corona-Virus keinen Strich durch die Rechnung machen, dreht er im Spätsommer auf ganz großer Bühne die Platten: bei einem der größten europäischen Party-Festivals am kroatischen Strand Zrce, wo wie in den Jahren zuvor über 10000 Fans erwartet werden.

Für die Älteren: Schober ist in der Disco-Szene ein weit über Pfaffenhofens Grenzen hinaus bekannter Topstar: Seit 18 Jahren beschallt er alle Mega-Disco-Tempel in Bayern, als DJ-Team "Crushboys" mit Andreas Strobel alias DJ Technique heizte er ab 2008 Partys ein, in der ehemaligen Alten Schmiede an der Hohenwarter Straße war er Stammgast, auf dem Pfaffenhofener Volksfest bringt er die Weißbierhütte zum Kochen und legt im großen Zelt auf. Festwirt Lorenz Stiftl sagt über ihn, es gäbe niemanden, der so gut Stimmung machen könne wie er. Jeden ersten Samstag im Monat dreht er bei den Ü-30-Partys in der Pfaffenhofener "Heimatliebe" für 600 bis 800 Gäste die Scheiben.

Nein, sagt Schober, mit Alkohol - und darauf legt er Wert - hat sein DJ-Alias nichts zu tun. Den Namen hat er sich nach dem Song "Delirious" von David Guetta zugelegt. Der französische DJ und Musikproduzent sprengte mit diesem Hit die Charts, sein Song handelt von der Sehnsucht, den Alltag hinter sich zu lassen und einen rauschhaft (delirious) schönen Urlaub zu erleben, was das Disco-Phänomen heute vielleicht am besten erklärt. 25 Millionen Mal ist der Song bisher auf Youtube angeklickt worden, "She loves you" von den Beatles - nur zum Vergleich - nur 3,5 Millionen Mal. Aber das liegt auch daran, dass die Älteren die Beatles noch auf Platten und CDs gepresst im Regal stehen haben. Schober hat eine halbe Millionen Songs archiviert, säuberlich sortiert auf einer Festplatte von der Größe einer Zigarettenschachtel.

Die kroatische Festivalmeile, wo Schober - mit allem Vorbehalt - vom 3. bis 6. September eine internationale Jugend in Wallung bringen soll, wird mit Zehntausenden Watt beschallt. Vor gut drei Jahren ist er mit seiner Frau nach Wolfersdorf hinter der südöstlichen Landkreisgrenze gezogen. Da herrscht tiefster Frieden. "Diese Ruhe genieße ich sehr", sagt der 35-Jährige ("im Herzen bin ich 26"). Schober ist wie seine Frau Nadine Lehrer, an der Ismaninger Mittelschule unterrichtet er Englisch und Sport. Durchs Wohnzimmer, in dem nichts auf Disco hinweist, wuselt seine elf Monate alte Tochter an einem Lauflerngerät.

Als DJ muss er doch bei seinen Schülern einen Heimvorteil haben, oder? "Schon", sagt Schober, der auch beim Schulfasching auflegt, aber das bedeute nicht, dass seine Schüler ihm mehr Aufmerksamkeit schenken. "Es ist schwerer, 26 Kinder zu fokussieren als 1000 Disco-Besucher." Als Lehrer könne man nicht alle zwei Minuten den Gag-Hammer rausholen. Was Kids heute wohl erwarten, denn deren Musikgeschmack sei heute "mehr auf Showeffekte" angelegt, der musikalische Anspruch sei zurückgegangen.

Obwohl in der Wohnzimmerecke eine Wandergitarre steht, kann Schober "keine einzige Note lesen". Aber dafür hat er ein ausgeprägtes Gefühl für Rhythmus, Klangfarbe und musikalische Stimmungen. Und das ist das Wesentliche, was ein DJ braucht, um sein Publikum mitzureißen. Schober hat mit Bernd Bolner, dem DJ Bebo, eine Präsentation über sein Handwerk ausgearbeitet. Bolner ist sein ehemaliger "Azubi", sagt der 35-Jährige. Ihm habe er das DJ-Knowhow beigebracht, inzwischen gehöre er zu den Top-20 der Szene. Mit ihm wird er gemeinsam nach Kroatien fahren.

Schober zeigt eine optimale "Spannungskurve" für eine gelungene Disco-Nacht: langsam ansteigend, und dann behutsam abfallend. Ein paar Tipps hat er formuliert, die zum "perfekten DJ-Set" gehören. Erste Regel: Spiel, was DIR gefällt! Musikwünsche aus dem Publikum werden nicht berücksichtigt, sie können den Ablauf zerstören. Oder, zweiter Tipp: Sei abwechslungsreich und mische Genres. Auch die Übergänge von einem zum anderen Titel sind wichtig. Dazu muss Schober natürlich die Songs nicht nur auf der Festplatte, sondern auch im Kopf haben. Hat er, auf seinem Laptop ist eine kleine Auswahl - immer noch gut 10 000 Stück - sortiert gespeichert.

Seine Spezialität: Ü 30, also die Musik der 90er- und 2000er-Jahre. "Was meine Schüler hören", sagt Schober mit ein wenig Wehmut in der Stimme, "da bin ich raus." Sein Publikum, hat er festgestellt, bleibt immer gleich alt, "nur ich werde älter, die Schere geht auseinander". Dennoch ist er in seinem Repertoire breit aufgestellt, "das reicht von Andrea Berg bis Steve Aoki oder von Vicky Leandros bis Le Shuuk".

Zu seinem Beruf als Lehrer gibt's deutliche Parallelen: Es gehe darum, "die Leute bei der Stange zu halten". So wie im Unterricht laufe auch in der Disco nichts von allein, "du musst immer vorausdenken, das ist unglaublich anstrengend. Es ist eine hohe Kunst, die Leute zu halten, damit sie lange bleiben und der Abend immer emotionaler wird."

Wie das geht? "Man muss sein Publikum lesen können", erklärt Schober. "Crowd Reading" nennt sich das. Wie die Gäste ticken, "das erkennt man an den Klamotten, am Alter, an den Reaktionen." Und - alte DJ-Regel: "Wenn Frauen auf die Tanzfläche kommen, hast du gewonnen, dann kommen auch die Männer." Die Kunst sei es, jederzeit den perfekten Song aufzulegen, den Titel, der funktioniert. Kann man nicht alles lernen, sagt Schober, der Job bestünde zu 40 Prozent aus Handwerk und zu 60 Prozent aus Bauchgefühl.

So sehr Andi Lirious musikalisch am Puls der Zeit ist, so wenig ist er in den sozialen Medien vertreten. "Ich bin wahrscheinlich der einzige DJ, der im Internet keine Werbung macht und keinen Social-Media-Account hat." Deshalb freut es ihn umso mehr, dass der Veranstalter des kroatischen Festivals wohl nur durch Mundpropaganda auf ihn aufmerksam geworden ist. "Bebo und ich, wir unterstützen die Besten der Welt", sagt Schober; Steve Aoki etwa, einen US-amerikanischen Electro-House-DJ und Musikproduzenten, oder Lorenz Levi, Top-Star der Mallorca-Disco-Szene. Lampenfieber? "Nein", sagt Schober, "oder vielleicht ein bisschen." Wenn er da oben an seinem Controller dreht, "dann reißt es mich mit". Und das ist wahrscheinlich die wichtigste Eigenschaft, die ein DJ mitbringen muss, um sein Publikum "delirious" zu machen.

PK