Pfaffenhofen
Den Kopf aus der Schlinge gezogen

Drogendealer bittet um mildes Urteil - Freundin hat Krebs: "Mir fehlt Zeit ohne Ende"

16.07.2018 | Stand 25.10.2023, 10:30 Uhr
Mit einer milden Strafe ist ein Dealer aus dem Landkreis Pfaffenhofen davongekommen. −Foto: Anspach/dpa

Pfaffenhofen (PK) Gerade noch mal den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte ein 24-Jähriger Drogendealer, der angeklagt war, unter anderem einem 15-Jährigen Marihuana verkauft zu haben. Darauf stehen zwei bis 15 Jahre Haft. Das Schöffengericht berücksichtigte seine besondere Situation: Es verurteilte ihn zu 20 Monaten und setzte die Strafe zur Bewährung aus.

Die Anklage ist nicht von Pappe: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm "gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" vor. Außerdem habe er als Erwachsener einem Minderjährigen Drogen verkauft und in seiner Wohnung Marihuana aufbewahrt.

Gleich zu Beginn der Verhandlung gab Staatsanwalt Ingo Desing eine Erklärung ab: Der Verteidiger habe ihn gestern angerufen und angeboten, sein Mandant Christian W. (alle Namen geändert) könne sich vorstellen, ein Geständnis abzulegen. Er, Desing, habe daraufhin in Aussicht gestellt, für eine Haftstrafe von maximal zwei Jahren zu plädieren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. "Das wäre ein gangbarer Weg", meint Amtsrichter Konrad Kliegl. Einige Zeugen werden daraufhin wieder ausgeladen: Der Dealer aus dem Altmühltal, bei dem sich Christian W. insgesamt 500 Gramm Marihuana zum Weiterverkauf besorgt hatte, kann in seiner Zelle bleiben: Er verbüßt in der JVA Bayreuth eine Haftstrafe. Die Fahrt zum Amtsgericht bleibt auch den Kunden des Angeklagten aus Ingolstadt erspart, die seinerzeit bei ihm daheim in Pfaffenhofen vorgefahren waren, um sich je viereinhalb Gramm Hasch abzuholen. Eine Zivilstreife hatte sie vor der Wohnung abgepasst und dannn in einem Waldstück bei Walkersbach gestellt. Den damals 15-jährigen Oliver P. dagegen hätte das Gericht gern vernommen - aber der erscheint nicht und handelt sich deshalb eine Ordnungsstrafe ein: 150 Euro, ersatzweise drei Tage Haft.

Der Anwalt erklärt, dass sein Mandant alles zugebe: dass er sich den Stoff von dem Dealer für schätzungsweise 3500 Euro besorgt hat; dass er je knapp fünf Gramm Gras an die beiden Ingolstädter verkauft hat. Und auch, dass er einmal für 50 Euro vier Gramm Hasch dem Oliver M. übergeben hat. Aber dass der damals, im Frühsommer vor zwei Jahren, erst 15 war, das habe sein Mandant nicht gewusst. Zumal der Junge "kein unbeschriebenes Blatt" gewesen sei, also schon Drogenerfahrung hatte. Juristisch ist das in dem Fall irrelevant: Der Angeklagte hätte sehen müssen, meinen Kliegl und seine beiden Schöffen, dass Oliver noch keine 18 war. Die Polizeifotos ließen keinen anderen Schluss zu.

Rückblickend, so der Verteidiger, tue es seinem Mandanten sehr leid. Er konsumiere auch keine Drogen mehr, weil er gemerkt habe, "dass es seinem Leben besser tut". Jetzt meldet sich auch Christian zu Wort: "Mir fehlt Zeit ohne Ende", sagt er. "Was ich da konsumiert habe, das war ein großer Fehler." Und dann werden seine Augen feucht: "Meine Freundin hat Krebs", sagt er mit tonloser Stimme. Ein heimtückischer Krebs, der nur schwer zu behandeln ist. Ihre Zeit, fürchtet er offenbar, läuft ab. Aber das ist nicht sein einziges Problem: Wegen des Drogenkonsums "wackelt Ihr Führerschein", erklärt ihm der Richter. Und ob er deshalb als Kfz-Mechaniker, der Autos nach der Reparatur probefährt, seinen Job behält, ist mehr als fraglich.

Der Staatsanwalt ist milde: In seinem Plädoyer erkennt er einen "minderschweren Fall": Zwar musste der Angeklagte vom "optischen Eindruck davon ausgehen, dass Oliver noch keine 18 war". Aber er habe ihn nicht "angefixt", aus dem Chartverlauf ergebe sich, dass Oliver Christian F. kontaktiert habe. Den Tipp auf den Dealer hatte er von Freunden bekommen. Auch sei in diesem Fall "gewerbsmäßiger Handel" nicht nachzuweisen, weil es nur dieses eine Mal zu einem Geschäft gekommen sei. Außerdem handele es sich bei Marihuana um eine "weiche Droge".

Der Staatsanwalt fordert für die drei Anklagepunkte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung. Der Verteidiger hält ein Jahr und fünf Monate für ausreichend. Das Gericht schließlich verurteilt ihn zu einer Gesamtstrafe von 20 Monaten auf drei Jahre zur Bewährung. Die ergibt sich für das Schöffengericht aus den "Gesamtumständen" des Angeklagten. "Diese 20 Monate schweben jetzt drei Jahre über Ihnen", ermahnt ihn Kliegl. "Sollten Sie sich in dieser Zeit strafbar machen, dann müssen Sie damit rechnen, dass die Bewährung widerrufen wird." Aber ganz so billig kommt Christian F. nicht davon: Die 3500 Euro aus dem Drogendeal muss er an die Staatskasse überweisen, außerdem die Prozesskosten übernehmen und nicht zuletzt acht Drogenscreenings aus eigener Tasche zahlen.
 

Albert Herchenbach