Haimpertshofen
Aus für Stephaniritt

Wegen Haftungsfragen: Pferdesegnung in Haimpertshofen heuer ohne Pferde

17.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:02 Uhr
Alles Vergangenheit: Der Stephaniritt 2018 zog wieder viele Zuschauer an: Heuer soll es in Haimpertshofen zwar geweihten Hafer, aber keine Pferde mehr geben. −Foto: Archiv/Brenner

Haimpertshofen (PK) Es ist ein sehr alter Brauch und eine feste Tradition für die Reiter in der Region: Der Stephaniritt in Haimpertshofen am Zweiten Weihnachtsfeiertag. Doch jetzt hat die Verwaltung der katholischen Kirchenstiftung St. Stephanus Haimpertshofen das Aus für die Pferdesegnung beschlossen. Hintergrund ist vor allem die Haftungsfrage.

"Uns war gar nicht bewusst, was wir da gemacht haben", sagt Manfred Hörmann, Mitglied der Kirchenverwaltung Haimpertshofen. Nach einem Wechsel in der Kirchenverwaltung habe man sich beim Landratsamt ausgiebig informiert. "Dabei ist auch herausgekommen, dass ich als derjenige, der einlädt, haftbar gemacht werden könnte", so Hörmann. "Sollte also ein Pferd spinnen und es würde zu einem Unfall kommen, dann hätte ich ein Problem."

Das bestätigt der Pfaffenhofener Stadtjurist Florian Erdle. "Wenn etwas schief geht, dann wenden sich die Betroffenen an den, der verantwortlich handelt, also den Veranstaltungsleiter." Das sei derjenige, der zur Veranstaltung einlade.

Und es kamen noch weitere Probleme auf, so Hörmann. "Wir haben zum Beispiel in der Vergangenheit selbst in Warnwesten die B 13 gesperrt, das ist nicht erlaubt." Tatsächlich könnte eine Straßensperre eigentlich nur durch die Feuerwehr oder Polizei durchgeführt werden, so Landratsamtsprecher Christian Degen. "Falls sich diese nicht dazu bereiterklären würden, müsste eine verkehrsrechtliche Anordnung bei der Straßenverkehrsbehörde am Landratsamt beantragt werden." Hier müssten die Absperr- und Umleitungsbeschilderung festgelegt werden, die der Verein zu leisten hätte. Ein Antrag liege aber nicht vor.

Das hängt damit zusammen, dass niemand mehr als Veranstalter auftreten und damit letztlich für die Risiken der Pferdesegnung haften will.

Das Bistum Augsburg jedenfalls winkt ab. Bei der Kirchenstiftung Haimpertshofen handele es sich um eine rechtlich eigene kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts, für die die Diözese im Sinne der Stiftungsaufsicht tätig sei, so Sprecher Karl-Georg Michel auf Anfrage. "Die Diözese selbst kann aus diesem Grund nicht als Veranstalter auftreten." Es sei "bedauerlich", so Michel, "wenn sich vor Ort niemand findet, der seitens der Pfarrei die Verantwortung für die Pferdesegnung übernimmt". Allerdings sei die Durchführung einer solcher Veranstaltung auch mit entsprechenden behördlichen und versicherungstechnischen Auflagen verbunden. Es gebe die Möglichkeit, für derartige Veranstaltungen über die Diözese eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abzuschließen. Die Argumentation des Bistums kann Hörmann nachvollziehen. "Ich mache der Kirche keinen Vorwurf", sagt er.

Die Stadt Pfaffenhofen wäre indes bereit, mit den bisher Verantwortlichen über eine mögliche Unterstützung zu sprechen. "Sie können gern auf uns zukommen", so Erdle.

Doch Hörmann will das nicht. Man habe sich nun eigentlich fest gegen die Pferdesegnung entschieden. "Die Veranstaltung sprengt einfach den Rahmen", sagt er. Im Organisationsteam seien aktuell nur vier Personen und der Aufwand sei einfach zu groß.

Anders sieht man das in Manching. Dort findet Anfang November mit dem Leonhardiritt eine vergleichbare Traditionsveranstaltung statt. Dabei wollen die Verantwortlichen aber keinesfalls auf die Pferde verzichten, wie jedes Jahr werden die Reiter mit ihren Rössern dreimal um die Kirche ziehen. Hier war die Haftfrage allerdings auch ein Problem, sagt Bürgermeister Herbert Nerb (FW). "Die Veranstaltung war jahrelang in der Schwebe." Das sei nun aber im vergangenen Jahr "umfangreich geklärt" worden. Die Kirchenstiftung St.Leonhard Pichl verantworte die Veranstaltung, Pfarrer Tobias Hiller habe dafür auch unterschrieben. So sei es schließlich auch die Jahre davor gewesen. Auch abgesperrt werde, zudem sollen Hunde zu Hause bleiben. "Bei der Anmeldung lassen wir unterschreiben, dass jedes Pferd eine Haftpflicht-Versicherung hat", so Nerb. Früher, so der Bürgermeister, habe niemand auf Versicherungen geschaut. Doch mittlerweile könne sofort jeder haftbar gemacht werden, "da will sich der Einzelne natürlich absichern, das ist verständlich".

In Haimpertshofen wird nun eine sehr alte kirchliche Tradition begraben. Der dreifache Umritt mit Pferden wurde erstmals 1895 im Bezirksamtsblatt erwähnt. Von 1959 bis 1990 wurden die Ritte eingestellt, danach riefen Engagierte die Tradition wieder ins Leben.

Heuer sollen die Feierlichkeiten am Stephanitag am 26. Dezember ohne Pferde stattfinden. "Es wird am Vormittag eine Weihe und am Nachmittag eine Andacht geben", so Hörmann. Auch die geweihten Hafersäckchen würden an Pferdebesitzer verteilt. Eines ist allerdings ohne die Pferde gewiss, so Hörmann: "Zuschauer werden heuer wohl keine mehr kommen."
 

KOMMENTAR

Was ist eine Pferdesegnung ohne Pferde? Nicht mehr viel, lautet die ehrliche Antwort. Denn ohne Zweifel sind es die Reiter auf ihren Rössern, die zahlreiche Zuschauer Jahr für Jahr nach Haimpertshofen lockten. Dass die Kirche hier nicht alle Hebel in Bewegung setzt, um ihre alte Tradition zu erhalten, ist schade. Denn die  behördlichen und versicherungstechnischen Auflagen, auf die das Bistum verweist,  gibt es auch in Pichl. 
Dort  haben die  Verantwortlichen aber eine Lösung gefunden, sodass   beim Leonhardiritt auch heuer die Reiter und ihre Pferde  dreimal die Kirche umrunden werden.  
Beim  Maibaumaufstellen standen die Veranstalter in den vergangenen Jahren vor ähnlichen  Herausforderungen. Es gab Haftrisiko-Debatten, die Manchem wohl beinahe die Freude an dem Brauchtum vertrieben hätten. Doch die Vereine haben viel Aufwand betrieben, damit ihre Tradition bestehen bleiben kann.
Sicher wird das Brauchtum auch in Zukunft noch von bürokratischen Bestimmungen auf die Probe gestellt. Das ist nervig, es hilft aber nichts: Denn wenn  niemand mehr die Verantwortung übernehmen will, werden die Traditionen irgendwann aussterben.

Desirée Brenner