Pfaffenhofen
Der Öko-Pionier Claus Hipp wird 80

Jubilar verrät seine Erfolgsrezepte

19.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Runder Geburtstag: Der Unternehmer Claus Hipp wird am Montag 80. −Foto: Willy Hailer

Pfaffenhofen (DK) "Dafür stehe ich mit meinem Namen": Claus Hipp, der Vorzeigeunternehmer der Ökobranche schlechthin, feiert am Montag 80. Geburtstag. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät der Pfaffenhofener Erfolgsrezepte, vergleicht seine heutige Rolle in der Firma mit der eines Austragsbauern und zeigt sich trotz aller globalen Probleme als Optimist, der weiter dafür kämpft, dass sich die Welt positiv entwickelt.

Herr Hipp, Sie hatten in den vergangenen Jahren mit gesundheitlichen Probleme zu kämpfen. Hat die Erkrankung Ihr Leben verändert?

Claus Hipp: Vor einiger Zeit hatte ich eine Borreliose-Infektion, die anfangs nicht als solche erkannt wurde, weil ich nicht von einer Zecke gebissen worden war. Damals wusste ich noch nicht, dass die Erreger auch von anderen Insekten auf den Menschen übertragen werden können. Und deshalb habe ich eine entzündete Einstichstelle am Knie nicht weiter beachtet und auch nicht sofort Antibiotika genommen, was den Ausbruch der Erkrankung vielleicht hätte verhindern können. Irgendwann sind dann die ersten Symptome aufgetreten. Ich konnte mich nicht mehr richtig bewegen, war körperlich so geschwächt, dass ich zeitweilig auf den Rollstuhl angewiesen war. Da sieht die Welt dann plötzlich ganz anders aus. Zum Glück geht es mir heute wieder wesentlich besser, ich komme im Alltag selbstständig zurecht, war auch schon wieder mit dem Fahrrad unterwegs und bin auf meinem Pferd geritten. Skifahren habe ich im Frühjahr auch nochmal probiert, aber das geht nicht mehr so gut. Damit kann ich leben. Wichtig ist, dass der Kopf in Ordnung ist. Lieber langsamer gehen und schneller denken.

Ist Ihr Terminkalender nicht mehr ganz so voll wie früher und wie sieht ihr üblicher Tagesablauf aus?

Hipp: Mein Terminkalender ist nach wie vor ziemlich voll. Generell bin ich Frühaufsteher, denn was ich morgens schon erledigt habe, ist geschenkte Zeit für den übrigen Tag. Manchmal stehe ich schon um halb fünf Uhr auf, wenn's am Abend vorher später geworden ist, schlafe ich auch schon mal bis 7 Uhr. Normalerweise bin ich fast jeden Tag im Büro in Pfaffenhofen oder in München.

In welcher Weise wirken Sie noch an den Entscheidungen im Unternehmen mit?

Hipp: Zwar bin ich nach wie vor geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, bin über alle wichtigen Entscheidungen informiert, werde auch noch gefragt, aber im Tagesgeschäft steht vor allem mein ältester Sohn Stefan an meiner Stelle in der Unternehmensführung. Das lässt sich vielleicht vergleichen mit dem Austragsbauer, der noch in der Landwirtschaft mithilft. Die Belastungen, die mein Sohn zu bewältigen hat, wären mir heute zu viel. Alleine schon die zahlreichen langen Reisen nach China, das für unser Unternehmen ein zunehmend wichtigerer Markt ist. Auch in der Außendarstellung und in der Werbung des Unternehmens hat mein Sohn meinen Platz eingenommen. Was auch ganz normal ist, weil wir für Produkte, die vorwiegend jüngere Menschen ansprechen, auch jüngere Gesichter brauchen.

Sind Sie noch als Professor in Georgien tätig, welche Ehrenämter üben Sie noch aus und wieviel Zeit widmen Sie noch der künstlerischen Arbeit?

