Wolnzach
Wo die Wolnzacher zur Welt kamen

WZ-Serie "Spurensuche": Das Gemeindekrankenhaus am Stieglberg wurde 1987 abgebrochen

14.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:11 Uhr
Das Wolnzacher Krankenhaus auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1972 aus Blickrichtung Blütenstraße. −Foto: privat

Wolnzach (WZ) Die Geschichte ist alt, aber aktueller denn je. Die Eröffnung des "Kreiskrankenhauses Pfaffenhofen" hatte seinerzeit das Schicksal des Wolnzacher Krankenhauses am Stieglberg besiegelt: Mit Schließung des Gemeindekrankenhauses 1983, das bis zum Neubau des BRK-Seniorenheimes noch vier Jahre als Altenheim diente, fand die bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurück reichende Tradition der Wolnzacher Krankenhäuser ihr Ende. Spuren hat sie dennoch hinterlassen: in den Menschen, die dort arbeiteten, dort gepflegt oder dort geboren wurden.

Es war ein zweistöckiges Gebäude mit Balkonen, die zum Stieglberg hin ausgerichtet waren, gelb-rosa der Außenanstrich, sehr modern für die damalige Zeit. Auch innen bestimmten Farben die Optik, bunt sollte es sein, fröhlich. Ein geradezu revolutionärer Denkansatz für das Jahr 1959, dem Jahr, als das Wolnzacher Krankenhaus nach einem großen Umbau so aussah, wie es heute noch viele in Erinnerung haben: die innen liegenden Treppengeländer gestrichen in bunten Farben, die Wände ebenso. Ordensschwestern hatten damals dort das Sagen, führten das Regiment, manchmal - so heißt es - ein recht strenges.

Bei der Eröffnung des Hauses im Februar 1959 allerdings bestimmte der Stolz über das neue Haus das Geschehen, dem Eröffnungstag vorausgegangen war ein sechsmonatiger Umbau des alten und viel zu klein gewordenen Krankenhauses aus dem Ursprungsjahr 1891: Die damalige Oberin Schwester Maria Arsenia soll bei einer ersten Führung damals feierlich sechs Personen der anwesenden Prominenz abgezählt und dann ihren Schlüssel in das moderne Schaltbrett an der Wand gesteckt haben. Sechs Personen fasste nämlich der nagelneue - übrigens ganz in Hellblau gehaltene - Personenaufzug, der bis in den zweiten Stock fahren konnte. Modern für damalige Zeiten waren auch die allseits bewunderte Wäschetrocknungsanlage im Speicher, die Glas-Flügeltüren, die die Gänge zum Treppenhaus hin abgrenzten, der Marmor auf den Treppenstufen. Das Haus war damals in drei Abteilungen aufgeteilt: Im zweiten Stock wurden Frauen behandelt, im ersten Stock Männer, den Wöchnerinnen gehörte ein Teil des Erdgeschosses. Im ersten Stock gab es zudem den Operationssaal, den modernisierten Röntgenraum und den Verbandsraum, die Hauskapelle befand sich im zweiten Stock.

Im Dachgeschoss wohnten die Ordensschwestern, die nach dem Umbau allesamt Einzelzimmer bekommen hatten. Mehr Privatsphäre hatte die 1959 fast vollständig abgeschlossene Generalsanierung des laut Reindl-Chronik 1891 "auf Pfarrwidmungsgrund für 50000 Goldmark" errichteten Krankenhauses am Stieglberg auch für die Patienten gebracht: Die ungeliebten Krankensäle waren verschwunden und durch kleinere Krankenzimmer mit maximal vier Betten ersetzt worden. Die Zimmer waren übrigens damals schon mit Rufanlagen ausgestattet. Es gab einen Speisenaufzug und eine Teeküche für jede Abteilung. 54 Betten hatte das Wolnzacher Krankenhaus bei seiner Eröffnung vor genau 60 Jahren, zehn mehr als vor dem Umbau. Zu klein war das alte Haus gewesen, ein Schicksal, das das Gemeindekrankenhaus bis zu seiner Auflösung begleiten sollte.

