Pfaffenhofen
Ein Prosit auf das Ende der Zwangspause

Angst und Unsicherheit: Am Montag durften die Restaurants öffnen - aber der erhoffte Ansturm blieb aus

26.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:17 Uhr
Einsam am Stammtisch im Stegerbräu: Bernhard Sander (von links) und Rudi Badura halten an Tag eins die Stellung - mit Abstand. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - "Ich wusste schon auf dem Weg hierher, was ich essen werde", freut sich Michael Kaiser. Er sitzt mit seiner Frau im Pfaffelbräu und hat sich sein Leibgericht servieren lassen: Schweizer Schnitzel. Evelin hat Rösti bestellt, dazu ein Glas Weißwein, so wie sonst auch immer. Endlich wieder ausgehen, darauf haben sich die Kaisers über zwei Monate gefreut. Jetzt ist es soweit: Seit Montag dürfen die Wirte nach den Biergärten auch die Restaurants öffnen.

 

Der Ansturm der Gäste allerdings blieb aus, viele Lokale waren - wie auch vor Corona - am Montag geschlossen. "Hätte sich nicht gelohnt", glaubt Sven Tweer, Inhaber des Moosburger Hofs. Er startet erst am Mittwoch. "Die Leute haben einfach noch Angst und sind unsicher, die wissen nicht, was auf sie zukommt." Tatsächlich ist vieles ungewohnt: Hinter der Eingangstür eines jeden Restaurants steht ein Desinfektionsspender für die Hände, daneben Listen, in die man Namen, Wohnort, Telefon-Nummer und E-Mail-Adresse eintragen muss. Die Speisekarten aus einem gefalteten DIN-A-4-Blatt liegen zum Mitnehmen auf den Tischen. "Wären sie laminiert", sagt Sven Tweer, "müssten wir sie nach jedem Gast neu desinfizieren."

 

Das Salverbräu ist an diesem Montagabend ausgebucht, alle Tische sind besetzt. Und dennoch wirkt die Gaststube gähnend leer. Denn wo in Vor-Corona-Zeiten 80 Leute Platz hatten, verlieren sich jetzt gerade mal 30 Gäste an acht weit auseinander stehenden Tischen. An einem davon sitzen zwei Freunde, Sandro (37) und Tobias (33) vor einem Aperol. Stammgäste, sagt die Wirtin Barbara Kirzinger. Die beiden treffen sich hier regelmäßig an fünf Abenden in der Woche. Wie sie die Abstinenz so lange überbrückt haben? "Wir haben uns einmal die Woche per Facetime mit dem Handy unterhalten", sagt Tobias. Und wie ist das jetzt, in einer halb leeren Gaststube, wo sonst Stimmung herrscht? Auf einmal verstehe man, was der andere sagt, meint Tobias. "Das ist ja das Schlimme", lacht sein Freund.

Auch beim Stegerbräu an der Ingolstädter Straße ist es zwei älteren Herren viel zu luftig besetzt. Sie sitzen am runden Stammtisch, "wo sonst", sagt Bernhard Sander (69), "bequem acht, manchmal sogar zwölf Leute Platz haben, wenn wir zusammenrücken." Aber Zusammenrücken ist gerade nicht angesagt, eher das Gegenteil: Aus sicherem Abstand prostet ihm sein Stammtischkumpel Rudi Badura (82) zu. "Anstoßen tun wir nicht", sagt Sander, Infektionsgefahr. Die beiden diskutieren die Corona-Beschränkungen, die sie sehr ernst nehmen. "Warum", fragt Badura, "erfährt man eigentlich nicht, wie viele Menschen, die sich infiziert haben, Folgeschäden davontragen?" Das sind so Themen, die sie jetzt wieder am Stammtisch diskutieren können. Bisher haben sie sich per Handy über eine WhatsApp-Gruppe ausgetauscht und in den Chat lustige Videos gestellt. Aber irgendwann kann man auch über Klopapier-Clips nicht mehr lachen. Heute wäre, wie jeden Montag, ihr Schafkopfabend mit Spaß-Garantie. Aber wie soll das gehen mit vier Männern, die weit auseinandersitzen müssen, auch wenn es vielleicht ein Vorteil ist, weil man sich jetzt nicht mehr so ohne weiteres in die Karten schauen kann.

 

Gut lachen dagegen hat Marcel Müller. Der Montag ist sein Glückstag: Heute hat er Geburtstag, seine Eltern und die Tante sind zum Gratulieren aus Merseburg in Sachsen-Anhalt angereist, und jetzt können sie im Othello am Hauptplatz feiern. Im Restaurant sitzen noch sechs weitere Gäste an drei Tischen. "Das ist alles ein bisschen komisch jetzt", gibt Othello-Wirt Michael Frohmader zu. Es sind weniger Tische im Raum, und die stehen weit auseinander. Gemütlichkeit will da nicht so recht aufkommen.

Im Pfaffelbräu dagegen sieht's aus wie immer, das Mobiliar steht am angestammten Ort. Aber statt 120 Personen können jetzt maximal 60 bedient werden. Wirtin Verena Gschwendtner hat die Tische mit roten Punkten markiert: Nur dort darf man Platz nehmen. Vor den anderen Stühlen kleben auf den Tischen Hinweiszettel: "Platz bitte freihalten!" Heute gibt's, verrät eine Tafel vor dem Lokal, "ofenfrischen Schweinebraten mit zweierlei Knödel und Krautsalat". Der war mittags schon aus, freut sich den Wirten, weswegen für den Abend ein weiterer Braten in den Ofen geschoben werden musste. Aber am Montagabend war der Besuch dann leider doch eher mau.

 

Mit einem blauen Auge aus dem Corona-Lockdown herausgekommen ist Flavio-Wirt Daniele Pilla. Während der Zwangsschließung hat er sein Restaurant renoviert, "nach 40 Jahren war eine Grundsanierung notwendig", erklärt er. Eigentlich wollte er Pfingsten öffnen, jetzt wird es wohl Mitte Juni. Die Küche allerdings war während der ganzen Zeit in Betrieb, "das Take-away wird sehr gut angenommen", so Pilla.

Essen zum Mitnehmen bieten auch die anderen Wirte weiterhin an. Ob es allerdings langfristig eine Alternative zum Restaurantbesuch wird, ist unwahrscheinlich. "Im Lokal", sagt Schnitzel-Liebhaber Michael Kaiser, "schmeckt's doch viel besser, als wenn man sich das Essen in Plastikbeuteln abholt. Der Flair fehlt, die Gemütlichkeit." "Ganz angesehen davon", ergänzt seine Frau, "dass nach dreimal Take-away der Gelbe Sack voll ist."

PK