Pfaffenhofen
Schlechte Karten für Logistiker

Viele Kommunen sehen Ansiedlung verkehrslastiger Firmen mittlerweile skeptisch

24.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:45 Uhr
Großer Flächenverbrauch, viel Verkehr: Logistiker, hier eine Halle der Firma Nagel in Schweitenkirchen, werden derzeit im Landkreis Pfaffenhofen sehr kontrovers diskutiert. −Foto: Archiv/Ermert

Pfaffenhofen (PK) Logistiker? Nein danke! So sehen das momentan viele Kommunen im Landkreis Pfaffenhofen. Sogar die Gemeinde Schweitenkirchen und der Markt Reichertshofen erteilen den Anfragen der Firmen-Giganten neuerdings eine klare Absage. Die Gründe klingen ähnlich wie die der Bürgerinitiative gegen Ilmendorf Nord: Verkehrszunahme und Flächenverbrauch stünden oft in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Am 17. März stimmen die Geisenfelder Bürger bekanntlich nach langem Hickhack selbst über das umstrittene Gewerbegebiet Ilmendorf-Nord ab. Im Vorfeld war es zu massivem Widerstand gekommen, die Bürgerinitiative sammelte über 1250 Unterschriften gegen das Vorhaben, bei dem sich ein großer Logistiker ansiedeln sollte. Die Bürger kritisieren, dass das Projekt nur wenige Arbeitsplätze und Gewerbesteuern einbringe, während gleichzeitig viel Fläche verbraucht werde und der Verkehr weiter ansteige.

Genau solche Gedanken machen sich zurzeit auch viele Gemeindechefs. Bei der Gemeinde Schweitenkirchen ist man gegenüber neuen Gewerbetreibenden eigentlich immer sehr aufgeschlossen gewesen. So ist Bürgermeister Albert Vogler bei der Haushaltsvorstellung regelmäßig stolz darauf, dass der Hebesatz seiner Gemeinde für die Gewerbesteuer mittlerweile seit 30 Jahren unverändert mit 300 auf niedrigem Niveau liegt. Die schuldenfreie Gemeinde profitiert natürlich mit sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen - heuer rechnet man beispielsweise mit 2,5 Millionen Euro. Nicht unwesentlich dürfte daran auch der große Lebensmittellogistiker Nagel beteiligt sein. Und immer mehr Riesen klopfen zurzeit bei der Gemeinde an, so Vogler: "Wir könnten auf einen Schlag sechs große Firmen hier ansiedeln." Allerdings wäre dann auch auf einen Schlag viel Fläche besetzt und viele zusätzliche Lkw auf den Straßen. Und das will die Gemeinde Schweitenkirchen vermeiden. "Deshalb lehnen wir das momentan ab", so Vogler. Erst, wenn die Verkehrslage wieder besser sei, wenn beispielsweise die Situation auf der Autobahn geklärt sei und der Kreisel an der Ausfahrt Pfaffenhofen gebaut sei, "dann können wir uns den nächsten Schritt überlegen". Die Ansiedlung des Logistik-Riesen Nagel bereue er jedoch "überhaupt nicht", so Vogler auf Anfrage. "Das sind sichere Arbeitsplätze für uns, unabhängig von der Autoindustrie - gegessen wird schließlich immer."

Auch in Reichertshofen, das verkehrstechnisch sehr günstige Flächen an der B300 sowie in unmittelbarer Nähe zur Autobahnausfahrt Langenbruck besitzt, tritt man nun auf die Bremse. "Vor fünf Jahren konnten wir uns noch ein Sondergebiet für Logistiker nahe der Autobahn vorstellen", so Bürgermeister Michael Franken (JWU). "Mittlerweile wollen wir an dieser Stelle keine reinen Logistiker mehr", so Franken. Der Nutzen - sprich Arbeitsplätze, Gewerbesteuer - stehe einfach in keinem Verhältnis zu Flächenverbrauch und negativen Auswirkungen auf den Verkehr.