Hipp: Meine Tätigkeit als Professor an der Universität, der TU und der Kunstakademie in Tiflis übe ich nach wie vor aus. Mehrmals im Jahr bin ich für einige Tage in Georgien, um Vorlesungen in Wirtschaftswissenschaften, Design und Malerei zu halten. Außerdem vertrete ich die Republik Georgien als Honorarkonsul in Bayern, Baden Württemberg und Thüringen. Im Münchner Literaturhaus gibt es dieser Tage ein Treffen mit georgischen Autoren, die anlässlich der Frankfurter Buchmesse nach Deutschland gekommen sind. Ein paarmal in der Woche gehe ich auch noch in mein Atelier, um zu malen. Aktuell habe ich einen Entwurf für ein Buntglasfenster für die Kapelle des Pfaffenhofener Altenheimes St. Franziskus gemalt, das in der Werkstatt Gustav Van Treeck in München gefertigt wird.

Vor wenigen Tagen haben Sie für Ihr Lebenswerk den Deutschen CSR Preis erhalten, mit dem das nachhaltige Wirtschaften von Unternehmen unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten gewürdigt wird. Dazu kommen zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen in den vergangenen Jahrzehnten - vom Bundesverdienstkreuz und der Bayerischen Verfassungsmedaille über die Ehrenbürgerwürde der Stadt Pfaffenhofen bis zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Welche Auszeichnungen bedeuten Ihnen besonders viel?

Hipp: Über jede Auszeichnung freue ich mich, ob es nun die Ehrenbürgertitel meiner Heimatstadt Pfaffenhofen und der georgischen Hauptstadt Tiflis sind oder zuletzt der Deutsche CSR Preis. Eine Rangfolge kann ich aber nicht festlegen. Und ich erinnere mich immer noch gerne an meinen ersten Preis, den ich im Jahr 1960 als Bayerischer Hochschulmeister im Reiten gewonnen habe.

Sie haben nach dem plötzlichen Tod Ihres Vaters vor 50 Jahren den Familienbetrieb mit damals noch 700 Mitarbeitern übernommen und zu einem internationalen Vorzeigeunternehmen der Ökobranche mit heute 3500 Beschäftigten entwickelt. Worauf sind Sie in der Rückschau besonders stolz?

Hipp: Stolz ist das falsche Wort. Ich bin ehrlich dankbar, dass sich die Firma so gut entwickelt hat, weil ich auch immer die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an meiner Seite hatte. Als Einzelner kann man wenig erreichen, es ist immer die Gesamtleistung, die zum Erfolg führt.

Was waren die Erfolgsrezepte und gibt es Entscheidungen, die Sie heute vielleicht anders treffen würden?

Hipp: Eine unserer wichtigsten Entscheidungen war sicherlich, ganz auf den biologischen Landbau für Babynahrung zu setzen. Eigentlich gibt es ein ganz einfaches Erfolgsrezept, das schon mein Großvater vor über 100 Jahren als Handwerksmeister in der Konditorei am Pfaffenhofener Hauptplatz beachtet hat: Immer beste Qualität zu einem erschwinglichen Preis zu bieten. Das gilt auch heute noch. Auch die personenbezogene Werbung mit dem Slogan "Dafür stehe ich mit meinem Namen" war sicherlich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den Großkonzernen, die ihr Spitzenpersonal schneller wechseln. Damals habe ich mich aber nicht darum gerissen, mit meinem Gesicht in der Werbung zu erscheinen, das war die Idee unserer Agentur. Natürlich gibt es in einem Unternehmen auch immer wieder Entscheidungen, die rückblickend betrachtet, vielleicht hätten anders getroffen werden sollen. Aber die werden dann schnell angepasst, sobald die bessere Erkenntnis kommt.

