Eurenbach
"Das war schon ein bisschen eine Tortur"

Einmal quer mit dem Fahrrad durch die USA: Robert "Bertl" Andre lässt die 18 Tage Revue passieren

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:49 Uhr
Von der West- zur Ostküste: Robert Andre ist 5500 Kilometer mit seinem Rennrad gefahren. −Foto: Andre

Eurenbach (PK) Robert Andre hat es geschafft: Er hat die 50000 Höhenmeter, 5500 Kilometer und drei Zeitzonen bezwungen. In 18 Tagen radelte er von der West- zur Ostküste in den USA. Jetzt wieder in Deutschland erzählt er, was er alles erlebt hat.

"Das war schon ein bisschen eine Tortur", berichtet Robert "Bertl" Andre von seiner Tour durch die USA. Mit seinem Rennrad fuhr er 5500 Kilometer quer durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Begonnen hat alles an der Westküste. Mit seiner Frau und zwei Rennrädern landete er in den USA. Dort mietete das Paar ein Wohnmobil - und dann ging es auch schon los: Am 12. Mai setzte sich Andre früh morgens auf sein Rad und trat gleich zu Beginn kräftig in die Pedale. Er musste die Rocky Mountains bezwingen - das sollte aber nicht der härteste Teil der Strecke werden. "Die 3000 Höhenmeter am Anfang waren in Ordnung. Landschaftlich war es ein Traum. Es war alles so grün", erinnert sich der 50-Jährige. Auch der Jetlag machte ihm wenig zu schaffen. Trotzdem konnte er nicht wirklich gut schlafen. "Das war aber weniger die Zeitumstellung, sondern vielmehr die Anstrengung." Denn sein Körper war 18 Tage lang einer starken Belastung ausgesetzt: Der Kleine Finger und der Ringfinger sind auch Tage nach der Tour noch taub. "Die bekomme ich vorerst nicht mehr zusammen." Auch bei den Füßen sind die kleinen Zehen noch paralysiert. Seine Frau begleitete den Euernbacher im Wohnmobil. Sie kümmerte sich um die Einkäufe und versorgte ihn mit Medizin und Getränken. Etwa alle 100 Kilometer legte er eine kurze Pause ein - seine Frau wartete am Straßenrand auf ihn. Über einen Liter trank er dann in kürzester Zeit und stieg wieder auf sein Rad. Insgesamt trank er etwa zehn Liter pro Tag. Oftmals wollte er in der Pause nichts essen, da es zu heiß war. Meist waren es um die 35 Grad.

Am 13. Tag hatte Andre zum ersten Mal mental richtig zu kämpfen: Am morgen aß er Rühreier mit etwas Brot und Aufstrich. Er war sich bewusst, dass das zu wenig sein wird. Allerdings hatte er nicht viel Appetit. "Nach einer Stunde habe ich schon gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. Ich brach von der Leistung her zusammen." Er konnte nicht mehr treten. Nach 80 Kilometern stand seine Frau seitlich am Straßenrand. Normalerweise fuhr er immer an ihr vorbei, doch an diesem Tag nicht. "Ich bin reingegangen und habe gesagt, dass ich nicht mehr kann." Der 50-Jährige legte sich aufs Bett und schlief ein. Doch nach 45 Minuten stand er wieder auf, trank einen Shake, aß eine Banane, nahm Schmerzmittel und stieg wieder auf den Sattel. An dem Tag fuhr er sehr lange - sogar noch als es dunkel war. Und so schaffte er das Tagesziel, die 300 Kilometer, doch noch. Er ließ 2000 Höhenmeter in fast elf Stunden hinter sich.

Der Schock kam dann im Bundesstaat New York. "Ich habe ja gewusst, was mich erwartet. Aber dass es gleich so extrem wird, war der Wahnsinn", betont Andre. 400 Meter hoch und 400 Meter runter. 600 Meter hoch und 600 Meter wieder herunter. "Das war ewig steil. Man fährt relativ auf Reserve nach 14 Tagen und man freut sich, dass es zu Ende geht", sagt Andre. Doch dann kamen diese anstrengenden Berge. "Es arbeitet einen seelisch auf." Ungefähr eine halbe Stunde fuhr der Radler einen Berg hoch, dann zehn Minuten wieder bergab - und das ständig im Wechsel.

Am 16. Tag kam dann ein weiterer Einbruch. Das ständige hoch und runter ging an die Substanz. "Ich mag nicht mehr", dachte sich Andre, als er auf seinem Rad saß. Er rief seine Frau an. Sie sollte ihn abholen. "Dann sagt sie, dass sie gerade die Nudeln aufgestellt hat und erst in mindestens 25 bis 30 Minuten losfahren könnte", sagte der Rennradfahrer und lachte. "Ich bin dann wieder auf das Rad und habe mich irgendwann wieder eingekriegt." Kilometer später stand seine Frau am Straßenrand, doch er fuhr weiter. Über 4000 Höhenmeter bezwang er an diesem Tag. Zwei Tage später kam er mit seinem Rennrad in Manhattan an.

Nach seiner Tour entspannte er sich drei Tage lang in einem Park. "Ich wollte niemanden mehr sehen." Wieder zurück in Deutschland radelte er am Sonntag gleich wieder mit seiner Gruppe 100 Kilometer. Das Wochenende darauf fuhr er dann 440 Kilometer zum Gardasee - selbstverständlich mit dem Rad. Auf die Frage, ob er nicht einmal eine Pause brauche, antwortete Andre: "Die kann ich später machen."

Samantha Meier