Reichertshofen hat eigentlich gerade Logistiker angesiedelt. So feierte man im vergangenen Sommer den Spatenstich für das Logistikzentrum des Unternehmens Richter und Frenzel auf 95000 Quadratmeter Fläche. Und ein weiterer Logistiker entsteht im Gewerbegebiet nahe der B300: Die Firma SCA. Das seien aber alles Logistiker mit Mehrwert und Bezug zur Region, sagt Franken. Bei SCA arbeiteten künftig 150 Mitarbeiter, die zum Beispiel Produkte umverpacken.

"Generell ist dieses Gewerbegebiet nicht mit Geisenfeld zu vergleichen", so der Reichertshofener Bürgermeister. So sei keine neue Straße erforderlich gewesen, der Verkehr laufe direkt zur B300.

In Pfaffenhofen erteilte der Stadtrat erst im November dem Logistiker Nagel eine Absage, der gern auf 20000 Quadratmetern am Kuglhof gebaut hätte. Das heiße nun aber nicht, dass gar kein Logistiker mehr eine Chance habe, so Bürgermeister Thomas Herker (SPD): "In Pfaffenhofen gibt es keine generelle Absage an Logistiker, wir schauen uns jeden einzelnen genau an und wägen ab, ob die Wertschöpfung und der Nutzen in einem guten Verhältnis stehen." Dabei sei aber eines klar: "Es gibt im Landkreis durchaus einige Negativbeispiele mit großem Flächenverbrauch, in diese Richtung wollen wir nicht gehen."

Manche Gemeinden sind von jeher vorsichtiger. In Pörnbach ging beispielsweise lange Zeit so gut wie gar nichts, nun haben sich die ersten Firmen auf dem neuen Gewerbegebiet an der B13 angesiedelt - jedes einzelne quasi handsortiert vom vorsichtigen Gemeinderat. So lautet der Leitsatz von Pörnbachs Bürgermeister Helmut Bergwinkel (FUW): Wachstum auf keinen Fall um jeden Preis und immer maßvoll.

Ähnlich sieht das Amtskollege Reinhard Heinrich (CSU) in Reichertshausen. "Ich bedaure die Ansiedlung immer größerer Logistiker in der Region, die oft wenige Arbeitsplätze schaffen und bei denen es viele automatische Abläufe gibt." In Reichertshausen gebe es natürlich ohnehin keine großen Flächen, maximal 5000 bis 6000 Quadratmeter stünden bereit. "Uns geht es vor allem darum, unseren Mittelstand in der Gemeinde zu erhalten." Für das geplante Gewerbegebiet am Kammererberg gebe es beispielsweise genug Interessenten. Die Gemeinde habe sich für das Gebiet, das im Privatbesitz ist, über den Bebauungsplan vorsorglich die Einflussnahme gesichert, so der Gemeindechef. "Das ist unser Aushängeschild, da wollen wir möglichst Gewerbe mit so gut wie keinen Immissionen, die sich gut in das Ortsbild einfügen."

Ob sich das 25 Hektar große Gewerbegebiet Bruckbach mit dem gigantischen Verpackungshersteller Thimm in das Ortsbild einfügt, das wird von der Bevölkerung oft kontrovers diskutiert. Der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) jedenfalls betont: "Wir haben immer gesagt, dass wir dort keinen reinen Logistiker ansiedeln werden, solange es dort keine Autobahnausfahrt gibt." Gerade in den letzten Wochen habe es Anfragen von großen Firmen gegeben. "Aber die hätten flächenmäßig ganz Bruckbach gebraucht."

Das klare Nein für Logistiker in Bruckbach rühre jedoch nicht von den Erfahrungen mit dem Automobillogistiker ARS Altmann in Wolnzach. Immer wieder gibt es hier Beschwerden wegen des Lkw-Verkehrs. Trotzdem sagt Machold: "Das bereuen wir nicht." Klar, es gebe Tage, die seien schwierig, doch man müsse auch den langfristigen Nutzen sehen: "Wir haben hier ein riesiges Potenzial an Arbeitsplätzen, dazu kommt natürlich auch die Gewerbesteuer."
 

Desirée Brenner