Pfaffenhofen
Essen auf Rädern in Gefahr

Caritas zahlt bis zu 40.000 Euro im Jahr drauf - Kreisgeschäftsführerin will Fonds einrichten

14.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:24 Uhr
Essen auf Rädern: Pflegedienstleiterin Rita Nagy, Fahrerin Brigitte Wurm und Caritas-Kreisgeschäftsführerin Pia Tscherch mit einem der Lieferfahrzeuge. −Foto: Foto: Zurek

Pfaffenhofen (PK) Essen auf Rädern ist mehr als nur ein Lieferservice für die tägliche warme Mahlzeit. Für die Empfänger ist der Caritas-Dienst oft der einzige Sozialkontakt im Tagesablauf. Pia Tscherch will als Kreisgeschäftsführerin das stark defizitäre Angebot daher "unbedingt vor dem Aus retten". Wegen tiefroter Zahlen steht das Angebot bei der Caritas aber auf dem Prüfstand.

Aus Sicht seiner neuen Chefin zeichnet sich das Caritas-Zentrum Pfaffenhofen dadurch aus, dass es an mehreren "schwer refinanzierbaren Diensten festhält". Dazu zählt sie auch die Tätigkeit der Gemeindecaritas und die soziale Beratung. Anders als Essen auf Rädern sind deren Unkosten aber wenigstens teilweise über zweckgebundene Gelder aus der Caritas-Sammlung gedeckt.

Trotz eines jährlich fünfstelligen Minus von bis zu 40.000 Euro betont Tscherch: "Den Dienst komplett aufzugeben ist für mich keine Option", sei er doch "unverzichtbarer Bestandteil im Spektrum unserer Pflege-Angebote aus einer Hand". An ihrem früheren Wirkungsort Rosenheim hat sie wegen ähnlicher Probleme den Fonds "Notgroschen" - gespeist auf freiwilliger Basis von Kommunen und Vereinen - ins Leben gerufen.

Und einen solchen möchte sie nun auch im Landkreis initiieren. "Wir haben die Bürgermeister des Landkreises in den vergangenen Tagen diesbezüglich angeschrieben", lässt die Leiterin des Caritas-Zentrums wissen.

Betriebswirtschaftlich betrachtet hätte man das Angebot von Essen auf Rädern schon vor zwei Jahren einstellen müssen, so Tscherch. Es sei stark defizitär, obwohl man schon einige Sparmaßnahmen ergriffen hat - eine Tour wurde verkürzt, ein Auto verkauft und mit dem Altenheim als Zulieferer der Menüs über den Preis verhandelt. Über 90.000 jährlich gefahrene Kilometer bleiben angesichts steigender Benzinpreise allein schon eine finanzielle Herausforderung. "Gemäß unserem Motto ,Nah am Nächsten' wollen man aber eben niemanden abweisen, nur weil er abgelegen auf einem Dreiseithof wohnt und sich die Fahrt nicht rechnet." Wirtschaftlich schlagen auch der Anschaffungspreis für die Autos und deren Instandhaltung zu Buche, ebenso wie Personalkosten und Spezialverpackungen. Auf die Klienten, die 11,30 Euro für das Drei-Gänge-Menü inklusive Lieferung bezahlen, wolle man das nicht abwälzen.

Manche Menschen, die sie auf ihre Sorgen angesprochen hat, reagieren pragmatisch. "Sollen die alten Leute doch bei Lieferando bestellen, es gibt doch schon so Apps", hört Tscherch immer wieder. "Diese Tipps sind gut gemeint, gehen aber an der Lebenswirklichkeit der alten Menschen vorbei", betont sie. Denn diese können meist weder mit modernden Medien umgehen noch wäre das beschränkte Angebot von Pizza und Co. für sie gesund. "Ganz zu schweigen davon, dass diese Anbieter sicher niemandem die Pizza mundgerecht servieren".

Aktuell werden 97 Klienten von der Caritas mit Essen auf Rädern versorgt. Dabei fahren die zwölf Fahrer auf drei ausgewiesenen Touren im Landkreis "bis ins kleinste Dorf", wie Brigitte Wurm betont. Seit sechs Jahren ist sie als Fahrerin schon unterwegs - ihr "Revier" ist das zwischen Pfaffenhofen und Hohenwart. Es ist ihr wichtig zu betonen, dass das Team "bei jedem Wetter täglich liefert, auch an Wochenenden und an Feiertagen". Das allein unterscheide die Caritas schon von anderen Anbietern, die lediglich einmal pro Woche tiefgefrorene Kost in sieben Tagesportionen anliefern. "Wir hingegen bringen frisch gekochtes, warmes Essen", erklärt Wurm. Dass es mit speziellen, an die Autoelektrik angeschlossenen Warmhalteboxen transportiert werden kann, verdanke man Audi als Sponsor, lässt sie wissen. Weil gerade verwirrte ältere Menschen oft mit Mikrowelle oder Herd nicht mehr umgehen können, sei es sehr wichtig, verzehrfertige Mahlzeiten zu bringen, erklärt dazu Pflegedienstleiterin Rita Nagy, die seit 20 Jahren in der Ambulanten Pflege und Betreuung - früher Sozialstation genannt - arbeitet. Die aus Suppe, Hauptgericht und Nachtisch bestehenden Menüs seien "seniorengerecht und ernährungsphysiologisch ausgewogen", ergänzt sie. Zur Auswahl stehen immer auch zwei Diabetiker-Gerichte und ein püriertes Essen. Zubereitet werden sie im Altenheim der Paritätische Altenhilfe St. Franziskus Pfaffenhofen und im Seniorenzentrum Baar- Ebenhausen.

Doch ist es eben nicht die Versorgung mit Nahrung allein, die diesen sozialen Dienst ausmacht. "Wir sind oft der einzige Sozialkontakt im Lauf des Tages", erzählt die Fahrerin. Mancher der kranken oder pflegebedürftigen Senioren warte jeden Tag schon sehnsüchtig auf ihren Besuch. Nicht wenige könnten das Essen ohne Hilfe gar nicht zu sich nehmen. "Die einen haben nicht die Kraft, die Verpackung aufzureißen, bei anderen reicht die Motorik nicht mehr aus, um etwa Fleisch klein zu schneiden", so ihre Erfahrung. "Wir schneiden die Portionen bei Bedarf mundgerecht zu", betont Wurm. Dabei ist nicht nur der kleine Plausch nebenher von Bedeutung. "Wenn Angehörige noch arbeiten oder der alte Mensch ganz allein lebt, sind wir wenigsten einmal am Tag eine Art Kontroll-Instanz, ob alles in Ordnung ist", so Nagy. Schon mehrmals haben Brigitte Wurm und ihre Kolleginnen Klienten aus einer Notlage befreit, indem sie etwa einen Notarzt gerufen haben. "Unsere Fahrer sind für solche Fälle geschult und erreichen bei uns rund um die Uhr einen kompetenten Ansprechpartner", so Nagy. "Manchmal kommen wir aber auch zu spät", berichtet die Fahrerin, sichtlich von der Erinnerung betroffen. Zwei Mal schon hat sie einen Klienten tot aufgefunden.

Die Caritas hat für den sozialen Dienst ein Spendenkonto eingerichtet: DE2847260307 0014440017, Stichwort: Essen auf Rädern).

Maggie Zurek