Pfaffenhofen
"Das ist wie mit den Brezn beim Bäcker"

26-jähriger Drogendealer erklärt vor dem Schöffengericht sein "Geschäftsmodell"

16.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:10 Uhr

Pfaffenhofen - Knast oder Geldstrafe - darüber entscheidet bei Drogendelikten die Menge und die Qualität des Stoffs: Wer mit einer juristisch "nicht geringen Menge" erwischt wird, steht meist schon mit einem Bein im Gefängnis.

Deshalb unternehmen Junkies und Dealer alle nur möglichen argumentativen Klimmzüge, um aus der Gefahrenzone zu kommen. Eine neue Variante lieferte jetzt ein 26-Jähriger vor dem Pfaffenhofener Schöffengericht: Er habe zwar zwei 100-Gramm-Päckcken von einem Großdealer gekauft, beim Nachwiegen daheim aber festgestellt, dass in der Plastiktüte nur "so um die 80, höchstens 85 Gramm" waren.

Matthias B. (Name geändert) ist angeklagt, Hasch nicht nur gekauft, sondern auch damit gehandelt zu haben, um sich, wie es im Strafgesetz heißt, eine "dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen". Keine guten Voraussetzungen für ein mildes Urteil. 15, 16 Kunden, sagt ein Kripo-Mann als Zeuge, habe man beim Auslesen seines Handys ausmachen können. Der 26-Jährige war der Polizei ins Netz gegangen, weil die Drogenfahndung einem Großdealer auf die Spur gekommen war und in dessen Auto 1,3 Kilo Marihuana sicherstellen konnte. Die Ermittler hatten sein Telefon überwacht und waren so auf seinen Kunden Matthias M. gestoßen.

Üblicherweise werden Drogendeals mit einer Feinwaage abgeschlossen. Immerhin wird ein Gramm Gras für mindestens zehn Euro gehandelt. Deshalb sind Richterin, Schöffen und die Staatsanwältin einigermaßen irritiert über die Aussage des Angeklagten: Nein, behauptet er, das sei nicht üblich, bei der Warenübergabe nachzuwiegen. "Ich wollte keinen Ärger machen. Das ist ja nicht wie in einem Geschäft", klärt er das Gericht auf, "wo man einkauft und dann einen Kassenbon bekommt. "

Mag ja sein. Aber warum kaufte er nur vier Tage später beim selben Lieferanten zu denselben Konditionen noch einmal ein Päckchen und zahlte für 100 Gramm? "Ich würde gern Ihr Geschäftsmodell verstehen", sagt Staatsanwältin Julia Eser zum Angeklagten. Matthias M. stellt ihr eine Art Mischkalkulation vor. Das sei so wie bei einem Bäcker. "Der verkauft die Brezn, die er für 40 Cent einkauft, ja auch zu einem höheren Peis. " Logisch. Aber im Gegensatz zum Bäcker, der von seinen Kunden immer den gleichen Betrag verlangt, variierte der Angeklagte den Preis: Bekannte, sagt er, bezahlten weniger, andere mehr. "Für mich hat's gepasst. " Und dann habe er ja auch nicht die gesamte Menge vertickt, sondern weniger als die Hälfte. 60 Gramm von jedem Beutel habe er für den Eigenbedarf behalten. Ein bis zwei Gramm, das sei so seine Tagesration gewesen.

Tatsächlich zieht Matthias B. mit seinem Anwalt das Untersuchungsergebnis des Landeskriminalamts als Steilvorlage für seine Verteidigung heran. Das hat die Hasch-Beutel, die im Auto des Großdealers gefunden worden waren, untersucht (mittlere bis gute Qualität) und als Gewicht jeweils etwa 85 Gramm festgestellt. Ein Ingolstädter Kripo-Mann, der das Marihuana zur Wirkstoffanalyse nach München weitergeleitet hatte, ist sich aber als Zeuge sicher, dass zuvor jedes Beutelchen netto 100 Gramm gewogen hatte. Vielleicht, räumt er ein, mit einer Toleranz nach unten von zwei, drei Gramm; höchstens. Den Schwund im LKA-Labor kann er sich nur so erklären, dass das Gras weiter getrocknet sei.

Das Gericht hat den Großdealer als Zeugen vorgeladen, aber der ist nicht erschienen. Amtsrichterin Katharina Laudien blättert in ihren Unterlagen: Eigentlich müsse er inzwischen aus dem Gefängnis entlassen worden sein. Aber auch wenn er sich möglicherweise auf sein Aussageverweigerungsrecht berufe, will sie ihn erneut vorladen. Um ihm Beine zu machen, brummt sie ihm ein Ordnungsgeld von 300 Euro auf, ersatzweise drei Tage Haft. Die Verhandlung wird in zwei Wochen fortgesetzt.

PK