Pfaffenhofen
"Ich sehe mich nicht als CSU-Revoluzzer"

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr
„Setzt euch zusammen und findet die Zukunftsaufstellung für 2018“ – diesen Appell richtet der Landtagsabgeordnete und CSU-Kreisvorsitzende Karl Straub an die führenden Leute seiner Partei. −Foto: Kretzmann

Pfaffenhofen (PK) Der Pfaffenhofener Landtagsabgeordnete Karl Straub gehört zu den acht CSU-Kreisvorsitzenden aus Oberbayern, die in einem persönlichen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer ihre Sorge um die Partei äußerten und von ihm wissen wollten, wie die Zukunft der CSU aussehen soll. Inhaltlich und auch personell, versteht sich. Eine ungewöhnliche Aktion, die in der Partei längst nicht bei jedem gut ankam.


Herr Straub, laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend sind 62 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich Horst Seehofer nach Ende der Jamaika-Gespräche von seinen Ämtern zurückziehen soll. Sehen Sie das als Bestätigung ihrer persönlichen Haltung? Schließlich scheinen Sie sich vom strammen Seehofer-Anhänger, der stets bewundernd vom Ministerpräsidenten sprach, zum schwarzen Revoluzzer gewandelt zu haben.

Karl Straub: Meine Bewunderung für den Ministerpräsidenten hat nicht abgenommen. Ich respektiere seine Arbeit sehr, auch die, die er bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen leistet. Im Übrigen sehe ich mich überhaupt nicht als CSU-Revoluzzer. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich zu den Kreisvorsitzenden gehöre, die Horst Seehofer einen Brief geschrieben haben, der persönlich und vertraulich war, und dann doch in Teilen öffentlich wurde – was aber nicht von unserer Seite ausging. Wir Kreisvorsitzenden sahen es als unsere Pflicht an, dem Ministerpräsidenten mitzuteilen, was die Basis über ihn und die Partei denkt und was sie sich für die Zukunft vorstellt.
 

Warum haben Sie und Ihre Kollegen eigentlich diesen parteiintern doch ungewöhnlichen Weg der Kommunikation gewählt? Der Brief soll sehr höflich formuliert gewesen sein, wurde aber von Medien und auch Teilen Ihrer Parteifreunde als kaum verklausulierte Aufforderung an den Parteichef und Ministerpräsidenten interpretiert, den Weg für einen personellen Neuanfang bald frei zu machen.

Straub: Ich bin gefragt worden, ob ich mich an einem vertraulichen Brief beteiligen würde und habe mir das lange überlegt. Aber mir ist klar geworden, dass keine andere Möglichkeit besteht, weil es nach der Wahl wirklich keine Gesprächsrunde mehr gab, wo nicht stündlich, ja sogar minütlich Inhalte an die Öffentlichkeit durchgesteckt wurden. Der Respekt gegenüber dem Ministerpräsidenten gebietet es aber, dass man ihm vertraulich und höflich mitteilt, was man von der Basis zu hören bekommt. Und wir wollten von Horst Seehofer wissen, wie sich die Zukunft der CSU neu gestalten soll. Es ging uns nicht um eine Revolution, sondern ganz im Gegenteil um eine friedliche Zukunftsgestaltung, um friedliche Übergänge.
 

Aber Sie und Ihre Kollegen haben in dem Brief schon auch einen personellen Übergang, sprich einen Neuanfang mit anderer Besetzung angeregt?

Straub: Wir haben den Ministerpräsidenten gebeten, dass er uns aufzeigt, wie er auch in diesem Bereich die Zukunft sieht. Daran ist doch absolut nichts Ungewöhnliches. Auch wir acht Kreisvorsitzenden, die den Brief unterzeichnet haben, stärken Horst Seehofer bei den Jamaikasondierungen natürlich voll den Rücken, aber dann muss man schon ganz klar fragen, wie es denn nun weitergehen soll bei uns. Der Ministerpräsident hat doch selbst eine Personaldebatte für den Parteitag ausgerufen und das würde er kaum tun, wenn er keinen Bedarf dafür sehen würde. Wir sehen den Parteitag als Gestaltungsmöglichkeit sehr, sehr kritisch und wollten daher über unseren Brief schon vorher Perspektiven haben und erfahren, wie er sich das selbst jetzt vorstellt. Außerdem kann man eine Personaldebatte, wie sie bei uns ansteht, nicht einfach mal so stoppen. Ich kann zwar einem Feuer sagen, dass es aufhören soll zu brennen. Aber das funktioniert nicht. Und bei uns brennt halt derzeit ein ganz schönes Feuer.
 

Haben Sie denn eine Antwort von Horst Seehofer bekommen?

Straub: Nein, wir haben bis dato keine Reaktion vom Ministerpräsidenten.
 

Die oberbayerische Bezirksvorsitzende Ilse Aigner soll nicht amüsiert über den Brief aus den eigenen Reihen gewesen sein. War sie im Vorfeld informiert?

