Pfaffenhofen
Stadtrat sagt Logistiker ab

Gremium entscheidet sich gegen 20.000 Quadratmeter große Gewerbehalle am Kuglhof

20.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:01 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Der Pfaffenhofener Stadtrat hat ein zweites Ilmendorf verhindert: Das Gremium beschloss vergangene Woche in nicht öffentlicher Sitzung, den Weg für die Ansiedlung des Lebensmittellogisters Nagel Group im Gewerbegebiet am Kuglhof nicht freizumachen.

In Ilmendorf sehen sich die Bewohner zum "zum Deppen gemacht" und als "Ortsteil zweiter Klasse": Dort laufen die Bürger Sturm gegen das vom Geisenfelder Stadtrat beschlossene Gewerbegebiet Ilmendorf Nord. Ende Oktober votierte das Gremium dafür, den Bau einer 60.000 Quadratmeter großen Gewerbehalle mit mittiger Lastwagendurchfahrt auf den Weg zu bringen. Insgesamt soll das Gewerbegebiet nördlich der Bahnlinie um knapp 20 Hektar erweitert werden. Welches Unternehmen sich dort ansiedeln wird, ist noch nicht klar, der Projektentwickler sprach damals im Stadtrat davon, dass sich das Areal idealerweise für ein "Logistikzentrum eines großen Herstellers" anbiete.

In Pfaffenhofen wird es so weit zunächst nicht kommen. Projektentwickler Hans Baierl und Vertreter von Nagel haben vergangene Woche vom Stadtrat eine Absage erhalten. Die Pläne zeigen eine ähnliche Dimension wie in Ilmendorf. Dem Vernehmen nach sollten insgesamt über 50.000 Quadratmeter Boden versiegelt werden, die Halle selbst sollte mehr als 20.000 Quadratmeter haben. Geplant war außerdem eine mehr als 400 Meter lange und zehn Meter hohe Lärmschutzwand. 270 Lkw-Fahrten waren kalkuliert. Die Zahl von 120 Mitarbeitern und etwa 40.000 Euro Gewerbesteuer, die Pfaffenhofen offenbar maximal in Aussicht gestellt worden sind, lesen sich dagegen eher bescheiden.

"Die Kollegen waren vor Ort und haben das Projekt vorgestellt", sagt Nagel-Pressesprecher Nils Ortmann. Die Absage nimmt er sportlich. "Die Entscheidung werde ich nicht weiter kommentieren, wir werden prüfen, wie wir weitermachen."

Bürgermeister Thomas Herker (SPD) sah das Projekt skeptisch. "Nach der Präsentation des Projekts habe auch ich mich dagegen entschieden", sagt er. "Das ist ja eine Fläche, die schon seit mehreren Jahren der Nutzung harrt", erklärte er. "Wir hatten schon öfter Anfragen von Logistikern. Aber Wertschöpfung und Flächenverbrauch müssen sich die Waage halten." Auf dem Areal zwischen der Staatsstraße Richtung Schweitenkirchen, dem bisherigen Gewerbegebiet und der Nordfrost-Niederlassung gibt es zwar schon jetzt Baurecht, für das Logistikzentrum hätte der Stadtrat allerdings Änderungen beschließen müssen. Zwei Drittel des Stadtrats sprachen sich aber gegen das Projekt aus, dafür votierten dem Vernehmen nach neun Stadträte aus den Fraktionen der CSU und der Freien Wähler. "Ich bin froh, dass wir auf so breiter Basis beschlossen haben, ein solch monströses Vorhaben nicht weiterzuverfolgen", sagt Herker.

Herkers Parteifreund Markus Käser postete schon kurz nach der Entscheidung ein Plädoyer für eine nachhaltige Gewerbeentwicklung im Internet. "Es ist unsere Schicksalsfrage, ob es zukünftig gelingt, unser Wachstum und unseren Wohlstand neu zu definieren und nachhaltig zu wirtschaften", schrieb er auf Facebook. "Im Sinne unseres bisherigen Pfaffenhofener Weges und unserer Nachhaltigkeitsbemühungen sollten wir jetzt anfangen auch Gewerbegebiete nachhaltig zu entwickeln. Bei einem ökologisch nachhaltigeren Gewerbegebiet müssen Erschließungsträger über die formal gebotenen Aufgaben hinausgehen."

Der Fall Ilmendorf hatte nicht nur wegen des Widerstands aus dem Ortsteil selbst Aufmerkamkeit erregt. Auch vom Nachbarn Vohburg kommt Kritik. Bürgermeister Martin Schmid (SPD) bringt sogar eine Klage gegen die Pläne ins Spiel: "Hält die Stadt Geisenfeld an den Plänen fest, werden wir das Normenkontrollverfahren beantragen und gegen den Bebauungsplan klagen." Auch andere Vohburger Stadträte sind verärgert: "Es ist bodenlos, so etwas zu genehmigen. Mir fällt kein anderes Wort ein: Die Bevölkerung wird hier verarscht", sagte Sepp Steinberger, der wegen des Gewerbegebiets sogar aus der gemeinsamen Kreistagsfraktion mit den Unabhängigen Sozialen Bürgern des Geisenfelder Bürgermeisters Christian Staudter ausgetreten ist. Vom "endlosen Zupflastern" sprach Markus Schrödl. Die Natur- und Umweltzerstörung nannte Oliver Rechenauer (SPD) "absoluten Wahnsinn". Auch Xaver Dietz (CSU) nannte das Vorgehen "völlig inakzeptabel". Es wäre der richtige Schritt, eine Klage ins Auge zu fassen.
 

Kommentar

Jahrzehntelang galt in der Politik: Wer wiedergewählt werden will, kümmert sich um Arbeitsplätze, nimmt den Menschen die Angst vor sozialem Abstieg und gewinnt bei den Wahlen. Jetzt hat sich die Stimmung gedreht. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes steht in einer Boomregion wie dem Landkreis Pfaffenhofen bei den meisten Arbeitnehmern nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen denken die Leute über die hohen Mieten und steigende Energiekosten nach, aber auch über Dinge wie Umweltschutz und Flächenverbrauch. Und da ist es den Leuten einfach nicht mehr vermittelbar, Logistikhallen mit der Größe von mehreren Fußballfeldern in die Gegend zu klatschen, in denen nur ein paar Dutzend Leute arbeiten. Das spüren die Geisenfelder Stadträte wegen des beschlossenen Gewerbegebiets in Ilmendorf. Pfaffenhofen hat also mit der Absage an die Firma Nagel richtig entschieden. Unternehmen müssen bei ihren Ansiedlungsplänen den Umweltschutz viel stärker im Blick haben. Sonst werden ihnen die Lokalpolitiker bei allem Wohlwollen solche Projekte immer seltener genehmigen - weil die Wähler es so wollen.
Severin Straßer

Severin Straßer