Pfaffenhofen
Neuauflage einer alten Idee

Pfaffenhofener Wohnungsbaugenossenschaft steht kurz vor dem Startschuss für ihr erstes Projekt

23.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:19 Uhr
Das geplante Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft Raum Pfaffenhofen soll in etwa so aussehen wie die Häuser auf der Visualisierung. −Foto: Obereisenbuchner

Pfaffenhofen (PK) Dem Kampf gegen die Perspektivlosigkeit von Singles und jungen Familien auf dem überhitzten Immobilienmarkt hat die Wohnungsbaugenossenschaft Raum Pfaffenhofen den Kampf angesagt: mit der Neuauflage einer alten Idee, die Hoffnung verbreitet und Aussicht auf Erfolg verspricht.

Ein fünfköpfiges Team hat sich rund um die Pfaffenhofener Architektin Rita Obereisenbuchner und den Marketingexperten Markus Käser gebildet, das sich dem zwar etwas angestaubten, aber deshalb nicht weniger erfolgversprechenden Genossenschaftsgedanken verschrieben hat. "Ihre Hochzeit hatte die Genossenschaft während der Industrialisierung, also Ende des 19. Jahrhunderts, erlebt", erinnert Käser. Und Obereisenbuchner bringt zudem die rund hundert Jahre alten Münchner genossenschaftlichen Wohnblöcke der Eisenbahner oder Postler ins Spiel, die früher Abertausenden von Arbeitern ein günstiges Dach über dem Kopf ermöglicht haben. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Genossenschaftsgedanke noch einmal Hochkonjunktur. Wobei hier vor allem Bauland auf Erbpacht unters Volk gebracht wurde.

"In den folgenden Jahrzehnten hat sich die Welt verändert. Und für viele Genossenschaften war einfach kein Bedarf mehr", berichtet Obereisenbuchner weiter. Der Baugrund war günstig. "Teilweise fast geschenkt", erinnert die Architektin an die so gesehen "Goldenen Zeiten" des Wiederaufbaus. Diese seien zwar zunächst entbehrungsreich gewesen, aber es sei ständig aufwärts gegangen. Arbeit im Überfluss, stetig steigende Löhne - und so gut wie jeder hatte die Möglichkeit, in die eigenen vier Wände zu kommen.

Der Bauboom der vergangenen Jahre hat diese "heile" Bauwelt erneut ganz grundlegend verändert. Der Zustrom aus den Ballungsräumen hat die Preise für Baugrund kräftig nach oben getrieben. Auf ein derart hohes Niveau, dass sich heutzutage fast nur noch die Erbengeneration ein eigenes Grundstück leisten kann. Hinzu kommt ein überhitzter Immobilienmarkt, der für eine Vollauslastung der Baufirmen sorgt. "Die Firmen können sich die Aufträge momentan aussuchen. Und entsprechend hoch setzen sie die Preise an", erläutert Käser. Steigende Grundstückspreise also, und explodierende Baupreise. Zusammen ergibt sich eine Situation, in der sich Normalverdiener ohne die passende "Mitgift" der Eltern den Hausbau sowieso nicht, mittlerweile aber auch schon keine Eigentumswohnung mehr leisten können. "Und genau da setzen wir an", meint Obereisenbuchner. "Auf Immobilien wird spekuliert. Es geht fast nur noch um den Profit." Das treffe nicht nur die Häuslebauer, sondern in selbem Maß auch die Mieter. "Eine Wohnungsnot entsteht meistens, wenn gerade viel gebaut wird", nennt die Architektin einen paradoxen Fakt. "Weil weggerissen wird, weil luxussaniert wird. Und weil Spekulanten am Zug sind." Entsprechend gefährlich ist auch die Lage für die Mieter. Regelmäßige Erhöhungen alle paar Jahre - manchmal gar auf fast schon drastische Weise - sind keine Seltenheit. "Manche können sich die Miete schlichtweg nicht mehr leisten. Und sehnen sich nach Sicherheit", fügt Käser an. Genau hier kann die Genossenschaft eingreifen und gegenwirken. Ein erstes Projekt in Pfaffenhofen hat sie schon in Aussicht. Und daher beantworten Käser und Obereisenbuchner auch die wichtigsten Fragen, an wen sich die Genossenschaft richtet, wie die Vorgehensweise ist und wer sich Hoffnungen auf eine Wohnung machen kann.

Wie wird man eigentlich ein Genosse?

Genosse kann man erst werden, wenn es ein konkretes Projekt gibt - und man den Zuschlag erhält. Man kann nicht freiwillig dabei sein. Oder hoffen, dass man durch eine frühzeitige Mitgliedschaft eine Wohnung zugewiesen bekommt. Wenn die Genossenschaft ein Projekt plant, steht am Anfang eine Infoveranstaltung. Dort wird vorgestellt, was auf einem Grundstück möglich ist. Und die Interessenten äußern ihre Wünsche, welche Wohnung sie beziehen möchten. Dann werden die Schnittmengen ermittelt und möglichst viele Interessenten berücksichtigt.

Was wird im Vertrag geregelt und was haben die Mitglieder zu bezahlen?

