Pfaffenhofen
Mit der Axt im Wald Jugendliche verfolgt?

41-jähriger Angeklagter bestreitet Vorwürfe und sieht sich selbst als Opfer

29.11.2018 | Stand 25.10.2023, 10:33 Uhr
Ein 41-Jähriger aus dem Landkreis Pfaffenhofen soll nach einer wüsten Schlägerei mit ungebetenen Party-Gästen deren Auto mit einer Axt demoliert haben. Jetzt hat die Auseinandersetzung im Wald ein Nachspiel vor dem Schöffengericht. −Foto: dpa

Pfaffenhofen (PK) Das Ende einer Party: Mit einer Axt soll ein 41-Jähriger nach einer wüsten Schlägerei mit ungebetenen Gästen deren Auto demoliert haben, in das sich die verschmähten Fetenbesucher verschanzt hatten. Erst ein Großaufgebot der Polizei mit Hunden und Maschinenpistolen im Anschlag beendete die vermeintliche Rambo-Aktion, die jetzt vor dem Schöffengericht aufgearbeitet wird.

Was sich vor jener Waldhütte im Landkreis am 2. April vergangenen Jahres nachts gegen eins tatsächlich zugetragen hat, darüber gehen die Schilderungen der beiden Konfliktparteien weit auseinander. Unbestritten sind folgende Fakten: Die Söhne des Angeklagten feierten in der Hütte Party, um Mitternacht fuhren neun Jugendliche vor, es gab eine Schlägerei, in deren Folge sich der Angeklagte einen Nasenbeinbruch und ein blaues Auge zuzog, und ein Auto wurde durch Hiebe demoliert (16800 Euro Schaden). Die Polizei nahm damals die Aussagen der Jugendlichen zu Protokoll, das Verfahren gegen sie wurde allerdings eingestellt.

Das wurmt Peter W. (alle Namen geändert), weil er jetzt allein auf der Anklagebank sitzt. Die Staatsanwältin Verena März wirft ihm Bedrohung, Misshandlung und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Ungerecht, sagt er, weil er es sei, der zusammengeschlagen wurde, die Täter aber nicht zu Rechenschaft gezogen worden sind. "Ich bin nicht zu denen, sondern die kamen zu uns!" Ja, wirkt ungerecht, gibt ihm Amtsgerichtsdirektor Konrad Kliegl Recht, aber wenn er damals vor der Polizei nichts gesagt und auch keine Atteste über seine Verletzungen vorgelegt habe, dann sei das die Konsequenz.

Deshalb will Peter W. jetzt argumentativ nacharbeiten. Die ganze Geschichte hätte ja eine Vorgeschichte. Anfang Januar hätten seine Söhne schon einmal in seiner Hütte Party gefeiert, eine Bekannte, die 18-Jährige Jenny F., hätte damals Freunde mitgebracht. Irgendwann gab's Zoff, einer der neu dazugekommenen Gäste habe dem Spezl seines Sohnes eine Bierflasche über den Kopf gezogen. Erst nach einer einstündigen Keilerei seien "die Gäste mit Migrationshintergrund", wie sie die Verteidigung nennt, mit Jenny abgezogen - unter der Drohung, wiederzukommen und die nächste "Naziparty in die Luft zu sprengen".

Am 2. April war es dann offenbar so weit: Fünf Jungs mit vier Freudinnen seien nachts vorgefahren, hätten unterhalb der Hütte geparkt und sich dann, so habe es ihm sein Sohn geschildert, vor dem Waldhaus aufgebaut, rumgepöbelt ("Nazipack") und mit Bierflaschen geworfen. Der Sohn rief per Handy seinen Vater um Hilfe. Peter W. ist kein Feigling: Er schwang sich umgehend in sein Auto. "Warum macht ihr so einen Stress", habe er die fünf jungen Männer angeherrscht, die sich ihm in den Weg stellten. "Ja, warum", habe ihm der erste patzig geantwortet und ihm dann die Faust ins Gesicht gerammt. Die Folge war eine Keilerei. Wie man sich die vorstellen müsse, fragt der Richter. Der kräftig gebaute Angeklagte steht auf und macht Schattenboxen. In jener Nacht allerdings hat ihm das nicht viel genutzt: Er sei zu Boden gegangen, habe beide Hände hinter den Kopf gehalten, weil ihn einer aus der Gruppe mit einem Baseballschläger attackierte, ein zumindest fragwürdiges Partymitbringsel, dann habe man auf ihn eingetreten, bis er ohnmächtig wurde. Als er wieder zu sich kam, hätte er gesehen, dass sich die Gruppe vom Acker machen wollte.

