Pfaffenhofen
Copacabana im Tiefparterre

Barreiras Latin-Jazz-Quartett glänzt in internationaler Besetzung

21.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Alberto Barreira ließ mit seinem Quartett einen Hauch von Sommer, Sonne und Copacabana über dieBühne wehen. −Foto: Köpf

Pfaffenhofen (kc) Was Politik und Gesellschaft leider Schwierigkeiten bereitet, schafft Musik immer wieder mit scheinbar selbstverständlicher Leichtigkeit: Da stehen ein Brasilianer, eine Russin und ein Kroate, allesamt nachweislich mit "Migrationshintergrund", sowie ein Deutscher auf der intakt Musikbühne und zelebrieren einen multistilistischen Konzertabend, der die bedauerlicherweise nur knapp 40 Zuhörer am Freitagabend mit musikalischen Reminiszenzen an einen langen, heißen Sommer mitreißen konnte.

Stand mit Bandleader Alberto Barreira doch das Quartett eines gebürtigen Brasilianers auf der Bühne, das sich insbesondere lateinamerikanischer Musik in Eigenkompositionen verschrieben hat; gewürzt lediglich mit zwei, drei Standards, etwa der afroamerikanischen Musiker Eddie Harris oder Herbie Hancock. Das Ganze gebettet auf der Spielwiese, die im grenzenlosen Reich der Musik einzig und allein der Jazz bieten kann, verschmelzen in der Welt des Saxofonisten und Flötisten hier, in seiner eigenen, nach ihm benannten Formation, heißblütige Latin-Klänge mit Funk, stehen sich Blues und Bossa Nova, Samba und Soul gegenüber und gedeihen zu einer knackigen, beinahe weltmusikalischen Fusion, die ihresgleichen sucht - und trotz der eher mittel- und osteuropäischen Herkunft seiner Bandmitglieder von großer südländischer Authentizität getragen wird. Das liegt insbesondere an der Virtuosität - und der Begriff sei hier mitnichten leichtfertig oder gar inflationär verwendet - dieser vier Musikerpersönlichkeiten.

Mit dem 1965 in Rio de Janeiro geborenen Barreira firmiert im Zentrum der Band ein Kaliber, das schon mit Größen des Musikbusiness wie Simply Red, den Weather Girls oder The Temptations zusammenarbeitete. In Buenos Aires studierte er Querflöte, die er - nebenbei - an diesem Abend leider etwas spärlich erklingen ließ. Zum Saxofon fand er erst später; mittlerweile ist es sein Hauptinstrument. Seit knapp 20 Jahren wohnt der Carioca nun schon mit seiner Familie in Reichertshausen und ist Lehrer für Saxofon, Querflöte und Gitarre am Intakt-Musikinstitut. Begegnet man ihm dort im Alltag, traut man diesem ruhigen Charakter nicht unbedingt zu, wie er förmlich explodieren, sich in leidenschaftliche, waghalsige Improvisationen stürzen kann, hält er nur ein Holzblasinstrument in Händen.

Und wie er so auch seine Mitmusiker zu Höchstleistungen befeuern kann. Da passt auch gut die Bemerkung eines begeisterten Gastes, der sich wunderte, dass die von Keyboarderin Svetlana Marinchenko intensiv bearbeiteten "Tasten nicht irgendwann verglüht" seien. Die junge, bereits mehrfach preisgekrönte Moskauerin, nicht nur in ihrer Heimat längst eine renommierte Künstlerin, scheint nord- und südamerikanische Spielarten tief inhaliert zu haben. Ihre Soli werden wie bei ihren drei Kollegen mit für Jazzkonzerte genretypischem Szenenapplaus reichlich bedacht.

Rhythmische und harmonische Struktur für die solistischen, dabei nie langatmigen Exkurse von Marinchenko und Barreira gewährt Boris Boskovic. Ebenfalls Dozent am gastgebenden Musikinstitut, ersetzt er an diesem Abend Barreiras verhinderten Sohn Gabriel am Bass und fügt sich äußerst dienlich in das klanglich - bis auf den zweimaligen Einsatz eines Holzblas-Synthesizers - sehr wohl tarierte, organische Bandkonzept ein.

Mit Drummer Tommy Eberhardt, der schon mit Justin Timberlake, Iggy Pop oder Xavier Naidoo arbeitete, baut er ein feingesponnenes Netz, ein solides musikalisches Fundament, versteht es daneben aber ebenso wie Eberhardt am Schlagzeug, instrumentale Glanzpunkte zu setzen. Es ist Musik, die Grenzen verschieben und den Horizont erweitern kann - und ein wehmütiger Hauch Sommer, Sonne und Copacabana, der an diesem Herbstabend durch das schummrige Tiefparterre der Pfaffenhofener Musikschule wehte.