Scheyern
Der Nikolaus wohnt in Scheyern

Erich Gruber schlüpft seit 55 Jahren in die Rolle des heiligen Mannes - An den Krampus glaubt er nicht

05.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:18 Uhr
Er ist der echte Nikolaus: Viele Kinder, die Erich Gruber rund um den 6. Dezember besucht, glauben fest, dass nur er der wahre Nikolaus ist. −Foto: Lodermeyer

Scheyern (PK) Seit 55 Jahren schlüpft Erich Gruber in die Rolle des heiligen Nikolaus. Auch an diesem Donnerstag wird er wieder unterwegs sein, und zum Beispiel in den Gerolsbacher Kindergärten vorbei schauen. Für den ehemaligen Lehrer und langjährigen PK-Mitarbeiter ist dieses Hobby eine Herzensangelegenheit.

In vollem Ornat tritt Erich Gruber vor seine Haustür: goldene Mitra, ein echter Rauchmantel, das feuerrote Buch mit den Hinweisen der Engel und natürlich der Bischofsstab und ein wallender, weißer Bart. Gegenüber ist gerade die Schule aus, ein paar Kinder laufen freudig nach Hause. Ein Bub entdeckt den Heiligen im Garten gegenüber, blickt ihn mit großen Augen an. "Hallo...?", grüßt er ein wenig fragend. Sein Papa ein paar Schritte hinter ihm grinst. Erich Gruber grüßt zurück.

Seit 55 Jahren geht er im Dezember als Nikolaus durch Scheyern, Pfaffenhofen und andere Orte. Auch heuer ist er wieder unterwegs. "Die Kinder glauben sehr lange an den Nikolaus", erzählt der Scheyrer. "Manche erzählen mir dann, dass ja in der Schule oder im Kindergarten auch schon der Nikolaus da war. Aber sie sagen dann gleich: ,Das war nicht der Echte - Du bist der Echte!'" Dabei hat Gruber eigentlich nie erzählt, dass er der Nikolaus ist. "Ich sage nie, dass ich der Echte bin", berichtet Gruber. Er zieht sich zwar eigentlich schon ein wenig versteckt um, damit die Kinder ihn nicht unbedingt in zivil sehen. "Aber wenn es jemand mitkriegt, dann schadet es auch nichts."
Mit viel Liebe zum Detail haben Erich Gruber und seine Frau Magdalena die Aufmachung über die Jahre perfektioniert. Den Rauchmantel hatte eine Kirche ausgemustert, Gruber packte diese Gelegenheit beim Schopf. "Der war eigentlich ziemlich kaputt, aber meine Frau hat den wieder hergerichtet." Die Albe ist selbstgenäht. Den Bischofsstab hat seine Frau mit vielen kleinen Glitzersteinen und Gold dekoriert, bis er ein echtes Schmuckstück wurde. Gut, das Buch im roten Einband ist eigentlich nur ein normales Buch. "Es ist schon ein Buch, das mit der Kirche zu tun hat", sagt Gruber und blättert in den Seiten mit Schwarz-Weiß-Fotos verstorbener Päpste. Auf der vordersten Seite zwickt Gruber allerdings immer die Zettel ein, auf denen die guten Taten und die Fehltritte der Kinder stehen. "Ich kriege von den Eltern immer einen Zettel mit den Dingen, die man loben oder die man besser machen soll", erzählt Gruber. "Die Kinder wundern sich dann immer, woher ich das alles weiß - ich sag ihnen, das haben die Engel mir verraten."
Seit 1963 schlüpft Gruber in die Rolle des Heiligen. "Das hat mir meine heutige Frau - damals noch meine Verlobte - eingebrockt", erinnert er sich mit einem Lachen. "Ich sollte das bei ihrer Verwandtschaft machen. Da habe ich mich wohl nicht ganz blöd angestellt und sollte es im Jahr darauf wieder machen. So ist es immer mehr geworden." Seit 1969 lebt Familie Gruber nun in Scheyern, sein Hobby hat Erich Gruber da kurzerhand mitgebracht. Auch bei vielen hiesigen Vereinen, Kindergärten und Familien ist er seitdem zu Besuch gewesen.

"Es gibt nichts Schöneres als strahlende Kinderaugen", sagt Gruber. Daher ist für ihn die Figur des Nikolaus auch eine gute - ohne einen grantigen Partner. "Ich bin immer ohne Krampus unterwegs, den gibt es für mich nicht", stellt der Scheyrer klar. "Der Nikolaus lobt gute Taten und fordert auf, die Fehler abzustellen. Aber ich schimpfe nicht, sonst bekommen die Kinder Angst." Natürlich gebe es manche Kinder, die sich vor dem Nikolaus fürchten, weil die Eltern ihnen es so eingebläut haben. "Aber diese Kinder machen danach nichts besser. Mit Schimpfen kann man kaum etwas erreichen. Ich gehe einfach her und sage zu dem Kind: ,Du brauchst doch den Schnuller gar nicht mehr.' Und die Kinder bringen mir dann gern ihre zwei, drei Schnuller." Für den pensionierten Lehrer ist klar: "Der Krampus ist ein Kinderschreck. Der Nikolaus aber ist ein Kinderfreund."
Dabei hat Gruber in den vergangenen Jahrzehnten viele unterschiedliche Familien besucht. "Manchmal muss man schauen, dass man nicht überzieht, auch wenn es gerade sehr schön ist. Es gibt aber auch Auftritte, bei denen man froh ist, wenn man wieder weiter kommt: Da wollen die Kinder nur die Geschenke und rechnen schon um, wie viel das alles wohl wert ist", sagt Gruber. "Ich weiß ja nicht, was die dann noch an Weihnachten kriegen." Und manchmal, da erfährt der Nikolaus auch einige Dinge aus der Familie, die den Eltern unangenehm sind. "Die Kinder reden mit mir offen und ehrlich - und erzählen zum Beispiel, dass die Eltern schreien oder der Papa auch mal nicht nüchtern ist." Solche Dinge von Kindern zu hören, schmerzt den Scheyrer dann auch selbst. "Aber die Kinder erzählen das - auch weil es eine Verschwiegenheitspflicht des Nikolaus gibt." Trotzdem ist für Gruber klar: "Es gibt nichts Schöneres als strahlende Kinderaugen."

Wobei ihm auch seine Auftritte im Seniorenheim sehr nahe gegangen sind. "Es ist erschütternd, wenn man sieht, wie schlecht es manchen Leuten geht", berichtet Gruber. "Die alten Leute haben sich gefreut wie die Kinder, wenn der Nikolaus kommt."

In den vergangenen Jahren war der Scheyrer teils bei vier oder fünf Familien am Tag und eine Woche lang unterwegs; tagsüber außerdem noch bei Kindergärten und manchmal auch im Seniorenheim. Heuer lässt Gruber es aus gesundheitlichen Gründen eher ruhig angehen. "Ich muss ein wenig auf die Bremse treten", sagt er. Daher geht es heute in die Gerolsbacher Kindergärten und noch zu einem seiner ehemaligen Schüler. Wie in den Jahren zuvor allerdings wird Gruber seinen Nikolauslohn spenden. "Ich gebe alles an die Aktion SOS-Kinderdorf. Es ist schlimm, wenn Kinder kein Daheim haben - aber dort können sie in gut behüteten Verhältnissen aufwachsen."

Claudia Lodermeyer