Jeder Genosse muss einen Anteil im Wert von 1000 Euro zeichnen. Außerdem muss eine Einlage geleistet werden, die wohl bei 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche liegen wird. Bei einer 100 Quadratmeter großen Wohnung würde die Einlage also 51000 Euro betragen. Diese wird hinterlegt und verzinst. Zieht ein Genosse irgendwann wieder aus, erhält er diese Einlage samt Zinsen zurück.

Welche Rechte erhält ein Genosse dafür im Gegenzug?

Er wird Anteilseigner der Genossenschaft und hat damit Stimmrecht an der jährlichen Versammlung. Er nimmt somit Einfluss auf alle Entscheidungen, die durch die Genossenschaft getroffen werden. Eigentümer seiner Wohnung wird er damit nicht, die gehört nämlich der Genossenschaft.

Was ist der Unterschied zu einer Sozialwohnung?

Für eine Sozialwohnung muss man berechtigt sein - und das ist man nur bei einem entsprechend geringen Einkommen. Eine Genossenschaftswohnung kann hingegen jeder Normalverdiener beantragen. Und dafür bekommt er nicht irgendeine Wohnung zugewiesen, sondern hat volle Mitsprache, wie die Wohnung aussehen und ausgestattet werden soll.

Was ist der Unterschied zu einer normalen Mietwohnung?

Zu bezahlen ist eine Erbpacht und eine Nutzungsgebühr für die Wohnung. Die Höhe errechnet sich aber anhand der tatsächlich anfallenden Kosten. Also was der Wohnungsbau gekostet hat. Wie hoch die Nebenkosten sind. Welche Sanierungen nötig sind. Oder was der laufende Unterhalt beinhaltet. Genossen können sparen, indem sie den Müll- oder Winterdienst selbst übernehmen. Oder sie können einen Hausmeister mit allem beauftragen. Das ganze Haus muss sich lediglich einig sein, welcher Weg gewählt wird. Dafür liegt diese monatliche Gebühr im Regelfall deutlich unter dem Mietspiegel, vermutlich etwa um ein Viertel. Mieterhöhungen sind ausgeschlossen, der Preis bleibt dauerhaft gleich. Ein Genosse hat weder eine Luxussanierung mit anschließender Mieterhöhung noch eine Kündigung wegen Eigenbedarf zu befürchten. Wer möchte, kann die Wohnung sein Leben lang behalten - und das Wohnrecht sogar vererben.

Wie können Privatpersonen helfen, die keine Wohnung beziehen wollen? Und wie können Kommunen ihren Beitrag leisten?

Geeignete Grundstücke, auf denen sich Wohnungsbau realisieren lässt, sind das A und O für die Genossenschaft. Wer sein Grundstück zu diesem Zweck zur Verfügung stellen möchte, kann sich unter www.wogeno-paf.de informieren oder melden. Der bezahlte Preis orientiert sich am Bodenrichtwert, wobei Erbpacht ein beliebtes Modell ist, um Projekte in die Tat umzusetzen. Für Kommunen gilt dies ebenso. Hier wären Grundstücke perfekt, auf denen über eine Bauleitplanung auch Geschosswohnungsbau möglich ist.

Wie groß können Genossenschaftswohnungen sein - und sind auch andere Wohnformen möglich?

Für Wohnanlagen mit zehn bis 20 Einheiten in Ballungsräumen oder kleineren Städten ist der Genossenschaftsansatz ideal. Die Wohnungen können ganz klein bei etwa 40 Quadratmetern beginnen und bis hinauf zu 120-Quadratmeter-Wohnungen oder noch größer reichen. Aber es wäre im Einzelfall auch möglich, eine Reihenhaussiedlung auf diese Weise zu errichten - zum Beispiel in einem kleinen Dorf. Die Bauweise sollte sich immer an die Umgebung anpassen.

Was passiert, wenn jemand die Raten nicht mehr zahlen kann?

In aller Regel greifen zunächst die sozialen Netze der Gesellschaft. Wer seine Nutzungsgebühr aber dauerhaft nicht bezahlen kann oder will, wird letzten Endes aus der Genossenschaft geworfen. Die übrigen Genossen haften jedenfalls für die Verfehlungen eines Einzelnen nicht mit. Einnahmeausfälle werden definitiv nicht auf die Gemeinschaft umlegt.

Wie viele Projekte können rein theoretisch insgesamt entstehen?

Da gibt es keine Deckelung. Jedes einzelne Projekt steht für sich selbst und finanziert sich selbst. Für jedes Vorhaben wird ein Projektant gesucht, der es betreut und umsetzt. So viele Grundstücke und Interessenten es gibt, so viele Projekte werden umgesetzt. "Der Startschuss ist gefallen. Jetzt heißt es bauen, bauen, bauen", sagt Käser.

Gibt es denn schon Singles und Familien, die Interesse an einem ersten Projekt angemeldet haben?

Bislang hat die Genossenschaft noch keine Werbung gemacht. Trotzdem haben sich bereits etwa ein Dutzend an Interessenten gemeldet, die unbedingt eine Wohnung ergattern wollen. Wie hoch genau das Interesse ist, wird sich bei der ersten Infoveranstaltung zeigen. Wenn alles glatt läuft, lädt die Genossenschaft dazu vermutlich schon Mitte oder Ende Juni ein.
 

Patrick Ermert