Pfaffenhofen
Blasen, blubbern, flattern, schnappatmen

Zwölf Pfaffenhofener wollten es wissen: Sie haben einen Didgeridoo-Kurs der Volkshochschule besucht

21.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:48 Uhr
Immer fest pusten: Die Kursteilnehmer mit ihren Instrumenten, vorn vhs-Kursleiter Markus Guth, rechts PK-Autor Albert Herchenbach. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Das muss doch etwas Wunderbares sein, ein Instrument spielen zu können, das keine Tasten, Löcher oder Klappen hat, in das man einfach nur reinbläst und der Sound die Zuhörer in Trance versinken lässt. Mit solchen Erwartungen haben sich zwölf Teilnehmer zu einem Didgeridoo-Kurs der Volkshochschule im Rentamt getroffen - nach vier Unterrichtsstunden haben sie alle ihrem Instrument einen Ton entlocken können!

Nicht vermeidbar ist an dieser Stelle eine kleine Instrumentenkunde: Laut Online-Lexikon Wikipedia ist das Didgeridoo (sprich: Didscheridu) "ein obertonreiches Blasinstrument aus der Familie der Aerophone auf dem Tonerzeugungsprinzip der Polsterpfeife". Den ersten Musikanten, nämlich den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, wäre eine solche Definition wurscht gewesen. Irgendwann einmal vor über 3000 Jahren hat einer von ihnen in der Einöde einen armlangen Eukalyptusstamm entdeckt, den Termiten ausgehöhlt hatten. Was damit anfangen? Zum Verbrennen zu schade und als Werkzeug ungeeignet wird dieser Aborigine hineingeblasen haben - die Folgen sind bekannt.

Die zwölf Schüler zwischen zwölf und 68 Jahren, darunter auch drei Frauen, hatten ihre Instrumente mitgebracht, manche kunstvoll bemalt, manche auch wie das Ursprungsinstrument aus Eukalyptusholz, von Termiten hohl geknabbert. Was das Instrument, das es schon ab rund 150 Euro gibt, nicht unbedingt teurer macht: Die Termite muss nicht eigens dazu angehalten werden, für sie ist das Holz zugleich Leibspeise und Baumaterial für ihr Zuhause, die Hügel.

Sie alle waren gekommen, weil sie vom Klang des Didgeridoos begeistert sind: "Ich hab mal ein Konzert gehört", sagt einer, "und war hin und weg." "Ein toller Sound", meint ein anderer. "Ich stehe immer unter Strom", verrät eine Teilnehmerin, "schon beim Hören fahr' ich runter." Ein Rentner hat es von seiner Frau geschenkt bekommen, "weil mich der Klang so fasziniert hat". Die Ehefrau wird diesem Geschenk aber wohl auch einen mehr pragmatischen Aspekt abgewonnen haben. "Es soll ja auch", sagt der Ruheständler, "gegen Schnarchen helfen."

"Ja", sagt Markus Guth, der 34-jährige Lehrer aus Augsburg, der seit 20 Jahren Didgeridoo spielt und seit fünf Jahren in Friedberg und Pfaffenhofen Unterricht gibt, "es ist das gesündeste Instrument." Es trainiere die Atmung kräftige alle Muskeln, die damit zu tun haben. Möglicherweise ja auch das nachts unkontrolliert frei flatternde Gaumensegel.

Nach einer halben Stunde Theorie wollen die Teilnehmer zum praktischen Teil übergehen und ihre Instrumente hervorholen. Stattdessen bringt Markus auf einem Tablett zwölf Becher mit Wasser herein, in das die Schüler mit einem Strohhalm hineinpusten sollen, dass es nur so blubbert. Aber, und das ist jetzt die Herausforderung: Es soll andauernd blubbern! Was konkret bedeutet: pusten und atmen gleichzeitig. Denn genau das macht den Klang des Didgeridoos aus: Der Ton soll nicht abreißen, sondern kontinuierlich schwingen.

Markus macht es vor: Er steckt den Strohhalm zwischen die geschlossenen Lippen, bläst die Backen auf, holt tief Luft, das Wasser blubbert im Becher, und dann holt er durch die Nase ganz kurz Luft, eine Schnappatmung, so kurz, als würde man beim Schluchzen schniefen - und im Wasser blubbert es weiter, weil die Luft, die noch in den aufgeblähten Backen ist, während des extrem kurzen Einatmens weiter entweicht. Das nennt sich Zirkularatmung.

Wer darüber konzentriert nachdenkt, um ja nichts falsch zu machen, hat kein Chance. Das muss von allein gehen. Entspannt euch, sagt Markus. Die Teilnehmer sollen aufstehen, das Wasserglas in der Hand, absichtslos durch den Raum gehen und pusten. Die Didgeridoo-Novizen blasen die Backen auf, bis sie Kugelfischen ähneln, und lassen es blubbern. "Wir duzen uns hier", hatte Markus schon zu Beginn gesagt. Ein "Sie" käme einem bei solcher Mimik auch nur schwer über die Lippen. In denen steckt jetzt ohnehin der Halm, es blubbert, die Teilnehmer schnappen nach Luft - und das Blubbern versiegt. Also üben, weitergehen, pusten, atmen ... Draußen haben die Schäffler mit der Stadtkapelle Aufstellung genommen, und für einen kurzen Moment sehnt man sich nach melodischer Musik.

In der Pause bläst Markus ein Ständchen zur Entspannung. Der Ton schwillt an, es klingt, als hätte ein Pilot die Motoren einer Propellermaschine angeworfen - aber dann breitet sich dieser warme, fette, weich brummende Klang aus, der einem in die Magengrube fährt. Markus verändert die Lippenstellung, als würde er Grimassen schneiden, der Ton wird heller, er bläst die Luft rhythmisch in sein Instrument, artikuliert ein Bellen und lässt so ein Klanggemälde entstehen. Wow! Seine Schüler applaudieren begeistert und dürfen jetzt vom Strohhalm auf die Übungsinstrumente umsteigen, die ihr Lehrer mitgebracht hat. Die sind aus dem Baumarkt: Die Kunststoffrohre sind bunt bemalt, haben ein Mundstück bekommen - und klingen toll! Wenn nur nicht dauernd beim Reinblasen und Atmen der Luftstrom abreißen würde! Also üben, zurück zum Wasserglas mit dem Strohhalm, da ging's doch schon ganz gut, neuer Versuch, mit flatternden Lippen blasen. Nur Geduld, ermuntert der Lehrer, üben, am besten täglich, das wird schon.

Schlussrunde. "Hört das Kribbeln in den Lippen auch mal auf", will Max, mit zwölf der Jüngste, wissen. Ja, je länger man übt. Wolfgang, 65, freut sich, einen Ton herausbekommen zu haben. Stefan hat schon mal vor zehn Jahren einen Kurs besucht, jetzt ist er gekommen, um die Zirkularatmung zu erlernen. So wie Michael. "Ich hab gedacht, ich geh hier raus und kann's", gesteht er. "Aber ich hab verstanden, wie's geht." Er will weiter üben, so wie Stefan. Dessen Sorge: "Mal schauen, was die Nachbarn dazu sagen."