Pfaffenhofen/Wolnzach
"Dass wir frieren, interessiert niemanden"

Bahnverkehr in Pfaffenhofen steht still

10.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:21 Uhr
Zahlreiche Pendler und Bahnreisende warteten am Montagmorgen am Bahngleis in Pfaffenhofen, dass die Bahn nach dem Streik der EVG wieder ihren Betrieb aufnimmt. −Foto: Blum

Pfaffenhofen/Wolnzach (PK) Zwischen fünf und 9 Uhr ist heute in ganz Bayern der Zugverkehr eingestellt worden. Weder im Fern- noch im Nahverkehr ging mehr was, zigtausende Pendler, Reisende und Schüler kamen zu spät. Grund: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte zum Streik für höhere Löhne aufgerufen. Auch in Pfaffenhofen kamen viele Bahnreisende nur mit großen Verspätungen an ihr Ziel. Und waren darüber alles andere als erfreut.

Bei knapp zwei Grad Celsius stehen gegen 9 Uhr am Montagmorgen etwa 150 Menschen am Bahnhof in Pfaffenhofen. Die kleine Wartehalle bietet gerade mal Sitzplätze für zehn Personen. Am Bahnsteig stehen zahlreiche Pendler in dicken Winterjacken, wippen von einem Fuß auf den anderen und warten. Einige schon ziemlich lange.

"Ich versuche seit sieben Uhr morgens von Reichertshausen nach München zu kommen", erzählt Stephanie Bayern aus Schweitenkirchen. Dass gestreikt wird, habe sie gewusst. Laut der Bahn-App sollte ein Schienenersatzverkehr von Reichertshausen nach Pfaffenhofen eingerichtet sein. "Der Bus fuhr jedoch einfach vorbei, ohne anzuhalten. Dabei war der nicht einmal besonders voll", erzählt sie. Also habe sie eine weitere Dreiviertelstunde gewartet, um mit dem nächsten Bus nach Pfaffenhofen zu kommen. Um 9.25 Uhr sollte es nach München weitergehen, an der Anzeigetafel stehen bereits 15 Minuten Verspätung.

Einige Arbeitgeber müssen an diesem Morgen geduldig sein. "Ich arbeite nach dem Gleitzeitmodell, daher habe ich Gott sei Dank keine Probleme mit meinem Arbeitgeber", berichtet eine weitere Pendlerin. Seit über 20 Jahren fahren sie und ihre Kollegin jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit. Beide haben eine Jahreskarte. Um sechs Uhr sei sie "auf Verdacht" zum Bahnhof gefahren, habe gesehen, dass sie momentan nicht von der Stelle kommt und sei wieder nach Hause gefahren. Um neun Uhr soll der Zugverkehr wieder rollen. Seitdem warten auch sie und ihre Kollegin in der Kälte. "Dass wir hier stehen und frieren, interessiert niemanden. Und hier am Pfaffenhofener Bahnhof gibt es seit einem Dreivierteljahr keine Toilette", sagt die Pendlerin.

Mittlerweile ist es 9.30 Uhr und der Regionalzug nach München ist noch nicht da. Reguläre Abfahrt vor fünf Minuten. "Standard bei der Bahn. Wann sind die schon pünktlich", sagt ein genervter Pendler. "Das einzige worauf man sich bei denen verlassen kann, ist die regelmäßige Fahrpreiserhöhung." Die Stimmung ist wie die Temperaturen eisig. Nur zwei Damen lachen - doch nicht vor Freude: "Ach, wir ziehen gerade über die Bahn her", sagt eine. "Was mit uns hier passiert, interessiert die Bahn einen Dreck", schimpft die andere. Auch sie wussten von dem Streik, haben deswegen die App konsultiert. Und trotzdem müssen auch sie noch weiter warten.

Plötzlich donnert der erste Zug vorbei. Ein Güterzug. "Der Warenverkehr läuft also wieder - auf unsere Kosten", beschwert sich ein Pendler. "Seit 1980 geb ich mir dieses Chaos jeden Tag." Wer Bahn fahre, müsse damit rechnen. "Aber wenn die Zehen so langsam absterben, dann geht auch bei mir die Stimmung in den Keller", sagt er.

Nur einer der befragten Wartenden kann sich ein Lächeln abringen: "Ach, ich find es super. Ich konnte heute meine Kinder in den Kindergarten bringen und in Ruhe frühstücken", sagt er. Er habe sogar Verständnis für die Situation. Im Flugverkehr würde das Personal ja auch häufiger streiken, "und da sind die Folgen auch nicht unerheblich." Um 9.45 Uhr rollt die Regionalbahn nach München mit weiteren 20 Minuten Verspätung schließlich in den Pfaffenhofener Bahnhof schließlich ein.

Nicht nur Berufspendler hat es erwischt. Auch Schüler stehen an diesem Morgen vor der Frage: Wie komme ich eigentlich in die Schule? Besonders Schüler, die weiterführende Schulen in Ingolstadt besuchen, waren betroffen. "Jeden Tag brauche ich das nicht". So kommentiert Monika Amper aus Wolnzach den chaotischen Montagmorgen. Ihre Tochter Magdalena und ihr Sohn Maximilian besuchen das Apian-Gymnasium in Ingolstadt und fahren täglich von Rohrbach aus mit dem Zug zur Schule. Mit mehreren Wolnzacher Familien bilden sie eine Fahrgemeinschaft zum Bahnhof. Ab fünf Uhr laufen an diesem Morgen auch bei ihnen die Handys heiß, bis endlich klar ist, wie die Kinder zur Schule kommen. Nachdem der Zug um 7.01 Uhr, den sie normalerweise nehmen, ausfällt, werden zumindest die Jüngeren ins Auto gepackt und pünktlich zur Schule gebracht. "Die schreiben in der zweiten Stunde eine Kurzarbeit", so Amper. Die anderen, darunter Sohn Maximilian, hoffen zunächst auf einen späteren Zug - vergeblich: Schließlich bringt Gabriele Straub, deren Sohn Jonas ebenfalls betroffen ist, die Schüler mit dem Auto nach Langenbruck, von dort geht es mit dem Bus weiter nach Ingolstadt. Trotz Verspätung verpassen sie letztlich nur eine Lateinstunde, erklärt Maximilian: "Die andere Stunde wäre sowieso frei."

Wer aufs Auto umsteigen kann, hat an diesem Morgen eine Chance, seinen Alltag weitgehend normal zu bestreiten. Auch wenn der Verkehrsfunk in diesen frühen Stunden auch überdurchschnittlich viel zu berichten hat. Am Schyren-Gymnasium sind die Schüler pünktlich zum Unterricht erschienen. "Bei uns ist lediglich ein Lehrer, der von Ingolstadt aus pendelt, zu spät gekommen", sagt Dietmar Boshof, Schulleiter des Gymnasiums.

Die EVG fordert für ihre 100000 bei der Deutschen Bahn beschäftigten Mitarbeiter 7,5 Prozent mehr Geld. Ebenso soll der Arbeitgeberanteil bei der betrieblichen Altersvorsorge erhöht werden. "Hoffentlich hats was gebracht", resümierte ein Pendler am Bahnsteig in Pfaffenhofen.

Tina Blum, Katrin Rebl