Niederscheyern/Eluru
Alle 30 Minuten stirbt in Indien ein Infizierter

Beate Niedermeier aus Niederscheyern bittet um Hilfe für einen indischen Pfarrer, der früher im Landkreis gearbeitet hat

18.05.2021 | Stand 25.10.2023, 10:22 Uhr
Fast täglich hat Beate Niedermeier per Handy und Latop Kontakt mit Paul Inje. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - In der Not denkt jeder nur an sich selbst. Oder? Nein, stimmt beides nicht. "Denn erstens", sagt Beate Niedermeier, "leiden wir in der Corona-Zeit keine Not, es geht uns blendend." Und zweitens widerspreche das diametral dem christlichen Gebot der Barmherzigkeit. Deshalb setzt sie sich für Menschen ein, denen es mehr als schlecht geht, die um ihr Leben kämpfen und die dennoch wenig Chancen haben - Menschen, die in Indien von der Pandemie bedroht sind. Alle 30 Minuten stirbt ein Infizierter, weiß Niedermeier - weil das Gesundheitssystem hoffnungslos überlastet ist.

Die 57-Jährige sitzt am Tisch in ihrem Haus in Niederscheyern, hinter ihr eine Pinnwand mit Fotos. Auf denen ist ein indischer Priester in einem langen weißen Gewand zu sehen ist. Vor sich hat sie ein Laptop aufgeklappt. Fast täglich, sagt Niedermeier, habe sie Kontakt mit Pfarrer Paul Inje. Seit vielen Jahren unterstützt sie seine Arbeit; und nicht nur sie, sondern auch andere, die ihn kennengelernt haben, als er noch im Landkreis arbeitete.

Inje, 56, ist in Indien geboren und kam nach Deutschland, um Theologie zu studieren und zu promovieren. Zwölf Jahre half er in verschiedenen Pfarreien im Landkreis aus, vier Jahre, bis 2011, war er Pfarrer in Schwabhausen bei Dachau, bevor er in sein Heimatbistum Eluru zwischen Kalkutta und Hyderabad zurückkehrte. In dieser Zeit lernte Niedermeier ihn kennen. Die gelernte Bankkauffrau leitete an der Pfaffenhofener Volkshochschule Integrationskurse und unterrichtete DaF, Deutsch als Fremdsprache für Ausländer. 2010 flog sie mit Pfarrer Inje und einer Gruppe Gleichgesinnter für zwei Wochen nach Indien.

Was sie dort sehen musste, das hat ihr Leben verändert: Menschen, die nichts als den Himmel über dem Kopf haben, die auf der Straße vegetieren, nach denen niemand schaut und die im Schmutz sterben. Für sie setzt sich Paul Inje ein. Er sorgt für medizinische Versorgung, verteilt Lebensmittel, leitet eine Schule, unterrichtet und wirbt in Deutschland für Patenschaften.

Für Beate Niedermeier war klar: Sie hilft! Warum? "Aus Dankbarkeit. Ich habe eine schlimme Kindheit gehabt, aber auch so viel Kraft geschenkt bekommen." Vor zwei Jahren sah sie sich erneut bestätigt: In der Ilmtalklinik musste sie sich einer Not-Operation unterziehen. Sie hatte Glück und kam knapp mit den Leben davon. "Da muss man doch dankbar sein", sagt sie.

Vor drei Jahren hat sie erneut Pfarrer Inje besucht und sich davon überzeugt, wie sinnvoll seine Arbeit und wie zukunftsweisend die Patenschaften sind, für die sie sich mit anderen Unterstützern rund um Scheyern engagiert: "Mit 25 Euro pro Monat", weiß Niedermeyer, "kann einem Kind in Eluru Schulbildung, medizinische Versorgung und ausreichende Ernährung bereitgestellt werden."

Ist das nicht ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen? 30 Prozent der indischen Bevölkerung, über 400 Millionen Menschen, leben in bitterster Armut, sie haben pro Tag nur wenig mehr als einen Dollar zur Verfügung. Mit allem Respekt gefragt, Frau Niedermeier: Was bringt es, 100, vielleicht 200 Kindern eine Perspektive zu schenken? "Das zieht doch Kreise", sagt die 57-Jährige mit großer Überzeugung. "Ein gefördertes Kind kann als Erwachsener einen Beruf ausüben, zehn andere Menschen versorgen und seiner Familie eine bessere Zukunft geben. Bildung ist der Schlüssel für alles."

Jetzt ist diese Aufbauarbeit von einem unsichtbaren Feind bedroht: einer äußerst aggressiven Mutante des Coronavirus. Vor ein paar Tagen erhielt Niedermeier eine "Eilmeldung" aus Indien. "Liebe Freunde", schrieb Pfarrer Inje nach Pfaffenhofen, "seit zwei Wochen durchleben wir eine furchtbar schlimme Zeit. Jeden Tag sterben Tausende von Menschen, jede halbe Stunde erliegt ein Mensch dem Virus. Die Leute können nicht ausreichend behandelt werden, sie sitzen unter den Bäumen, bekommen keine Luft mehr und ersticken langsam. Zudem gibt es für ganz viele Menschen keine Lebensmittel und Medikamente." Die Regierung und auch Privatpersonen würden ihr Bestes geben, "aber sie sind nicht in der Lage, all die Armen und Leidenden zu erreichen".

Normalerweise, sagt Niedermeier, schicke Paul Inje auch Fotos, aber in diesem Fall schaffe er das nicht. Auch wenn in den Nachrichten-Sendungen solche Sequenzen gezeigt würden - es sei übergriffig und verletze zutiefst die Intimität, Menschen in diesem erbarmungswürdigen Zustand zu fotografieren, habe er ihr mitgeteilt.

Er hat begonnen, Familien zu helfen, die sich mit Covid-19 infiziert haben oder positiv getestet worden sind. "Grundsätzlich müssen diese Menschen zu Hause in Quarantäne bleiben, weil die Krankenhäuser hoffnungslos überfüllt sind", erklärt Niedermeier. Oft würde die Polizei sie in ihren Behausungen einsperren. Mit drastischen Folgen. Denn die Armen verdingen sich als Tagelöhner mit Gelegenheitsjobs; dürfen sie nicht raus, haben sie für diesen Tag kein Auskommen. Für die Arbeit auf den Reisfeldern, sagt Niedermeier, werden sie täglich mit einer Zwiebel, einer Mango und einer Wurzelknolle entlohnt. Das fällt jetzt weg. Deshalb versucht Inje, die Armen mit Grundnahrungsmitteln, Reis, Linsen, Öl und Tee zu versorgen. Für zwei Wochen kostet das elf Euro pro Person. Von einem Arzt erhält er zudem Medikamente, die Infizierten helfen. Die Medikation für 14 Tage kostet noch einmal 20 Euro.

"Bitte beten Sie für uns und unser Land, dass diese furchtbare Situation so schnell wie möglich vorübergeht", bittet der Pfarrer am Schuss seiner Eilmeldung. Auf Beate Niedermeier kann er sich da verlassen. "Das ist meine Lebensaufgabe geworden", strahlt sie.

Wer helfen will, kann sich auf der Website www.inje-eluru.de informieren. Dort stehen auch die Kontaktdaten von Beate Niedermeier und Paul Inje, der über WhatsApp erreichbar ist und regelmäßig Rechenschaft ablegt über die Verwendung der Spenden, die das Hilfswerk Missio abwickelt.

PK

Albert Herchenbach