Schweitenkirchen
Güntersdorfer Traditionsbäckerei schließt

Familie Wiesbeck führt den Betrieb in dritter Generation - Doch die Zeiten haben sich geändert

04.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:17 Uhr
Das Sortiment hat sich geändert: Mittlerweile verkaufen die Wiesbecks im Dorfladen vor allem haltbare Ware wie Nudeln, Marmelade oder Kräuter. −Foto: Brenner

Güntersdorf (PK) Bald stehen die Öfen still: Am 28. Februar schließt die Bäckerei Wiesbeck im Schweitenkirchener Ortsteil Güntersdorf und damit auch der für die Nahversorgung so wichtige Dorfladen. Die Familie erklärt ihre Entscheidung mit der wachsenden Konkurrenz durch Supermärkte. Ihnen geht die Kraft aus, so die Wiesbecks. Deshalb werden sie das Familienunternehmen, das in dritter Generation geführt wird, aufgeben.

"Alles ist schwierig, bevor es einfach ist." Der Spruch steht zurzeit auf dem Spiegel hinter der Sitzecke im Dorfladen der Familie Wiesbeck in Güntersdorf. Alle paar Wochen sucht Petra Wiesbeck einen neuen Spruch heraus und schreibt ihn für ihre Kunden auf. Die Worte passen auch ganz gut zu den vergangenen Jahren des Familienbetriebs. Denn vieles war dort schwierig, aber die Wiesbecks fanden immer eine Lösung.

Als im Jahr 2000 der Supermarkt nicht mehr für ihren Laden liefern wollte - "weil wir zu wenig Umsatz machten" - holten sie die Ware eben selbst. Als die Einkaufsgewohnheiten der Kunden sich änderten, passten sie sich an. Denn die Zeiten, in dem selbstverständlich jeder Güntersdorfer seine Einkäufe im Dorfladen erledigte, sind vorbei. Die Menschen sind mobil, kaufen dort, wo es günstig ist: Im Supermarkt. Weil sie keine so hohen Stückzahlen verkaufen, können die Wiesbecks mit dieser Konkurrenz nicht mithalten. Zumal es in jedem Supermarkt einen Bäcker gebe, der meist bis 20 Uhr offen habe.

Die Kunden kommen oft nur noch in den Dorfladen, wenn sie zum Beispiel etwas vergessen haben oder für Randprodukte. So verschwand die Obst- und Gemüseecke. "Die Ware ist uns kaputt gegangen", so Petra Wiesbeck. Deshalb haben sie an der Stelle die Sitzecke eingeführt. "Doch das läuft auch nicht besonders." Denn obwohl der Laden nur rund zwei Kilometer von der Autobahn entfernt ist, gibt es keinen Durchgangsverkehr, so Wiesbeck, "außer es ist Stau und die Umleitung läuft über uns."

So schrumpfte das Warensortiment immer mehr: Gab es anfangs in Güntersdorf noch alles zu kaufen von Knöpfen und Strümpfen bis hin zu Obst und Gemüse, sind es mittlerweile eher die haltbaren Lebensmittel oder die typischen Notkäufe: "Das Toilettenpapier ist ein Klassiker", so Josef Wiesbeck, "und, so traurig es ist, auch das Katzenfutter läuft sehr gut" - ein ganzes Regal gibt es davon. Aber auch Konserven, Nudeln, Eier und natürlich frische Wurst von verschiedenen Metzgereien aus der Umgebung. Die beliefern die Wiesbecks nämlich mit einem Teil der rund 1500 frisch gebackenen Semmeln am Tag. Und kaufen dann gleich für ihre Kunden die Wurst.

Oder sie bringen die Semmeln in ihre Filiale in der Allershausener Ortsmitte, die ebenfalls schließen wird. Die Familie beschäftigt in ihrem Hauptsitz in Güntersdorf vier Vollzeit-Bäcker, eine Konditorin auf 450-Euro-Basis sowie zwei Teilzeit-Kräfte und eine 450-Euro-Kraft für den Laden. In Allershausen arbeiten fünf Teilzeitkräfte. Vier Mitarbeiter haben bereits einen neuen Job gefunden, zwei gehen in Rente, so Wiesbeck. "Ich zweifle nicht, dass wir alle einen Job finden werden", sagt er. Denn auch das Ehepaar wird weiter arbeiten, "für die Rente reicht es uns nicht".

Für beide ist die Aufgabe das Ergebnis jahrelanger Überlegungen. "Das Geschäft in Allershausen ist eigentlich gut", so Petra Wiesbeck. Die Backstube in Güntersdorf und der Dorfladen gehören ihnen, hier muss also keine Pacht bezahlt werden. "Doch uns geht die Kraft aus", so das Ehepaar. Denn die Bäckerei, die seit 1928 von der Familie Wiesbecks geführt wird, ist ein Job, für den beide vollen Einsatz bringen müssen: Sie kümmert sich um Abrechnungen, den Dorfladen oder hilft in der Bäckerei aus. Er macht Lieferungen und arbeitet in der Backstube. "70 Stunden in der Woche sind kein Problem", so Josef Wiesbeck. "Der Rest läuft unter Hobby."

Das Arbeitspensum ist nicht das einzige, was zur Entscheidung beitrug. "Wenn eines unserer Kinder das Unternehmen übernehmen würde, hätten wir es uns wahrscheinlich überlegt." Doch die haben andere Vorstellungen vom Leben, und kennen die Arbeitszeiten ihrer Eltern, weil sie oft selbst mithelfen im Laden und in der Backstube.

Trotzdem fällt es den Wiesbecks schwer, loszulassen. "Als ich damals von meinem Vater die Bäckerei übernommen habe, da wurde ich eigentlich gar nicht gefragt, es war vollkommen klar, dass ich das tun würde." Und natürlich fühle es sich jetzt irgendwie falsch an, einfach aufzuhören. "Außerdem haben wir wegen der Kunden ein schlechtes Gewissen", so Petra Wiesbeck. Denn es gibt sie natürlich, die Senioren, für die der Dorfladen wirklich noch die einzige Anlaufstelle ist. "Da gab es eine demente Frau, der wir immer die Einkäufe nach Hause gebracht haben", berichtet sie. Oder die Senioren, die kein Auto haben und ihr den Geldbeutel hinhalten beim Bezahlen, weil sie die Münzen so schlecht erkennen. "Wir tun das definitiv mit einem lachenden und einem weinenden Auge."

Natürlich werden sie den Geruch der frischen Semmeln im Haus vermissen. Und es wird ihnen wehtun, wenn sie zum letzten Mal einen Spruch auf den Spiegel über der Sitzecke schreiben. Sie werden sich gut überlegen, welchen sie verwenden. Schließlich wird es der letzte sein.

Desirée Brenner