In Büchern und Vorträgen haben Sie die Verantwortung der Wirtschaft für das Allgemeinwohl betont. Seit 1999 gibt es die Hipp-Ethik-Charta als moralischen Wegweiser für einen fairen Wettbewerb und zum vertrauensvollen Umgang mit Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern. Welche konkreten Maßnahmen der Wirtschaft zugunsten des Allgemeinwohls halten Sie aktuell für besonders wichtig?
Hipp: Die Wirtschaft sollte vor allem dort Verantwortung übernehmen, wo der Staat an Grenzen stößt. Zum Beispiel bin ich Schirmherr der Münchener Tafel, die jede Woche Lebensmittel im Wert von 100000 Euro einsammelt und an Bedürftige verteilt. Die Mittel könnte die Stadt München aus ihrem Haushalt nicht aufbringen und ist froh, hier Hilfe auf freiwilliger Basis zu bekommen.

Ein großes gesellschaftliches Problem ist derzeit der Mangel an Sozialwohnungen. Könnten Sie sich vorstellen, dass die Firma Hipp oder auch andere Unternehmen künftig Wohnungen für ihre Mitarbeiter bauen, wie Ihr Vater dies in den 1950er Jahren mit der Hippsiedlung an der Moosburger Straße getan hat?

Hipp: Das halte ich durchaus für überlegenswert. Mein Vater hat schon Wohnungen für seine Mitarbeiter bauen lassen, während unsere siebenköpfige Familie selber noch sehr beengt in einem älteren Haus am Gabis wohnte. Auch eine Flüchtlingsmutter war mit ihrer Tochter noch bei uns untergebracht. Der Enkelsohn wurde später unser Produktionsdirektor. Gerade in der heutigen Zeit, in der es immer schwieriger wird, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, könnte die Bereitstellung von Wohnraum für Betriebsangehörigen ein sinnvolles Instrument sein, Personal zu gewinnen und langfristig an den Betrieb zu binden.

Kurz nach der bayerischen Landtagswahl ist die Frage unvermeidlich: Haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet und wie bewerten Sie es?
Hipp: Zunächst einmal stimmt es mich positiv, dass die Rechtsradikalen nicht so stark geworden sind, wie zu befürchten war. Alle, die das Dritte Reich noch bewusst erlebt haben, sind allergisch, wenn solche Tendenzen, wie sie auch aus Teilen der AfD kommen, wieder aufleben. Die sich abzeichnende bürgerliche Koalition der CSU mit den Freien Wähler kann für Bayern eine gute Lösung sein. Auch die Grünen kämen als Koalitionspartner in Frage, da sie mit der Bewahrung der Schöpfung eine durchaus konservative Grundausrichtung haben. Allerdings vertreten sie in anderen Themenbereichen Ansichten, die mit meinen nicht unbedingt übereinstimmen.

Wie beurteilen Sie die weitere politische Entwicklung in Deutschland? Stichwort Niedergang der Volksparteien, Erstarken populistischer und nationalistischer Kräfte.
Hipp: Wir alle haben die Verpflichtung, uns für ein friedliches Zusammenleben zu engagieren. Das fängt im Kleinen an. Wenn sich jeder bemüht, mit seinem Gegenüber menschlich umzugehen, dann geht es uns allen besser. Was die Politik betrifft, so fände ich es gut, wenn das Parlament verkleinert würde und weniger politische Kontroversen in der Öffentlichkeit ausgetragen würden. Das Tagesgeschäft sollte mehr auf die wirklichen Fachleute in den Ministerien verlagert werden. In Deutschland haben wir einen hervorragenden Beamtenapparat, der diese Arbeit bestens bewältigen könnte. Die Abgeordneten sollten sich nur noch ein paar Mal im Jahr treffen, um die wirklich wichtigen Themen zu entscheiden und nicht monatelange Kontroversen führen, die scheinbar nichts bringen und nur Zeit kosten. Auch wäre ich dafür, dass wir in Bayern wieder den 1999 abgeschafften Senat als beratendes Experten-Gremium und auch mahnende Stimme neben dem Landtag wieder etablieren. Er wurde vor allem aus Kostengründen abgeschafft. Diesem Argument könnte damit begegnen werden, dass sich die Experten ehrenamtlich engagieren. Ich glaube, jede gesellschaftliche Gruppierung vom BBV bis zu den Sozialverbänden könnte ein paar Ehrenamtliche für diese Aufgabe abstellen.

