Pfaffenhofen
Betrug aus verschmähter Liebe

Bestellt und nicht bezahlt: 37-Jähriger versuchte, mit Fotogeschenken Frauen für sich zu gewinnen

08.05.2019 | Stand 25.10.2023, 10:32 Uhr

Pfaffenhofen (PK) "Ich wollte ja bezahlen" sagt der Angeklagte sichtlich zerknirscht, "aber ich hatte kein Geld."

Was ihn nicht daran hinderte, in 71 Fällen über ein Jahr lang bei einem Online-Bilderdienst Fotogeschenke im Gesamtwert von fast 4000 Euro zu bestellen. Wegen Betrugs verurteilte ihn jetzt das Schöffengericht zu 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Als Staatsanwalt Johannes Riederer die Anklageschrift verliest, stockt er kurz und schaut zum Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl: Ist es notwendig, auch den Anhang vorzutragen? Ja, ist es. Der Anklagevertreter listet auf: Am 17. Mai 2017 hat der Angeklagte Fotogeschenke für 298 Euro bestellt, am 18. Mai für 430 Euro, drei Tage später für 53,91 Euro, am 22. Mai für 58,63 Euro . . .

Was auffällt: Seinen Namen hat Patrick Maierschmitt (Name von der Redaktion geändert), immer wieder ein wenig abgeändert. Mal den Schmidt mit dt, dann den Maier mit ei, mit ay oder mit yr. Sein Plan ging auf: Weil der Fotoversender die Rechnungen automatisiert verschickt, fiel dem Computer nicht auf, dass der Besteller die letzte Sendung noch nicht bezahlt hat, denn andernfalls wäre er nicht mehr beliefert worden. Trotz gleichbleibender Adresse gab es keine Fehlermeldung, denn weil die Namen nicht identisch waren, hatte immer jeweils ein anderer geordert, zumal der 37-Jährige auch seinen Vornamen änderte.

Fotogeschenke für exakt 3667,84 Euro mit immer denselben beiden Motiven: Porträts von zwei Damen. Auf Tassen, Kuschelkissen, Kühlschrankmagneten, und, und, und. "Stimmt das", fragt ihn der Richter, "was Ihnen der Staatsanwalt vorwirft? " Der Angeklagte senkt den Blick, beißt die Backenzähne zusammen, schließt die Augen und stößt gequält hervor: "Stimmt, wegen verschmähter Liebe. " Bitte? Ja. Weil es war ja so: Seine Frau hatte sich von ihm getrennt. . .

"Wann", fragt der Richter. Der Angeklagte dreht sich zu seiner Pflichtverteidigerin um, die hinter ihm sitzt. "Vor zwei Jahren", antwortet die Anwältin. Da lernte ihr Mandant eine Andere kennen und versuchte, sie sich gewogen zu machen - mit Bildgeschenken. Er fotografierte die Angebetete mit seinem Handy und schickte dann online das Foto an den Bilderdienst zur Weiterverarbeitung als Präsent, an manchen Tagen bis zu sechs Mal. "Im Ergebnis war's ja für die Katz", stellt Richter Kliegl trocken fest. Die Fotomagnete mit ihrem Porträt hafteten stabiler als die Liebe, auch wenn Patrick Maierschmitt geschenkmäßig Vollgas gab und kräftig nachlegte. Erfolglos. Denn nach ein paar Monaten wechselte Maierschmitt das Motiv: Jetzt zierte ein anderes Damenporträt Becher, Tassen und Rahmen.

Nun hätte man vermuten können, dass der 37-Jährige diese Devotionalien in seiner Wohnung aufhängt, aufstellt oder anklebt. Wär' aber gar nicht gegangen. "Ich war völlig überrascht", sagt der Kripo-Mann, der bei der Hausdurchsuchung dabei war, "dass wir nichts gefunden haben. " Es hätte in der Wohnung auch keinen Platz gegeben. Die sei so klein, "dass ich noch nicht mal gewusst hätte, wo ich meine Jacke hätte ablegen sollen". Nein, die Fotogeschenke waren ausschließlich für die Freundinnen gedacht. Warum er ihnen nicht Geschenke mit seinem Porträt überreicht hat, vielleicht auch mal ein buntes Blumenmotiv oder ein Bild der Hallertauer Landschaft, bleibt sein Geheimnis. Auf der Richterbank füllen die Bilder von den Fotogeschenken mit den Damenporträts einen halben Ordner. "Wenn man drauf steht", sagt Kliegl, "findet man's sicher toll. " Aber die Geliebte blieb so kühl wie die leere Kaffeetasse mit ihrem Konterfei. Denn auf die Frage des Richters, wie es ihm seine Flamme gedankt habe, sagt der Angeklagte kleinlaut: "Es hat sich nicht gerechnet. " "Und nichts draus gelernt", entgegnet Kliegl, denn nachdem die erste Dame sich verabschiedet hatte, versuchte es Patrick mit derselben Strategie bei der nächsten. "Nein, ich hab nichts draus gelernt", sagt der Angeklagte, schließt die Augen, senkt den Kopf und schaut zum Richter.

Tatsächlich ist er auf Milde angewiesen. Denn bei fortgesetztem Betrug schreibt das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe vor - bis zu zehn Jahre. Der 37-Jährige hat da einschlägige Erfahrung: Acht mal schon saß er auf der Anklagebank, Diebstahl, Unterschlagung, Körperverletzung. Die Strafen haben ihn offensichtlich geläutert. Seit zehn Jahren hat er sich nichts mehr zu schulden kommen lassen. Und auch jetzt versucht er, gutes Wetter zu machen. Mit dem Fotodienst hat er sich auf Ratenzahlung geeinigt: Mit 25 Euro monatlich trägt er die 3667,84 Euro ab. Ob er mal ausgerechnet habe, wie lange er da abzahlen muss, fragt der Richter. Der Angeklagte runzelt die Stirn; nein, hat er nicht. Ohnehin sind 25 Euro für ihn ein Haufen Geld. Seit Jahren schon bezieht er Sozialhilfe, "weniger als 400 Euro", sagt der Angeklagte, der die Frage des Richters nach seinem Beruf mit "Hausmann" beantwortet. Das Geld habe bisher die Ehefrau verdient. Die ist nun ausgefallen. Wann er denn zuletzt gearbeitet habe, will Kliegl wissen. Der Angeklagte grübelt. "Das wird so 2013 oder 2014 gewesen sein. "

Der Staatsanwalt fordert 21 Monate auf Bewährung, die Verteidigerin bittet um Milde: "Erst als die Liebe weg und das Hirn wieder da war", habe ihr Mandant erkannt, was er da angerichtet habe. Das sieht das Gericht genauso. Eine "saublöde Idee" sei das gewesen, erklärt der Richter in seiner Urteilsbegründung, "immer wieder denselben Schmarrn zu bestellen". Weil beim Angeklagten nichts zu holen ist, drückt ihm das Schöffengericht zusätzlich zur Bewährungsstrafe 100 gemeinnützige Arbeitsstunden auf. Noch im Gerichtssaal nimmt der Mann das Urteil an - es hätte schlimmer kommen können.

Albert Herchenbach