Straub: Ich habe der Bezirksvorsitzenden bei den Debatten nach der Wahl klar gesagt, was ich denke und angekündigt, dass ich mich direkt an den Parteivorsitzenden wenden würde. In welcher Form das sein würde, war damals noch nicht klar, den Brief selbst habe ich ihr nicht angekündigt.
 

Gab’s einen Anpfiff für den Kreisvorsitzenden Straub?

Straub: Es gab eine Diskussion, bei der ich Frau Aigner dargelegt habe, was uns zu dieser Form der Kommunikation bewogen hat.
 

Eine harte Diskussion?

Straub: Auch Streit gehört doch zur politischen Kultur.
 

Haben Sie sich eigentlich vor dieser Aktion mit dem Kreisverband abgestimmt?

Straub: Wir hatten eine Kreisvorstandssitzung und da wurde klar der Wunsch nach einer friedlichen, aber perspektivischen Lösung geäußert.
 

Also will der Kreisverband um seinen Vorsitzenden Karl Straub klar einen Neuanfang ohne Horst Seehofer?

Straub: Es gibt, wie auch Ihre Zeitung berichtet hat, verschiedene Denkmodelle, was die personelle Neuaufstellung betrifft. Dass ein Weiter-so in der Konstellation, die wir jetzt haben, wohl keine Option mehr ist, weiß auch der Ministerpräsident. Ich weiß nicht, wie es genau weiter geht, aber dass es verändert weiter geht, ist klar. Da gibt es von keiner Seite mehr eine Debatte. Die einen sprechen das klarer aus als andere und werden dafür an den Pranger gestellt, aber letztlich ist das doch gar keine Frage mehr. Es ist der ganz normale Lauf der Dinge, dass man eine Zeit lang an der Macht ist und dann nicht mehr. Das ist doch nichts Außergewöhnliches. Deswegen kann und sollte man trotzdem hohen Respekt für die Leistungen und die strategischen Fähigkeiten von Horst Seehofer haben, der für die CSU immer sehr, sehr wichtig bleiben wird.
 

Wer ist denn Ihrer persönlichen Meinung nach der Richtige, um die CSU in die Landtagswahl und in die Zukunft zu führen?

Straub: Da gibt es eine ganz klar gefühlte Option in der Bevölkerung und in den Medien.
 

Und die kommt aus Franken?

Straub: Ja.
 

Der Oberbayer Karl Straub ist also jetzt ein Söderianer?

Straub: Für meine persönliche Entscheidung ist klar, dass Oberbayern wegen seines Gewichts in der Partei auch künftig eine ganz starke Rolle spielen und auf entsprechenden Positionen vertreten sein muss. Aber während meiner vier Jahre als Abgeordneter habe ich von einem ausgezeichneten Finanzminister, der zufällig aus Franken stammt, hervorragende Dienstleistungen bekommen. Fragen ans Ministerium wurden blitzschnell beantwortet und er hat uns im Landkreis x-fach geholfen. Ich traue Markus Söder übrigens auch zu, den Parteivorsitz und auch das Ministerpräsidentenamt zu übernehmen, aber das ist nicht meine Entscheidung.
 

Aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten wird immer wieder mal der Verdacht laut, dass Attacken auf Horst Seehofer – und als solche könnte ja auch der Brief der acht Kreisvorsitzenden interpretiert werden – von Markus Söder und seinen Getreuen initiiert werden. Hat denn gar Minister Söder den acht Oberbayern den Brief diktiert?

Straub: Nein, er war weder informiert, noch hatte er sonst irgendwas mit unserem Schreiben zu tun.
 

Hat er denn schon angerufen und sich bedankt fürs Brieferlschreiben? Winkt unter einem neuen starken Mann an der CSU-Spitze vielleicht als Dankeschön für den Mittelständler Karl Straub ein attraktiver Posten, eventuell im Wirtschaftsministerium?

Straub (winkt ab): Nein, Markus Söder hat sich nicht gemeldet, er hält sich aus diesen Diskussionen voll heraus. Und ein Karriereangebot gibt es auch keines. Ich strebe auch absolut keine höheren Weihen an, das weiß jeder in der Fraktion. Ich kümmere mich lieber weiter um meinen Stimmkreis und um Themen, die ich wirklich beeinflussen kann, vom bezahlbaren Wohnraum bis zur anständigen Aufstellung der Ilmtalklinik.
 

Und wie soll es in der CSU jetzt konkret weitergehen?

Straub: Ich erwarte und hoffe, dass sich unsere starken Leute jetzt zusammensetzen und uns den Rucksack, den wir momentan herumtragen müssen, etwas leichter machen. Das können sie tun, in dem sie miteinander sprechen und gemeinsam eine Lösung für die CSU und Bayern und auch die Zukunftsaufstellung für 2018 finden. Wir erwarten ein Gespräch der Spitzenleute und Frieden. Wenn wir das nicht hinbekommen, kriegen wir das Vertrauen der Bevölkerung nicht und eine streitende Partei wird nicht gewählt.

Das Interview führte Robert Schmidl.