Wie sehen Sie angesichts der globalen Probleme mit Umweltzerstörung und Klimawandel die Zukunft unseres Planeten? Glauben Sie, dass es den Menschen gelingt, die Welt Schritt für Schritt ein Stück besser zu machen oder machen Sie sich ernste Sorgen um die Zukunft Ihrer Kinder und Enkelkinder?
Hipp: Ich bleibe Optimist, weil ich weiß, dass letztlich nur Optimisten Erfolg haben. Und ich werde weiter mit meinen Mitteln dafür kämpfen, dass sich die Welt positiv entwickelt. Große Hoffnungen setze ich auch auf die jüngere Generation, die für die wichtigen globalen Probleme wesentlich mehr sensibilisiert ist, als wir es in unserer Jugend waren. In der Landwirtschaft müssen natürliche und artgerechte Erzeugung und Haltung bei Pflanzen und Tieren wieder in den Vordergrund rücken. Bei den Verbrauchern wächst die Bereitschaft, den Bauern auch höhere Preise für ihre Produkte aus ökologischer Erzeugung zu bezahlen. Den chemischen Pflanzenschutz sehe ich als große Gefahr. Im Laufe meines Lebens habe ich viele Pflanzengifte erlebt, von denen es hieß, sie seien völlig unbedenklich. 20 Jahre später sind die roten Lichter angegangen, wenn immer noch Spuren von Atrazin oder DDT gefunden wurden. Auf unserem Ehrens-berger Biobauernhof haben wir einen Musterbetrieb für biologische Vielfalt eingerichtet. Hier erproben wir gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Weihenstephan oder der Uni Hannover und Naturschützern, wie der Schutz der biologischen Vielfalt mit praktischen Methoden erhöht werden kann. Die Ergebnisse geben wir dann an unsere Lieferanten weiter. Jeder kann mit einfachen Maßnahmen seinen Beitrag für ein intaktes Ökosystem leisten. Insektenhotels, Nistkästen, Blühwiesen oder Totholz, das schafft alles neue Lebensräume für die verschiedensten Tierarten. Wir müssen uns heute um den Schutz der biologischen Vielfalt kümmern - bevor es zu spät ist.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre? Gibt es den einen oder anderen Traum, den Sie noch verwirklichen möchten?
Hipp: Es gibt einige Träume, die ich mal hatte, und die mich bis heute begleiten. Ich wollte immer schon gerne auf Berge steigen, aber daraus wird jetzt wohl nichts mehr. Da muss man halt Abschied nehmen von manchen Träumen und sich an den Dingen freuen, die einem noch möglich sind. Was ich mache, tue ich gerne, und wenn es mir gelingt, manches noch besser zu machen, bin ich zufrieden. Ich wünsche mir, noch viele Menschen für mein Gedankengut neu begeistern zu können. Und vielleicht gelingt es mir auch, noch ein paar gute Bilder zu malen.

Und wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag feiern?

Hipp: An meinem Geburtstag werde ich mit Freunden und Verwandten eine Messe in Herrnrast feiern, anschließend gehen wir gemeinsam frühstücken. In der Firma treffe ich mich später mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Mittagessen und am Abend lassen wir den Tag im Familienkreis ausklingen. Am nächsten Tag feiere ich meinen Geburtstag dann nochmal mit allen ehrenamtlichen Mitarbeitern und Sponsoren der Münchener Tafel im Hofbräukeller.

Die Fragen stellte Willy Hailer.