Pfaffenhofen
Gefangen im Paradies

Pfaffenhofenerin erwischt letzten Urlauberflug aus Kambodscha - Bekannter sitzt mit 150 Deutschen fest

25.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:40 Uhr
Gestrandete Touristen vor der deutschen Botschaft in Phnom Penh. In der letzten Reihe mit blauem T-Shirt: Sönke von Stamm, ein Bekannter der Pfaffenhofenerin Daniela Hingerl. Während die 53-Jährige aus der Kreisstadt noch rechtzeitig den Heimflug antreten konnte, sitzt ihr Bekannter in Kambodscha fest. −Foto: privat

Pfaffenhofen - Auch das Paradies verliert jeden Reiz, wenn man es nicht mehr verlassen kann.

 

Diesem Urlaubsgefängnis, der Dschungel-Insel Koh Thmei im südchinesischen Meer, ist die Pfaffenhofenerin Daniela Hingerl gerade noch mit dem letzten Linienflug entkommen. Ihr Bekannter sitzt mit 150 weiteren Deutschen in Kambodscha fest. Besonders hart: Viele haben auf eigene Faust für Tausende Euro überteuerte Rückflüge gebucht, die dann gecancelt wurden. Jetzt geht vielen das Geld aus.

Als die 53-jährige Buchhalterin, die derzeit in Pfaffenhofen im Homeoffice arbeitet, ihren Urlaub buchte, da war vom Coronavirus noch keine Rede. Und auch beim Abflug in München am 19. Februar war das ganze globale Ausmaß nicht absehbar. Daniela Hingerl hatte sich vier Wochen Urlaub genommen, sie wollte nach einem Abstecher zu den weltberühmten Tempelanlagen von Angkor endlich einmal ihre Freundin besuchen, die seit zehn Jahren auf der Insel in einer idyllischen Bungalowanlage aus Holzhütten gleich am palmengesäumten Strand lebt. Glasklares 30 Grad warmes Wasser, Außentemperaturen von 37 Grad, Tauchen, Schnorcheln, Dschungeltouren: "Wer einen ruhigen Inselurlaub mit viel Natur in Kambodscha haben möchte, sollte die Insel besuchen", wirbt eine Touristenseite. Drei Wochen später stieß ein gemeinsamer Bekannter dazu, der 52-jährige IT-Administrator Sönke von Stamm. Er wollte bis Ostern bleiben.

 

Am 16. März, Hingerls geplantem Rückflugdatum, wurde es eng. "Einreisesperren wurden angekündigt", erfuhr die Pfaffenhofenerin. Sie hatte Glück, schaffte es mit Umsteigen in Abu Dhabi, nach Hause zu kommen. Bevor sie allerdings in den Jumbo nach München steigen durfte, wurde noch in der Maschine bei allen Passagieren mit Infrarot-Wärmebild-Pistolen die Körpertemperatur gemessen. Hingerl hatte ihren Bekannten noch ermuntert, mit ihr den Rückflug anzutreten. "Aber er wollte noch bleiben", erzählt die 53-Jährige. Jetzt ist es zu spät. Sönke von Stamm sitzt mit 150 deutschen Touristen in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh fest - ohne Chance auf einen Rückflug.

Sie haben sich zu einer Whats-App-Gruppe zusammengeschlossen, um Informationen austauschen zu können, auch wenn diese wenig hoffnungsvoll stimmen. Denn sie sind nicht die einzigen gestrandeten Touristen: Bis vorgestern haben sich beim Auswärtigen Amt 144000 Deutsche gemeldet, die zurück in die Heimat geholt werden wollen. Zuvor sind schon 96000 mit Sonderflügen evakuiert worden, aber die Gruppe in Phnom Penh hat, so erfuhr sie von der Botschaft, keine Priorität, weil Kambodscha mit gemeldeten 100 Corona-Infizierten nicht besonders stark betroffen sei und zweitens die Gruppe im Vergleich mit Urlaubern in anderen Regionen recht klein ist.

 

All ihre Hoffnung setzen die Urlauber auf die Botschaft, aber die kann offensichtlich auch nicht helfen. Sönke von Stamm: "Die Botschaft sagt, dass Flüge zu buchen kaum noch Sinn macht. Die wenigen sind überbucht, überteuert und werden kurz vorher gecancelt. " Preise von über 9000 Euro würden für Flüge verlangt. Einige der Gestrandeten hatten in ihrer Verzweiflung für viel Geld einen Rückflug gekauft; jetzt wird das Geld knapp. Ohnehin macht ein Linienflug raus aus Kambodscha keinen Sinn mehr: Denn die beiden Fluggesellschaften Etihad und Emirates, die die großen Drehkreuze für Südostasien-Flüge in Abu Dhabi und Dubai bedienen, haben gestern um Mitternacht ihren Betrieb eingestellt, "um die Gesundheit unserer Kunden sicherzustellen", wie es offiziell heißt. Nur Frachtflüge werden noch abgewickelt. Deshalb haben sich einige aus der Gruppe zu den Büros der Fluggesellschaften aufgemacht. "Wir wollen unser Geld zurück", sagt von Stamm, "und uns nicht mit Gutschriften abspeisen lassen".

Um sich nicht von aller Welt verlassen zu fühlen, haben sich einige aus der Urlaubergruppe vor das Botschaftsgebäude in Phnom Penh gestellt und ein Video ins Netz gestellt: "Wir wollen nach Hause", rufen sie, und halten ihre deutsche Pässe in den Händen. "Die Stimmung ist gefasst", sagt von Stamm, "niemand wird bis jetzt laut und randaliert, aber viele haben Geldprobleme. " Denn die Extrakosten für Hotelunterkünfte in der Hauptstadt waren in der Urlaubskasse nicht eingeplant. "Es ist eine Mischung aus Ungläubigkeit und Fassungslosigkeit", so der 52-Jährige. "Man lacht natürlich auch, weil alles so skurril ist. " Viele erinnere die Situation an den Kinofilm "Terminal": Da spielt Tom Hanks einen Osteuropäer, der den New Yorker Flughafen nicht verlassen darf, weil er keine Einreiseerlaubnis für die USA bekommt und auch nicht in seine Heimat zurückkehren darf.

"Bitte helft uns", schreibt die Gruppe in den Sozialen Medien. Die letzte Nachricht aus der deutschen Botschaft sei nicht gerade ermutigend: Ob es ein Rückholprogramm geben wird, sei völlig unklar.

PK