Reichertshofen
"Direkt der Giftwolke ausgesetzt"

Reichertshofener prangert Einsatz von Herbiziden an - Fachbehörden: "Kein rechtswidriges oder gefährdendes Verhalten"

01.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:37 Uhr
  −Foto: Konze

Reichertshofen (PK) Er hat sich viel Mühe gemacht.

Michael Schaaf hat Plakate entworfen und aufgestellt, warnt vor den Gefahren, hat viele Stunden mit der Recherche im Internet verbracht, klärt auf, wo er nur kann und scheut auch vor konträren Diskussionen nicht zurück. Der Reichertshofener, am Schafberg zu Hause, prangert den Einsatz eines Herbizides an, das vor allem auf den Wirkstoff Metribuzin baut. Auch, weil es in seinen Augen zu nah an der Wohnbebauung, zu nah an einem Wasserschutzgebiet und zu nah an einem Kinderspielplatz eingesetzt wird.

"Ich möchte bestehende - und offensichtlich völlig wirkungslose - Umweltgesetze ändern und Ackergifte wie Glyphosat und Metribuzin verbieten lassen", sagt Schaaf. So verwundert seine Aussage nicht, dass er im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl für die Grünen in den Gemeinderat einziehen will will. Daher hat Schaaf ein Plakat, das er zwischen seinem Grundstück und dem angrenzenden Feld aufgestellt hatte, auf Geheiß der Gemeinde entfernt. "Ich muss ja zeigen, dass ich mich selbst an Gesetze und Wünsche der Gemeinde halte", sagt er. Und verweist darauf, dass vor seinem Haus das Plakat noch steht. Offenbar legal.

Der Reichertshofener, Diplomphysiker und selbstständiger Berater für Funktionale Sicherheit, liebt die Natur. In seinem Garten wuselt und summt, zwitschert und brummt es überall. Insekten und Vögel fühlen sich hier wohl. Da stört natürlich, dass auf dem Feld, das nur durch einen geschotterten Weg von seinem Grundstück getrennt liegt, besagte Herbizide gespritzt werden. "Heuer hat der Landwirt mindestens zweimal - von meiner Tochter und von mir beobachtet - das Mittel Sencor auf den angrenzenden Kartoffelacker gespritzt. " Schaaf hat beobachtet, dass der Landwirt, mit dem er gesprochen hat und der ihm den Namen des Mittels verraten hat (Sencor), "mit dem Sprühwerkzeug bis über die äußerste Ackerfurche" fährt. Das blaue Hinweisschild auf das Wasserschutzgebiet wirke "eigentlich wie Hohn und Spott". Dabei seien 20 Meter Abstand beim Spritzen dieses Mittels Vorschrift.

Schaaf malt ein düsteres Szenario: "An einem Samstag hat der Landwirt um 11 Uhr gespritzt. Es war schön, die Leute waren im Garten, meine Nachbarn haben auf der Terrasse gegessen. Es ist rücksichtlos, an so einem Tag um diese Uhrzeit zu spritzen. So wird der maximale Schaden für die Anwohner bewirkt, weil sie direkt der Giftwolke ausgesetzt sind. "

Da die Mittel nach wie vor zugelassen sind in Deutschland, formuliert Schaaf spitz: "Der Einfluss des Bauernverbands auf die Bundesrepublik scheint grenzenlos zu sein. " Und: "Im Agrarausschuss des Bundestags wurde entschieden, dass Ackergifte zugelassen werden, obwohl sie gefährlich sind, Bienen töten und Menschen krank machen. "

Schaaf hat sich sein Wissen über diese Thematik angeeignet. "Ich bin in den vergangenen zwölf Monate in Bezug auf Klima- und Umweltschutz ein anderer Menschen geworden", sagt er. Und er warnt: "Das Artensterben habe ich als Sekundenzeiger auf dem Schirm. Weil der schneller läuft als der Minuten- oder gar Stundenzeiger. " Wer auf das benachbarte Feld blickt, sieht wirklich nur Kartoffelpflanzen. Mohn oder Kornblumen tauchen erst wieder auf, wenn man Richtung Schafberg läuft, wo auch Wildbienen leben und viele verschiedene Pflanzen wachsen dürfen.

Ernst Müller vom Vohburger Lagerhaus klärt in Bezug auf den Einsatz der Mittel auf: "Die Produkte und der darin enthaltene Wirkstoff haben eine Zulassung - für Kartoffel und Spargel. " Dass Sencor und Metribuzin teilweise das Wachstum von Pflanzen oder auch Tieren verhindert, will er nicht leugnen. Zum Beispiel wird indirekt die Spargelfliege mit dem Mittel bekämpft. Denn wenn Blühpflanzen wie Mohn oder Kornblume wachsen, darf der Landwirt das Mittel nicht mehr einsetzen. Weil Insekten dann Schaden nehmen würden. Müller erklärt auch, dass für das Einhalten der Auflagen der Landwirt verantwortlich sei: Es gibt diesen erwähnten Abstand von 20 Metern. Aber: "Es ist genau definiert: Je nach Düse, mit der das Mittel gespritzt wird, kann der Abstand auch nur fünf Meter betragen. "

Schaaf hat einen Landwirt beobachtet, der gespritzt und dabei ein abgedecktes Spargelfeld besprüht hat: "Das wurde wenige Stunden später von rumänischen Landarbeitern abgeerntet. " Laut Schaaf soll auf einem Feld erst 48 Stunden nach dem Ausbringen des Mittels wieder gearbeitet werden. "Wie kann ich Menschen in Gefahr bringen, die nichts ahnend diese Folien mit bloßen Händen anfassen? "

Der Reichertshofener sagt, Untersuchungen besagten, dass sich beim Spritzen "die Giftwolken über Kilometer hinweg verteilen und die Landschaft großflächig vergiften". Müller sieht ein Ende der derzeitigen Mittel: "Selektivmitteln gehört die Zukunft. Sie werden die Mittel mit langer Lebensdauer und solche, die nach dem Spritzen Tabula rasa mit allem machen, was kreucht und fleucht, definitiv verdrängen. "

Die Gemeinde Reichertshofen hatte das Plakat verboten, weil es laut Bürgermeister Michael Franken "rechtswidrig, also ohne Genehmigung auf gemeindlichem Grund" stand. Das Thema an sich ließ die Verwaltung nicht kalt: "Wir haben die schweren Verdächtigungen von Herrn Dr. Schaaf gegen die beiden Landwirte sehr ernst genommen und sofort zuständige Behörden, wie das Landratsamt mit Gesundheitsamt, Wasserrecht, Veterinäramt, Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten beteiligt", erklärt der Rathauschef. "Von diesen Behörden wurden noch das Wasserwirtschafts- und das Gewerbeaufsichtsamt mit eingeschaltet. Keine der Fachbehörden konnte ein rechtswidriges oder gefährdendes Verhalten der beiden Landwirte feststellen, so dass wir von einer verantwortungsvollen und korrekten Bewirtschaftung der Flächen im Wasserschutzgebiet durch die Landwirte ausgehen können. " Beide Landwirte seien laut Franken als "zuverlässige und fachkundige regionale Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten" bekannt.