Wolnzach
"Alles ist möglich"

Beinamputierter Maxe Schwarzhuber ist jetzt Referent und Motivator und fasziniert mit seiner Geschichte

10.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:36 Uhr
Maximilian Schwarzhuber kurz nach seiner Operation: Am 14. Februar 2017 ließ er sich als damals 24-Jähriger beide Beine unterhalb des Knies amputieren. Wenig später lief der lebensfroher Musikant zehn Kilometer bei Lauf 10! in Wolnzach. −Foto: Trouboukis

Wolnzach (WZ) "Ohne Beine in ein besseres Leben", "Ein ganzer Kerl mit zwei Prothesen". So hat unsere Zeitung - übrigens als erstes Medium überhaupt - die Geschichte des Maxe Schwarzhuber erzählt, der sich beide Unterschenkel amputieren ließ. Das ist jetzt zwei Jahre her, mittlerweile ist Maxe 26 Jahre alt und ein gefragter Referent, der am Mittwochabend trotz dichten Schneetreibens mühelos das Hopfenmuseum füllte.

"Alles ist möglich". Nicht nur eine Überschrift, die er über seinen Abend stellt, sondern die Überzeugung eines jungen Mannes, der in seinem Leben schon so einiges erlebt hat. Nicht nur Schönes, bestimmt nicht. Wie denn auch, wenn man mit gerade einmal zwei Jahren aus dem Mittagsschlaf aufwacht und plötzlich gelähmt ist und eine Odyssee durch Krankenhäuser und Arztpraxen beginnt. Eine Diagnose: Tumor am Rückenmark, noch ein Jahr zu leben. "Gottseidank irren sich auch Ärzte manchmal", lächelt Maxe, als er einleitend seine Geschichte erzählt. "Sonst wäre ich ja heute nicht hier - und ihr auch nicht."

Da lachen seine Gäste dann auch, wenngleich sie alle am Anfang ganz still werden. Ein kleiner Bub, plötzlich gehbehindert, einfach so. Obwohl viele der 140 Gäste, die sich da im Veranstaltungsraum des Hopfenmuseums zusammendrängen, während es draußen wie verrückt schneit, sowohl den jungen Referenten als auch seine Geschichte kennen, geht das doch wieder nah. Wegen Maxe und seiner Familie, die untrennbar mit diesem Schicksal verbunden ist - und immer hinter ihm stand und so auch zum Mitmotivator des Abends wird. Beispielsweise per Video aus dem Jahr 1994, das zeigt, wie der kleine Maxe kurz nach seiner Erkrankung versucht, zu gehen. Ein Schritt, der zweite - dann fällt das Kleinkind hin. Und lacht, während Mama Johanna im Hintergrund lobt: "Super, Maxe, bravo." Pause. Dann spricht wieder der Referent Maxe Schwarzhuber: "Objektiv gesehen war das eigentlich sch...." Aber die Mama glaubte an ihr Kind, motivierte es, aller schlechten Prognosen zum Trotz.

