Wolnzach
"Es geht echt um die Existenz"

Kein Andrehen, kein Hopfen: Pflanzerverband fürchtet nach Einreiseverbot für Saisonhelfer um die Ernte

26.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:40 Uhr
Viele Saisonarbeiter kommen seit Jahren immer wieder auf die gleichen Betriebe, unser Archivfoto zeigt das Anleiten und Ausputzen in einem Hopfengarten bei Königsfeld. Wegen des Einreiseverbots müssen sie jetzt zu Hause bleiben - das bringt für sie schmerzliche Einnahmeeinbußen und stellt die auf Saisonarbeitskräfte angewiesene Landwirtschaft vor massive Probleme. −Foto: WZ-Archiv, Trouboukis

Wolnzach - Seit Mittwoch, 17 Uhr, geht nichts mehr, ist das auf Initiative von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhängte Einreiseverbot für Erntehelfer und Saisonarbeiter in Kraft. Für die Hopfenbauern ist das ein Schlag in einer Phase des leichten Aufatmens: Denn aufgrund vielfältiger Hilfsinitiativen konnte die erste Arbeitsspitze mit Drahtaufhängen und -einstecken gerade noch bewältigt werden. Ein großes Fragezeichen steht jedoch hinter dem unmittelbar bevorstehenden Anleiten. Pflanzerverbandsgeschäftsführer Otmar Weingarten beschreibt die Lage so: "Unsere Sorgen sind riesig. Es geht echt um die Existenz."

 

Viele wollen helfen, gründen Initiativen, rufen über verschiedene Kanäle auf, den Landwirten zu helfen. Gerade im Hopfenbau stehen Arbeitsspitzen an, die ohne Saisonarbeiter nicht zu schaffen sind. Drahtaufhängen und -einstecken "läuft gerade", sagt Pflanzerverbandsgeschäftsführer Weingarten. Er unterstreicht nochmals den ausdrücklichen Dank für alle Hilfsangebote und Initiativen, die hier ganz gut gefruchtet haben. Er tut das übrigens nicht aus seinem Büro im Haus des Hopfens, sondern aus seinem Home-Office. Grund: Weingarten ist Asthmatiker, gehört damit zur Corona-Risikogruppe und hat seinen Arbeitsplatz deshalb schon frühzeitig nach Hause verlagert. "Vorsorglich", wie er sagt.

Die Nachricht des seit Mittwoch geltenden Einreiseverbots für Erntehelfer hat ihn dort erreicht, alles andere als unvorbereitet, wie er auf Anfrage sagt: Der Pflanzerverband stehe in ständigem Austausch mit den Ministerien, unmittelbar vor Erlass der Entscheidung zum Einreiseverbot seien er und Pflanzerverbandspräsident Adi Schapfl noch mit Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) per Telefonkonferenz im Gespräch gewesen. "Wir kämpfen jeden Tag und mit aller Vehemenz", so der Verbandsgeschäftsführer. "Das müssen wir, denn für den Hopfen geht es echt um die Existenz."

Denn das Hopfenanleiten, das Andrehen der jungen Triebe an den im Boden steckenden Draht, steht unmittelbar bevor. Eine Arbeit, die stark witterungsabhängig ist und deshalb zeitlich weder genau terminiert noch in ihrer Dauer festgelegt werden kann, erklärt der Fachmann. Hopfen wächst schließlich sehr schnell, kann bei entsprechenden Bedingungen bis zu zehn Zentimeter pro Tag sprießen. Was das für das Anleiten bedeutet, beschreibt Weingarten so: "Wir brauchen also innerhalb kürzester Zeit für diese Arbeit die volle Schlagkraft." Und genau die fehle jetzt, wo die Grenzen dicht sind und die vorwiegend aus Polen und Rumänien kommenden Erntehelfer nicht anreisen können.

Rund 10000 Erntehelfer bräuchte es laut Pflanzerverband für das Anleiten im Hopfen, 10000 Helfer, von denen sehr viele seit Jahren immer zu den gleichen Betrieben kommen und durch diese Arbeit Geld verdienen, das ihnen weit mehr als Zubrot ist: Aufgrund geringer Verdienstmöglichkeiten in ihren Heimatländern schätzen die Erntehelfer diese Arbeitsmöglichkeit, viele sind mit ihren Arbeitgebern sogar freundschaftlich verbunden. Dass sie nicht einreisen dürfen, andere Berufsgruppen aber pendeln dürfen, diese bereits von den Grünen aufgeworfene Frage beschäftigt auch den Pflanzerverband. Dass die Entscheidung aufgehoben oder revidiert wird, daran glaube man jedoch nicht.

Das tut auch Karl Straub nicht, der für die CSU im Landtag sitzt. "Das ist ein sehr harter Schlag für die Landwirtschaft", sagte er am Donnerstag zum Einreiseverbot auf Anfrage unserer Zeitung. Er werde alles daran setzen, dass die fehlenden Saisonarbeiter anderweitig ersetzt werden könnten, beispielsweise durch solche Asylbewerber, die nach geltenden Vorgaben eigentlich keine Arbeitserlaubnis bekommen würden. Bürokratische Hürden müssten aufgeweicht werden, so Straub. Und das möglichst schnell. Angepasst wurden bereits Richtlinien für Kurzarbeiter, so wurden Anrechnungsfreigrenzen für Bezieher von Kurzarbeitergeld deutlich ausgeweitet. Fragen dazu könnten an den Hopfenpflanzerverband oder den Maschinenring gerichtet werden. "Wir brauchen jede Hand", beschreibt Weingarten für die Hopfenbauern die Brisanz der Lage. Eine Lage, in der er einen klitzekleinen Lichtblick sieht: Das Hopfenandrehen sei eine Arbeit, die schnell zu erlernen sei - von jedermann jeden Alters. Das gibt ihm die Hoffnung, dass die vielen Hilfsaufrufe (siehe gesonderten Artikel) fruchten und der Hopfen doch noch an den Draht gebracht werden kann. Sollte das nicht möglich sein, dann sieht nicht nur er schwarz. Pflanzerverbandspräsident Adi Schapfl - er ist selbst Hopfenbauer - hat für die Situation im Gespräch mit den Verantwortlichen in Ministerien und Behörden deutliche Worte gefunden: "Wenn wir den Hopfen nicht andrehen können, dann wird es keine Hopfenernte geben."

WZ