Wolnzach
Keine Auftritte, kein Publikum

Marktkapelle Wolnzach vermisst die Öffentlichkeit - und vor allem das Spielen auf dem Volksfest

13.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:53 Uhr
Die Volksfesteröffnung ist für Hans-Heiner Bettinger (rechts) und seine Marktkapelle Wolnzach immer ein Höhepunkt im Jahr; heuer fällt sie aus. −Foto: WZ-Archiv/Trouboukis

Wolnzach - Kein Frühlingskonzert am Palmsonntag, kein Maifrühschoppen, keine Festumzüge und Jubiläen - und vor allem kein Volksfest. Weil wegen Corona alles abgesagt wurde, fehlt der Marktkapelle Wolnzach das, wofür die Musikanten stehen und proben: das Auftreten vor Publikum.

 

Eingestaubt sind die Instrumente dennoch nicht, denn in der kontaktfreien Zeit ging die Kapelle neue Wege und übte online. Jetzt, wo die regulären Proben wieder angelaufen sind, zeigt sich der Erfolg, der laut Kapellmeister Hans-Heiner Bettinger auf zwei Dingen gründet: Die Musikanten seien erstens eine eng miteinander verbundene Truppe, zweitens sei das Leistungsniveau hoch - ebenso wie der Anspruch, immer besser zu werden.

Mit der Musik ist das so eine Sache. Entweder, man hat sie in sich oder eben nicht. Und wer sie in sich hat, der kann nicht ohne. Da kann auch ein Virus nichts ändern. Hans-Heiner Bettinger leidet unter Corona. Aber nicht, weil er krank oder infiziert war, sondern, weil ihm die Musik fehlt: Er ist Musiker, sogar eine studierter mit Diplom, aber das nur nebenbei. Sein Hauptinstrument ist die Posaune, er gehört zu zahlreichen Formationen, sitzt immer wieder auch in Orchestergräben, beispielsweise am Gärtnerplatztheater in München, unterrichtet, schult und leitet seit neun Jahren auch die Marktkapelle Wolnzach. "Musik ist eine Leidenschaft", sagt er. "Das ist kein Beruf, sondern eine Berufung." Lebensunterhalt auf allen Ebenen, also. Seit Corona und dem Lockdown und danach der Absage zahlreicher Termine hat sich auch Bettingers Leben verändert, gravierend: "Mir fehlt ein Stück", sagt er. Auftritte - und damit auch Einnahmen - sind weggebrochen, einfach so. Eine Situation, die sich er niemals so ausgemalt hätte, zu lange ist er schon im Geschäft, hat einiges schon erlebt. "Aber so etwas noch nie." Dass die Krise Existenzen bedroht, ja. Das erlebe er im Kollegenkreis, sieht sich selbst aber noch gefestigt, hat entsprechend vorgesorgt. "Gottseidank."

Wie es Musikern geht, wenn sie einander nicht treffen dürfen, um zu spielen, wenn das Publikum fehlt, das kennt er - und fühlt daher besonders mit seiner Marktkapelle. Denn er weiß, dass er hier nicht nur Musikanten, sondern eine große Truppe zum Teil eng verbundener Freunde an Trompete, Posaune, Horn, Tuba, Querflöte oder Klarinette vor sich sitzen hat. Ein eingeschworener Kreis, der auseinander gerissen wurde, als man sich gerade in den Proben zu einem Höhepunkt des Wolnzacher Musikantenjahres befand: "Das war gerade vor dem Frühjahrskonzert." Am Palmsonntag wäre das gewesen. Es ist ausgefallen, kalt hat es die Marktkapelle erwischt.

Aber es kam noch schlimmer: Maifrühschoppen am Rathausplatz, Festumzüge und Jubiläen, die Begleitung bei Gottesdiensten, alles weg. "Sonst sind wie ja sehr viel unterwegs", sagt Markus Niedermeier. Er spielt Tenorhorn in der Marktkapelle, gehört seit über 20 Jahren dazu, und ist - wie viele andere seiner Musikantenkollegen auch - noch in anderen Kapellen aktiv, hilft manchmal auch aus, wenn irgendwo jemand ausfällt. Man kennt einander halt. Und man weiß, dass es allen gleich geht: "Keine Auftritte zu haben, das ist schon sehr komisch." Gerade an den Tagen, an denen die Terminkalender sonst voll geschrieben waren. "So viel Zeit, wie jetzt, konnte ich am Wochenende noch nie mit meiner Frau verbringen", schmunzelt er. So habe das Ganze doch auch etwas Gutes gehabt.

 

Überhaupt bezeichnet sich der Musikant als "positiver Mensch", als jemand, der in allem, was passiert, auch neue Möglichkeiten entdeckt. Beispiel: die Zeit ohne wöchentliche Kapellenproben. Online-Proben über einen speziellen Videodienst habe es stattdessen gegeben. Dass er dabei auch seine Spezl aus der Kapelle wiedersehen konnte, habe ihn schon sehr gefreut, gerade in der Zeit, als man sich noch kaum mit jemandem treffen durfte. Satzproben "dahoam" habe es gegeben, auf Initiative des Musikbundes sogar die Möglichkeit, mit Münchner Philharmonikern per Videochat zu üben: "Wann hat man schon die Gelegenheit, mit solchen Profis zu arbeiten", so Markus.

Auch der Kapellmeister hat in dieser Zeit mit seinen Musikanten gearbeitet, sein Vorteil dabei: "Ich kenne meine Leute." Individuell konnte er so auf sie eingehen, an Feinheiten feilen.

Dass das alles so gelaufen ist, freut Kapellmeister Bettinger, der die Früchte sozusagen jetzt erntet: Seit kurzem probt die Marktkapelle wieder wöchentlich, aufgeteilt in zwei Gruppen, um die Abstandsvorgaben einhalten zu können. Und der Kapellenchef ist echt beeindruckt von dem, was er da zu hören bekommt: "Ich hätte mir den Effekt dieser Zeit so positiv gar nicht vorgestellt", sagt er. In zwei Gruppen bekommt er einen hohen musikalischen Stand zu hören, das freue ihn. Aber gleichzeitig spüre er bei den Musikanten auch eines ganz deutlich: "Es fehlen die Auftritte, es herrscht viel Unsicherheit." Vor allem, dass das Wolnzacher Volksfest ausfällt, ein Höhepunkt des Kapellenjahres, das schmerze seine Musikanten und ihn selbst auch gehörig. "Das Spielen auf dem Wolnzacher Volksfest ist für uns alle immer etwas ganz Besonderes, eine Ehre." Sehr schade, dass das heuer nicht ist.

Sehr schade. Ein Musikant ohne Auftritte ist wie ein Fußballer ohne Spiele. Da braucht es Motivation zum Durchhalten - und Hoffnung. In beidem möchte Kapellmeister Bettinger seine Leute unterstützen und verlässt sich dabei auch auf die gefestigten Strukturen der Stammkapelle, die den Nachwuchs motivieren und auffangen kann - damit auch die Jungen bei der Stange bleiben."Es kommen auch wieder andere Zeiten", ist Hans-Heiner Bettinger überzeugt. Und dann werden seine Musikanten gut gerüstet sein: nicht nur in getragenem Moll, sondern auch in frisch-fröhlichem Dur.

WZ

Karin Trouboukis