Denn bereits das 1852 im ehemaligen Schlossgarten errichtete allererste Wolnzacher Krankenhaus als Nachfolger des uralten Leprosenhauses soll laut Reindl-Chronik eher ein als Krankenhaus genutztes Wohnhaus gewesen sein. Und es war von Anfang an zu klein; zudem war es von Teilen des Magistrats nicht gewollt und soll unter aus heutiger Sicht kuriosen Umständen gebaut worden sein: mit stimmungsbildenden Predigten eines Pfarrkooperators und mit Spenden. 1854 war es eingeweiht worden, wegen der Enge und vermutlich auch wegen seines schlechten Standes in der Politik hatte dieses Gebäude keine lange Krankenhausgeschichte. Schon 1890 wurde am Stieglberg neu gebaut und der Grundstein für das gelegt, was die Wolnzacher meinen, wenn sie von "ihrem Krankenhaus" sprechen.

Lebendig ist die Erinnerung an dieses Gebäude heute noch bei vielen Menschen, die dort als Patient behandelt wurden, ihre Kinder zur Welt brachten oder dort arbeiteten. "Wir waren praktisch Tag und Nacht im Dienst und haben einfach alles gemacht, was gerade nötig war", sagt Gisela Brandl-Giesel und spricht damit auch für ihre Kollegen von damals. Jahrzehntelang hat sie für die Einrichtung gearbeitet, eigentlich in der Verwaltung, aber irgendwie überall. Persönlich war die Atmosphäre, eng der Zusammenhalt des Personals, man half sich, wo es nur ging, sagt sie. "Ich kenne heute noch alle Namen", so Gisela Brandl-Giesel. Die der Kollegen, die der 1971 auf Geheiß des Mutterhauses abgezogenen letzten Mallersdorfer Schwestern Arsenia, Justizia, Lubenta, Vulgrata, Thiadilda und Humbalda, die vieler Patienten, die vieler Bewohner, die sie auch dann noch betreute, als der Krankenhausbetrieb 1983 geschlossen und das Haus wegen des bevorstehenden Neubaus des BRK-Seniorenheims auf dem gleichen Gelände in ein Altenheim umgewandelt wurde.

Sie wechselte mit ihnen dann auch in den Neubau des BRK-Seniorenheimes und erlebte von dort aus mit, wie im August 1987 die Bagger anrückten und das alte Krankenhaus dem Erdboden gleichmachten. Wie es ihr damals ging? "Das war schon schlimm", sagt sie heute. Ein Stück Wolnzacher Geschichte sei ja damals praktisch verschwunden, endgültig, aber nicht ausgelöscht. Denn wie viele ihrer Kollegen erinnert auch sie sich noch gerne an so manche Krankenhaus-Episode: Zum Beispiel daran, wie sie bei Entbindungen immer wieder versuchen musste, einen Arzt zu erreichen. Problem dabei: "Sein Telefon war immer belegt." Gut, dass sie als Ortsansässige wusste, dass auch der Nachbar des Doktors Telefon hatte. "Wenn's pressiert hat" musste der halt dann den Doktor holen.

Entbindungen - auch bei Hans Schwarzhuber bestimmten sie sozusagen seine Kindheit und auch seine Erinnerung an das Wolnzacher Krankenhaus. Denn seine Mutter Anna war Hebamme in Wolnzach, hat in ihren 31 Dienstjahren bis 1987 über 4000 Babys auf die Welt geholt, viele davon im Wolnzacher Krankenhaus. Gut, dass die Schwarzhubers nicht weit weg wohnten, nämlich nur ein paar Meter weiter oben am Stieglberg. Dass die Mutter nicht da war, wenn er von der Schule nach Hause kam, war für Hans keine Seltenheit - und er wusste auch, wo er sie meist finden konnte: im Entbindungszimmer im Erdgeschoss des Wolnzacher Krankenhauses. "Ich habe dann an die Scheibe geklopft und gefragt, wie lange die Geburt noch dauern wird", erinnert er sich noch gut - und auch daran, wie präzise die Aussagen seiner Mutter zutrafen. "Wenn sie sagte, zweieinhalb Stunden, dann war das auch so. Da lag sie goldrichtig. Immer."
 

Karin Trouboukis