Peter W. gab sich nicht geschlagen. Weil er das Eintreffen der Polizei abwarten wollte, rappelte er sich auf mit gebrochenem Nasenbein, blauem Auge "und überall Blut" (Peter W. wischt sich mit der rechten Hand großflächig über die Brust), riss aus dem Boden einen Stock, an dem oben ein Pfeil aus Pappe mit der Aufschrift "Party" befestigt war und nahm damit die Verfolgung auf. Eine Axt, sagt Peter W., habe er niemals in der Hand gehabt. Mit seinem Auto stellte er sich dem Wagen der ungebeten Gäste in den Weg. Die Mädels waren derweil in die Dunkelheit des Waldes geflüchtet, die Jungs glaubten, im Auto sicher zu sein.

So weit die Schilderung des Angeklagten. Die Aussagen der "Gruppe mit Migrationshintergrund" widersprechen dem fundamental. Jenny sagt, sie sei durchaus eingeladen gewesen, also sie habe gefragt, ob sie kommen könne. Dass sie Freunde aus München und Landshut mitbringen würde, habe sie nicht erwähnt, aber das sei ja wohl auch kein Problem. Ahmed erklärt, er habe einfach so da gestanden, als Peter W. auf ihn zugestürmt sei und ihm die Faust ins Gesicht gesetzt hätte. Streit, Provokationen, Pöbeleien? Nö! Erol erklärt, dabeigestanden, aber nichts gesehen zu haben. Und eine Schlägerei habe es auch nicht gegeben. Wie er sich denn dann die gebrochene Nase des Angeklagten erkläre, will Kliegl wissen. Erol zuckt mit den Schultern. Tarik will genau gesehen haben, dass Peter W. Jenny festgehalten und eine Axt aus seinem Auto geholt habe. Beides gleichzeitig, fragt der Richter ungläubig? Und Murat hat erkannt, dass die Axt, mit der ihn der Angeklagte verfolgt habe, oben rot war. Obwohl es stockfinster war? Ja, er habe sein Handylicht eingeschaltet, sei stehen geblieben und habe Peter W. angeleuchtet. Aber dann hätte er doch mit seinem Verfolger zusammenstoßen müssen, staunt der Richter. Mehmet schließlich weiß gar nichts. Als sich sein Freund vom Angeklagten den Boxhieb abgeholt habe, hätte er sich umgedreht, in den Wald geschaut und gar nichts mehr mitbekommen.

Hinten im Zuschauerraum sitzen einige Eltern der Zeugen. Als Mehmet den Zeugenstand verlässt, lächelt ihm sein Vater zu und hebt den rechten Daumen. Die Belehrung des Richters, dass Falschaussagen mit Gefängnis geahndet werden können, hat ganz scheinbar bei einigen Zeugen wenig Eindruck hinterlassen, die in einer Verhandlungspause vor dem Sitzungssaal tuschelnd die Köpfe zusammengesteckt haben.

Die Verhandlung wird in zwei Wochen fortgesetzt. Dann muss sich Peter W. wegen eines weiteren Delikts verantworten. Die Polizei hat bei ihm ein Sturmgewehr, eine Maschinenpistole, Patronen, Springmesser und einen Schlagring sichergestellt. Alles legal im Internet erworben, sagt Peter W. Beim Anbieter ist gerade Schnäppchen-Aktion, wohl auch, weil die EU den Handel mit solchen Schusswaffen, auch wenn sie unbrauchbar gemacht worden sind, verbieten wird.

Albert Herchenbach