"Was bedeutet Realität?", fragt Schwarzhuber in die Reihen, lässt Zeit zum Sacken. "Es geht nicht darum, was wahr ist, sondern darum, wie man seine Glaubenssätze nutzen kann." Wie Roger Bannister, der im Mai 1954 als erster Mensch überhaupt eine Meile unter vier Minuten lief, obwohl alle sagten, das wäre unmöglich. Dass kurz nach ihm das weitere 36 Läufer schafften, nutzt Maxe als Bild: "Die haben daran geglaubt und es hat funktioniert. If you dream it, you can do ist." Wenn man einen Traum hat, kann man ihn auch leben. Die Besucher hängen an seinen Lippen - und an seinen Beinen. Denn die zeigt Maxe ohne Scham, trägt Hemd und Lederhose, aus der seine schwarzen Alltagsprothesen hervorlugen. Seine Kunstfüße stecken in modernen Turnschuhen, auch so eine Sache. Früher, da wurde er nämlich oft gehänselt, arg haben ihm Kinder in der Schule zugesetzt. Er war der, der so komisch geht mit den Schienen am Bein, der immer diese klobigen, schwarzen Treter anhat. "Das waren die einzigen Schuhe, in die die Schienen passten - und die waren immer greislig." Ob er gelitten hat unter dem, was heute "Mobbing" heißt? Sehr. Aber böse ist er seinen Mitschülern nicht. "Groll wird zum Klotz am Bein." Wo denn auch sonst. Vergeben zu können sei ein Segen - für einen selbst: "Es geht doch darum, ob du selbst es verdienst." Dankbarkeit, Akzeptanz, Humor. "Es gibt so vieles, wofür wir dankbar sein können. Wenn uns das bewusst ist, dann stellt sich eine innere Ruhe ein." "Lebe deine Geschichte, auch wenn sie kein Märchen ist." Das ist sie nicht, die Lebensgeschichte des Maxe Schwarzhuber aus Wolnzach. Schmerzen, Fieber, dann schließlich diese Amputation am 14. Februar 2017, Valentinstag, der Tag der Liebenden, der Freude. Die Nacht davor war für Maxe der Horror. "Ich hatte unfassbar viel Angst, so muss sich einer fühlen, der zum Tode verurteilt ist." In der Murnauer Klinik ist er nachts hinausgefahren mit seinem Rollstuhl, machte die letzten Schritte seines Lebens auf diesen Füßen, wenige Stunden vor der Operation, die alles verändern sollte. Mucksmäuschenstill ist es im Veranstaltungsraum des Hopfenmuseums, als Maxe erzählt, dunkle Bilder in den Köpfen der Zuhörer zeichnet - und dann die Sonne wieder aufgehen lässt: am 14. Februar 2017, in dem Moment, als er seine Beinstümpfe zum ersten Mal sah. "Da machte sich eine unglaubliche Erleichterung breit." Heute spricht Maxe von seinem "zweiten Geburtstag".

"Mach deine Entscheidung zur richtigen Entscheidung." Mit der Amputation habe er allen anderen eventuellen Möglichkeiten das Wasser abgegraben. Er musste mit den Prothesen klar kommen, es gab keine andere Möglichkeit. "Da geht was", habe er gleich gespürt. Seine Ziele gehen aber weit über das hinaus, was Ärzte und Therapeuten für den Frischamputierten vorsehen. Maxe wollte nicht nur gehen, er wollte laufen. "Aber das habe ich denen lieber nicht gesagt." Aber getan: 136 Tage nach der Amputation lief Maxe Schwarzhuber zehn Kilometer bei Lauf 10!, ein bisschen so wie damals dieser Roger Bannister, der auch etwas angeblich Menschenunmögliches schaffte - weil er es wollte und dafür eisern kämpfte.

An sich glauben, seine Vorsätze präzise formulieren, am besten alles aufschreiben. So ist Maxe Schwarzhuber sein neues Leben angegangen. Seither führt er ein besonderes Tagebuch, ein "Erfolgsjournal", wie er es nennt: Täglich fünf Dinge notieren, die gut gelaufen sind, kleine Erfolge, die jeder Tag für jeden bringt. Das empfiehlt er an diesem Abend seinen Gästen.

Er selbst wird in diesem Jahr vermutlich noch einige weitere dieser "Erfolgsjournale" brauchen, denn große Ziele hat er sich gesteckt. Beispiele gefällig? Bitteschön: Teilnahme am Halbmarathon in Ismaning, Alpenüberquerung mit dem Fahrrad von München nach Venedig in sechs Tagen, eine Klettertour über das Höllental hinauf auf die Zugspitze in acht Stunden und dann im Herbst der München-Marathon. "Seine Träume leben", nennt Schwarzhuber das. Genau das tut er auch.
 

Karin Trouboukis